Energie
Nachhaltige Energieerzeugung: Ein Blick in die Zukunft und die Praxis
Ein Beitrag von: BAUEN & WOHNEN

Das Thema nachhaltige Energieerzeugung ist in unserer Gesellschaft allgegenwärtig. Vom heimischen Balkonkraftwerk bis zur riesigen PV-Anlage für ganze Stadtviertel – die Möglichkeiten scheinen endlos. Aber wie sieht eine nachhaltige Energieerzeugung aus, die nicht nur in kleinen Teilen funktioniert, sondern eine ganze Gemeinschaft versorgt? Um diese Frage zu beantworten, haben wir uns auf den Weg nach Überlingen am Bodensee gemacht, um eine eindrucksvolle Anlage zu besichtigen, die auf Solarthermie und Holzhackschnitzel setzt, um 800 Haushalte mit Energie zu versorgen.
Nachhaltige Energieerzeugung am Bodensee
In Überlingen, einer idyllischen Stadt am Bodensee, hat man einen wegweisenden Schritt in Richtung nachhaltiger Energieerzeugung unternommen. Hier wird nicht nur über ökologische Verantwortung gesprochen, sondern auch konsequent gehandelt. Unsere Reise führt uns zu einer Energieanlage vom regionalen Energieversorger Stadtwerk am See, die gleichzeitig auf Solarthermie und Holzhackschnitzel setzt, um eine kontinuierliche Energieversorgung sicherzustellen.
Karl-Heinz MarxHier sind insgesamt acht Megawatt installiert. Davon entfallen 2,4 Megawatt auf die Solarthermie-Anlage und 1,6 Megawatt auf die Biomasse-Kessel.
"Hier sind insgesamt acht Megawatt installiert. Davon entfallen 2,4 Megawatt auf die Solarthermie-Anlage und 1,6 Megawatt auf die Biomasse-Kessel. Zusätzlich gibt es zwei Spitzenlast-Kessel, um bei Bedarf die Versorgung sicherzustellen. Eine Photovoltaikanlage auf der Technikzentrale sowie ein kleines Blockheizkraftwerk ergänzen das Gesamtkonzept", erklärt Karl-Heinz Marx, Projektingenieur Wärmeerzeugung und –verteilung vom Stadtwerk am See.
Diese Kombination aus verschiedenen Energiequellen sorgt dafür, dass die Anlage über das ganze Jahr hinweg eine zuverlässige Versorgung gewährleistet. Im Sommer deckt die Solarthermie den kompletten Bedarf, während die Biomasse-Kessel in der kalten Jahreszeit einspringen. Bei Ausfällen oder erhöhtem Bedarf sichern die Spitzenlast-Kessel die Energieversorgung.
Die Entstehung des Konzepts
Die Anlage in Überlingen ist das Ergebnis jahrelanger Planung und Weiterentwicklung. Karl-Heinz Marx betont: „Schon lange vor der Energiewende hatte das Stadtwerk den Fokus auf Nachhaltigkeit und Ökologie gerichtet. Die Zentrale wurde 2001 in Betrieb genommen, sukzessive erweitert und modernisiert. 2009 erfolgte der Einbau der Biomasse-Kessel, und 2021/22 begann der Bau der Solarthermie-Anlage, die 2023 in Betrieb genommen wurde."
Solarthermie - Die Kraft der Sonne
Nachdem wir die Funktionsweise der Anlage kennengelernt haben, werfen wir einen genauen Blick auf das Herzstück der nachhaltigen Energieerzeugung in Überlingen: die Solarthermie. Bei gutem Wetter mag es offensichtlich sein, wie diese Technologie funktioniert, aber wie leistungsfähig ist sie in der kalten Jahreszeit?
