Kommentar
Diese Aufforderung ist eine schallende Ohrfeige für alle in dem Beruf
Deutschland / Lesedauer: 3 min

„Suchen Sie sich einen reichen Mann!“ Dieser Satz klingt wie aus dem Mittelalter. Eine Offenbarung zur Gehaltslücke zwischen Männern und Frauen und noch gar nicht so lange her, als meine Freundin ihn hörte. Sie war gerade in den Endzügen ihrer sehr teuren Ausbildung, ihre damalige Dozentin haute diese Worte raus und der Hörsaal war fassungslos.
Am Europäischen Tag der Logopädie steht fest: Die Lage hat sich seitdem nur bedingt verbessert. In der Öffentlichkeit läuft ein ganzer Berufsstand unter dem Radar, wird unterschätzt und nicht angemessen bezahlt.
Hoher Bedarf, vielseitiges Feld: Deutschland mangelt es an Logopädinnen und Logopäden
Der Bedarf an Behandlungen bei 6- bis 18-jährigen Menschen hat sich in zehn Jahren um rund 59 Prozent erhöht. Fast jeder Zehnte in der Altersgruppe ist betroffen. In verschiedenen Regionen müssen Kinder mit Sprachstörungen teilweise über Monate oder gar Jahre auf einen Therapieplatz warten.
Und neben den Kindern mit Sprachentwicklungsstörungen gibt es da auch noch die Erwachsenen mit Sprach-, Sprech-, Stimm- und Schluckstörungen im Zuge von neurologischen Erkrankungen (Schlaganfall, Parkinson, MS), Kiefer- oder Zahnfehlstellungen oder nach Operationen, Unfällen oder psychischen Problemen wie Stress und Traumata.

Diese Menschen sind für mich Magier und sie verdienen mehr als Respekt
Das klingt etwas technisch, wenn auch umfassend. Doch nicht selten ist das ein fordernder Knochenjob: Wenn meine Freundin als Logopädin vor allem als Mensch und Therapeutin gefragt ist, weil buchstäblich die Worte fehlen, nachdem einer Schlagangall-Patientin der Mann weggestorben ist. Wenn Kinder mit Trisomie 21 ihr in sechs oder sieben Therapien hintereinander auch körperlich alles abverlangen. Wenn junge Menschen mit einer Autismus-Spektrum-Störung nie und über Jahre hinweg nicht altersgerecht bzw. verbal kommunizieren.
Wenn diese Patienten dann plötzlich ihren Vornamen nennen oder ihr sagen, was sie als Nächstes spielen wollen, ist das nicht nur ein Durchbruch, sondern ein Meilenstein, ja manchmal ein Wunder. Dann fühle ich mich als Journalist ganz klein neben ihr und dem, was sie leistet, wie sie ganze Familien glücklich macht, wie sie Menschen hilft, aus denen plötzlich ein nie für möglich gehaltener Wortschwall heraussprudelt.
Die gesellschaftliche und finanzielle Wertschätzung fällt trotzdem gering aus. Uns geht es gut, in vielen anderen Berufen ist die finanzielle Situation noch prekärer als in ihrem. Trotzdem sind 3.000 Euro als durchschnittliches Bruttomonatsgehalt in Vollzeit (was bei der Intensität und mit Kindern quasi unmöglich ist) zu wenig - bei dieser Bedeutung, dem Bedarf, der langjährigen Finanzierung und Rückzahlung und dem Fachkräftemangel, gerade im medizinischen Bereich.
Jens Spahn hat die Situation verbessert, aber es reicht noch längst nicht
Geholfen hat das Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) des damaligen Gesundheitsministers Jens Spahn, das für höhere Gehälter und regelmäßige Vergütungsanpassungen sorgte. Doch viele Probleme bleiben und sind allgegenwärtig.
Der bürokratische Aufwand und die Arbeitsbelastung sind hoch. Die meisten Logopäden und Logopädinnen (wie auch meine Freundin) müssen ihre Ausbildung selbst finanzieren, da oft an privaten Schulen gelehrt wird. Zudem gibt es einen Trend zur Akademisierung des Berufs: noch mehr Zeit und Geld investieren in einen Job, der hart und nicht gut bezahlt ist. Und letztlich sind „die Logos“ in ihrem Wirken oft immer noch abhängig vom Wohlwollen der klassischen Ärzteschaft.
Dann nur auf Idealismus zu verweisen oder zu hoffen, reicht nicht. Die Logopädie ist essenziell für unser Gesundheitswesen, Worte und Sprache sind unser Lebenselexier im Miteinander. Also, dann sorgt auch dafür, dass die Expertinnen und Experten in diesem Metier genau das auch endlich merken.