Garten
Vertikale Gärten: Ästhetik und Ökologie im Einklang
Ratgeber / Lesedauer: 6 min

BAUEN & WOHNEN
Ein vertikaler Garten, auch bekannt als Pflanzenwand, ist ein neuer Gartentrend. Jede trostlose Betonwand lässt sich so in eine lebendige und üppige Fläche verwandeln, die voller Moos, Sedum, Farnen und anderen erstaunlichen Pflanzen steckt. Die Grundidee eines vertikalen Gartens ist einfach: Pflanzen wachsen nicht nur direkt aus dem Boden, sondern auch an Wänden. Vertikale Gärten sind echte Raumwunder und perfekt für Leute, die wenig Platz haben oder keinen Garten haben, aber dennoch die Vielfalt der Natur genießen möchten.
Welche Fassadenbegrünung Arten gibt es?
Neben der klassischen, erdgebundene Fassadenbegrünung ist auch die wandgebundene Fassadenbegrünung eine großartige Alternative. Bei der erdgebundene Fassadenbegrünung klettern die Pflanzen entweder direkt an der Fassade, oder bekommen ein Gerüst.

Wilder Wein und Efeu
Selbstklimmer wie wilder Wein oder Efeu benötigen keine Rankhilfe.

Blauregen oder Rosen
Blauregen oder Rosen sind Gerüstkletterpflanzen. Die Kletterhilfe kann aus vertikal gespannte Edelstahl-Seilen sein, gespannte Metallnetze und Gitterelemente, oder Holzeöementen. Die Pflanzen versorgen sich durch Wurzeln in der Erde oder Pflanztrögen.
Bei der wandgebundenen Fassadenbegrünung werden die Pflanzen über eine automatisierte Bewässerungsanlage mit Wasser und Nährstoffen versorgt.
Diese Living Walls oder vertikale Gärten genannt, bilden ihre Wurzeln in Vliestaschen oder Substratsystemen ohne Kontakt zur dahinterliegenden Gebäudewand. Die Wasserversorgung läuft meist über vollautomatische Systeme. Hier werden Pflanzen an der Fassade angebracht, während gleichzeitig Luft hinter der Wand zirkulieren kann. Dies ist entscheidend, um eine gesunde Umgebung für die Pflanzen zu gewährleisten und mögliche Feuchtigkeitsprobleme zu vermeiden. Eine begrünte Fassade kann nicht nur die Ästhetik eines Gebäudes verbessern, sondern auch die Umgebungstemperatur regulieren und den Energieverbrauch reduzieren.
Wir waren unterwegs in Freiburg. Das Unternehmen flor-design ist seit Jahren auf Fassadenbegrünung spezialisiert. Damit besetzte es lange eine exotische Nische. Inzwischen erhält der Betrieb jedoch täglich neue Anfragen. Deutschlandweit interessieren sich immer mehr Architekten, Kommunen und Privatleute für grüne Wände.
Warum wird die Pflanzwand immer beliebter?
Grüne Wände haben viele Vorteile: sie verbessern das Stadtklima, kühlen Gebäude im Sommer, dämmen im Winter. Gleichzeitig fördern sie die Biodiversität und gehen nachhaltig mit der Ressource Wasser um.
Neben den spannenden Möglichkeiten der Gestaltung, ist auch der ökologische Nutzen einer Wandbegrünung von hoher Bedeutung. Die vertikalen Gärten gelten in der Fachwelt auch als wirksames Instrument im Kampf gegen Überhitzung, Belastung durch Feinstaub, Lärm und schwindende Artenvielfalt.
Klaus WegenastDavon bin ich überzeugt. Die Erkenntnis, dass Grünwandsysteme ein Gebäude herunterkühlen und zusätzlich dämmen können, ist für viele Neuland. Zudem ist der Zusammenhang leider noch nicht genug erforscht.
Klaus Wegenast: „Davon bin ich überzeugt. Die Erkenntnis, dass Grünwandsysteme ein Gebäude herunterkühlen und zusätzlich dämmen können, ist für viele Neuland. Zudem ist der Zusammenhang leider noch nicht genug erforscht. Die Dämmung kommt durch die Schichten zustande: Wenn wir mit unseren Systemen eine klassische Fassade bauen, dann ist diese vier Zentimeter hinterlüftet. Darauf folgt eine Rückwand und eine definierte Wand mit beispielsweise einer Zwölf-Zentimeter-Substratschicht. Den Abschluss bildet die Frontseite, aus der die Pflanzen wachsen.“
Das Basismodul ist zwei Meter hoch und kann bei Bedarf von allen Seiten bepflanzt werden. Die statische Konstruktion erlaubt die Positionierung ohne Fundament.
Welche Pflanzen eignen sich für eine vertikale Begrünung des Fassadensystems?
Die Pflanzenwahl ist abhängig vom Fassadensystem, Standort und der Gestaltungsintension. Soll sie ein architektonisches Highlight darstellen, oder geht es um maximale Biodiversität? Grundsätzlich sind immergrüne Pflanzen die Basis, damit die Fassade im Winter nicht trist aussieht. Ansonsten können in dem System fast alle Pflanzen verwendet werden, von Moosen über verschiedene Polsterstauden, Ziergräsern und Steingartenpflanzen bis hin zu Kräutern wie Lavendel und Rosmarin.