Beim ersten Blick auf die Solarthermie-Anlage fällt auf, dass sie sich optisch von herkömmlichen Modulen unterscheidet. Wir haben Experte Karl-Heinz Marx nach der verwendeten Technologie gefragt: „Hier setzen wir Hochleistungs-Vakuumröhrenkollektoren ein, die äußerst effizient arbeiten. Die Strahlung wird auf den Spiegel projiziert und anschließend über einen Absorber absorbiert, der sich erhitzt und die Wärme an das Trägermedium Wasser abgibt.“
Die Besonderheit dieser Anlage liegt in der Konstruktion der Spiegel, die eine nahezu konstante Lichtverfügbarkeit über den Tag sicherstellen, unabhängig von der Sonnenposition. Selbst bei diffuser Strahlung oder tief stehender Sonne wird genug Energie erzeugt, um Wärme zu produzieren. Zusätzlich zeichnen sich die Vakuumröhrenkollektoren durch ihre Hitzebeständigkeit aus, wodurch sie auch an heißen Tagen effizient arbeiten.
Karl-Heinz Marx erzählt weiter: „Selbst an sehr heißen Tagen bleiben die Röhren kühl. Dies ist das Prinzip der Vakuumröhre - sie selbst wird nicht heiß, sondern nur der Absorber im Inneren.“
Die Leistung an sonnenarmen Tagen
Natürlich stellt sich die Frage, wie die Anlage an Tagen mit wenig Sonnenlicht oder bei schlechtem Wetter arbeitet.
Herr MarxDie Kälte beeinträchtigt die Leistung der Anlage nicht wesentlich. Wichtig ist, dass die Atmosphäre klar ist. Auch bei diffuser Strahlung oder bewölktem Himmel erzielen wir noch eine akzeptable Ausbeute.
Ein weiterer Aspekt, den viele Menschen interessiert, ist die Speicherung von Energie. Die Solarthermie-Anlage produziert im Sommer oft mehr Energie, als sofort verbraucht werden kann. Experte Marx erklärt: „Die überschüssige Energie wird in einem 270.000-Liter-Pufferspeicher gespeichert und bei Bedarf abgegeben, wenn die Sonne nicht scheint.“
Kein Frostschutz nötig
Ein häufiges Argument gegen Solarthermie ist der benötigte Frostschutz, insbesondere in Regionen mit kalten Wintern. Bei unserem Besuch in Überlingen sehen wir jedoch, dass hier normales Trinkwasser ohne Frostschutzmittel verwendet wird. Karl-Heinz Marx erläutert: „Wir nutzen speziell aufbereitetes, schadstofffreies Wasser, das in einem Umkreis von etwa 20 Kilometern gewonnen wird. Dieses Wasser erfordert keinen Frostschutz und ist eine umweltfreundliche Lösung.“
Holzhackschnitzel - Nachhaltige Biomasse
Nun wenden wir uns der zweiten Energiequelle in Überlingen zu: den Holzhackschnitzeln. Hier zeigt sich erneut, wie konsequent Nachhaltigkeit und Umweltschutz umgesetzt werden.
Die Holzhackschnitzel, die in dieser Anlage verwendet werden, stammen ausschließlich aus dem städtischen Wald von Überlingen und einem Umkreis von circa 20 Kilometern. Dieses Holz, das oft industriell nicht mehr verwertet werden kann, wie beispielsweise durch den Borkenkäfer geschädigtes Holz, wird hier in nachhaltiger Weise genutzt, um Wärme und Energie zu erzeugen.
Karl-Heinz Marx erklärt: „Wir nutzen vor allem Holz, das aus ökologischen Gründen nicht mehr anderweitig verwertet werden kann, wie Tropenholz, das vom Borkenkäfer befallen ist. Diese Holzhackschnitzel sind eine ideale Lösung, um die Versorgung von Handwerksbetrieben und Kunden nachhaltig zu sichern.“
Die Funktionsweise der Holzhackschnitzel-Anlage
Nun wollen wir wissen, wie aus diesen Holzhackschnitzeln Energie gewonnen wird. In der Zentrale der Anlage erfahren wir von Karlheinz mehr über die Funktionsweise:
Die Anlage hat eine Leistung von 1600 kW, wobei die Leistung je nach Bedarf zwischen 30 und 100 Prozent reguliert werden kann. Die Holzhackschnitzel werden in Bunkern bevorratet und von dort aus mithilfe von Förderanlagen in den Brennraum transportiert.
Experte Marx erläutert die weiteren Schritte: „Die Holzhackschnitzel werden dem Brennraum dosiert zugeführt und erzeugen dort die benötigte Wärme, die über einen Wärmetauscher an das Wasser abgegeben wird. Dieses heiße Wasser wird dann über Rohrleitungen in das System eingespeist.“
Die Solarthermie-Anlage draußen und die Holzhackschnitzel-Anlage innen arbeiten in einer ausgewogenen Balance. Im Sommer, wenn die Solarthermie die Hauptarbeit übernimmt, ist die Holzhackschnitzel-Anlage weitgehend stillgelegt und wird zur Wartung und Revision vorbereitet. Sie kommt erst wieder im Herbst zum Einsatz.
Die Steuerzentrale - Das Gehirn der Anlage
Die Anlage in Überlingen ist technisch hochentwickelt und erfordert eine präzise Steuerung, um den Bedarf und die Energieerzeugung optimal aufeinander abzustimmen. In der Steuerzentrale der Anlage sehen wir zahlreiche Rohre und Schaltpulte. Hier wird die Intelligenz der Anlage gebündelt.
"In der Steuerzentrale werden Messwerte, Trends und Aufzeichnungen gemacht. Das System arbeitet fast wie eine KI und sorgt dafür, dass die Energie optimal erzeugt, verteilt und gespeichert wird. Die Versorgung der Haushalte wird somit rund um die Uhr gewährleistet", so Karl-Heinz Marx
Eine der Herausforderungen ist die ständige Anpassung an sich ändernde Bedingungen. „Die Aufzeichnungen und Erfahrungswerte ermöglichen es, den Energiebedarf der Haushalte vorauszusehen und entsprechend zu reagieren“, fügt Marx hinzu.
Versorgungssicherheit
Ein wichtiger Aspekt dieser Anlage ist die Sicherstellung der Versorgung, insbesondere für Großabnehmer wie das örtliche Krankenhaus. Herr Marx betont: „Für diese Kunden ist eine hundertprozentige Versorgungssicherheit entscheidend. Hier kommen die beiden gasbetriebenen Kessel ins Spiel, jeder mit einer Leistung von zwei Megawatt. Sie dienen als Redundanz und gewährleisten, dass die Energieversorgung niemals ausfällt.“
Die Zukunft der Anlage
Abschließend wollen wir von Herrn Marx wissen, ob die Anlage in Überlingen bereits ihr Optimum erreicht hat oder ob weitere Neuerungen geplant sind. Seine Antwort: „Zum jetzigen Zeitpunkt haben wir das Beste aus der Anlage herausgeholt. Wir setzen die neueste und beste Technologie ein und betreiben die Anlage äußerst wirtschaftlich. Die letzten Sommermonate haben gezeigt, dass dies eine beeindruckende Anlage ist. In den kommenden Jahren werden wir jedoch ständig an Optimierungen und Monitoring arbeiten, um die Effizienz weiter zu steigern.“
Fazit: nachhaltige Energieerzeugung ist möglich
Die nachhaltige Energieerzeugung ist ein zentrales Thema unserer Zeit, und die Anlage in Überlingen am Bodensee zeigt eindrucksvoll, wie verschiedene Technologien miteinander kombiniert werden können, um eine zuverlässige Energieversorgung sicherzustellen. Von Solarthermie bis zu Holzhackschnitzeln - hier wird nachhaltige Energiegewinnung gelebt und praktisch umgesetzt. Mit einer intelligenten Steuerung und einer klaren Ausrichtung auf ökologische Nachhaltigkeit ist diese Anlage ein Vorbild für die Zukunft.