Moos
Moos ist ein äußerst vielseitiger Organismus, der sich an unterschiedliche Bedingungen anpassen kann. Eine mit Moos bedeckte Wand verleiht jedem Raum eine mysteriöse und beruhigende Atmosphäre. Mooswände benötigen nur minimale Pflege. Eine leicht feuchte Umgebung reicht oft aus, um das Moos in einem gesunden Zustand zu halten. Zusammen mit Farnen und anderen schattentoleranten Pflanzen, kann eine Mooswand ein echter Blickfang sein.

Sukkulenten
Sedum und andere Sukkulenten sind ebenfalls beliebte. Die Kombination von verschiedenen Sedumarten Optionen für vertikale Gärten. Sie eignen sich für sonnige Standorte und benötigen nur wenig Wasser.
Wie funktioniert die Wasserversorgung im Detail?
Auch Begrünungssysteme brauchen in trockenen Zeiten Wasserzugaben. Die Bewässerung wird durch ein Regenwassermanagement gesteuert. Wie funktioniert die Wasserversorgung im Detail?
Klaus WegenastWenn kein Zisternensystem vorhanden ist, dann wird über die vorhandene Wasserleitung gewässert.
Klaus Wegenast: „Im Idealfall wird auf dem Dach und den Belagsflächen Regenwasser gesammelt, etwa in Zisternen. Je dicker der Substratkörper, umso besser können die darin wurzelnden Pflanzen ganzjährig versorgt werden – auch bei Trockenheit. So sind auch unsere greencityWALLs aufgebaut. Das Regenwasser läuft durch das Fassadensystem hindurch und wird durch die Bodenbewurzelung und Mikroorganismen in der Substratschicht gefiltert. Wenn kein Zisternensystem vorhanden ist, dann wird über die vorhandene Wasserleitung gewässert.“
Wieviel Wasser benötigt die Pflanzenwand?
Ein Quadratmeter Pflanzenwand benötigt etwa einen Kubikmeter Wasser pro Jahr. Das entspricht ungefähr dem durchschnittlichen Jahresniederschlag in Freiburg oder München. Wichtig ist, dass die horizontal angelegten Pflanzen nie ganz austrocknen dürfen. Deshalb beginnt die Pflege mit der Bewässerungskontrolle. Dabei werden größere Objekte mit vollautomatischen Bewässerungssystemen über Sensoren gesteuert. Kleinen Pflanzwänden genügt ein Wasserhahn mit Zeitschaltuhr.
Welche Vorbilder gibt es bereits?
Patrick Blanc entwickelte die Grundidee zur Fassadenbegrünung. Mit der von ihm eingesetzten Vlies-Technik war er Vorreiter der Bewegung. Damit die darin wurzelnden Pflanzen grün bleiben, werden diese Vliese permanent feucht gehalten. Der 1953 in Paris geborene Botaniker und Gartenarchitekt hat die grünen Pflanzenwände international bekannt gemacht. Die Erfindung dieser Wände reicht ins Jahr 1938 zurück. Damals hat Stanley Hart White, Professor für Landschaftsarchitektur an der University of Illinois, ein Wandbegrünungsverfahren zum Patent angemeldet.

Grüne Wand in Paris
Blanc hat das System von Stanley Hart White modernisiert und erweitert. Berühmt wurde Blanc mit der grünen Wand des Musée du Quai Branly in Paris. Inspiriert von den Regenwäldern in Malaysia rieselt hier Wasser durch rund 15.000 Pflanzen.
2015 entwarf Blanc in Kuala Lumpur (Malaysia) die Fassadenbegrünung für das bislang höchste Hochhaus mit vertikalen Gärten.
Arbeiten in Deutschland: der 18 Meter hohe Vertikalgarten im KulturKaufhaus Dussmann, Berlin, mit über 6000 tropischen Pflanzen.
Fazit
Wandgebundene Begrünungen können großen Industriefassaden oder städtischen Wohnblöcken ein natürliches Erscheinungsbild geben.
Auch private Fassaden lassen sich toll gestalten. Die Elemente können aber auch als Heckenersatz, Lärm- und Sichtschutz eingesetzt werden.