Solarenergie
Mit Balkonkraftwerken Stromkosten sparen
Region Bodensee / Lesedauer: 6 min

Balkonkraftwerke gelten als praktische Möglichkeit, mit der Privatpersonen auch ohne großen Garten oder große Dachfläche Strom aus Sonnenenergie gewinnen können. In der Bodenseeregion ist ihre Anzahl zwar noch überschaubar, doch sie steigt.
Ein Privatmann und der Geschäftsführer einer Wohnungsbaugesellschaft zeigen sich vom Nutzen der Mini–Solaranlagen überzeugt. Roland Gamisch, Mitglied im Energieteam Wasserburg, hat selbst eine Mikro–PV–Anlage und findet: „Sie sind etwas für jeden.“ Ganz ähnlich sieht das Jürgen Schipek, Geschäftsführer der Städtischen Wohnungsbaugesellschaft (SWG) in Friedrichshafen. Für ihn sind sie ein wichtiger Schritt in Richtung klimafreundlicheres Wohnen.
Ende Juli wurde das erste Balkonkraftwerk an einer Häfler SWG–Wohnung angebracht. Mit den Erfahrungen aus dieser Musteranlage will die SWG weitere Gebäude in ihrem Bestand mit PV–Modulen am Balkon ausstatten.
Tipps, was man beachten und in welche Himmelsrichtung die Balkonkraftwerke zeigen sollten - nicht unbedingt nach Süden.
Derzeit müssen die sogenannten steckerfertigen Solaranlagen, wie die Balkonkraftwerke offiziell heißen, beim jeweiligen Netzwerkbetreiber gemeldet werden. Die Nachfrage habe sich beim Häfler Stadtwerk am See seit 2019 etwa verfünffacht, teilt Sprecher Sebastian Dix mit. Im Marktstammdatenregister, einem Register für den deutschen Strom und Gasmarkt, müssen alle Balkonkraftwerke hinterlegt werden.
Stand August sind demnach in Friedrichshafen 344 Balkonkraftwerke in Betrieb, in Tettnang 79 und in Lindau 73. Mit einer Neuerung ab 2024, die den Betrieb vereinfachen soll, könnten es deutlich mehr werden. Doch was sind überhaupt die Voraussetzungen, um sich ein Balkonkraftwerk zuzulegen?
Was aktuell gilt, was sich ändern soll und wie viel Geld man mit den kleinen Anlagen sparen kann:
Was sind Balkonkraftwerke?
Balkonkraftwerke sind Photovoltaik–Systeme, die aus Sonnenlicht Strom erzeugen. Ein Wechselrichter verwandelt diesen in Strom, der im Haushalt verwendet werden kann. Der Unterschied zu Photovoltaikanlagen? Balkonkraftwerke sind kleiner und „steckerfertig“ produziert, sodass Privatpersonen sie selbst anbringen können.

Produzieren die Mini–Solaranlagen überschüssigen Strom, geht dieser ebenso ins allgemeine Stromnetz wie bei Photovoltaikanlagen, erklärt der Wasserburger Roland Gamisch. Im Gegensatz zu Strom aus großen PV–Anlagen wird er allerdings nicht vergütet.
Darf jeder ein Balkonkraftwerk installieren?
Grundsätzlich ja. Allerdings müssen sich Mieter die Zustimmung ihres Vermieters einholen - zumindest dann, wenn die Anlage außen am Balkon oder an der Hauswand befestigt wird, schreibt die Verbraucherzentrale in einem Informationsstück. Bei Eigentümergemeinschaften müssen nicht zwangsläufig alle, aber eine Mehrheit damit einverstanden sein, heißt es dort weiter. In besonderen Fällen könnte beispielsweise der Denkmalschutz gegen ein Balkonkraftwerk sprechen.
Grundsätzlich sind die Installationsmöglichkeiten laut Roland Gamisch aus Wasserburg vielfältig: auf dem Balkon, auf dem Dach, an der Wand, auf der Garage, auf dem Carport oder aufgeständert im Garten.
Wie kommt man zu einem Balkonkraftwerk?
Die Balkonkraftwerke gibt es im Baumarkt, beim Elektriker oder im Internet, erklärt Gamisch. Aktuell müssen alle Balkonkraftwerke beim jeweiligen Netzbetreiber angemeldet werden, ebenso ist der Eintrag ins Marktstammdatenregister der Bundesnetzagentur Pflicht. Der gesamte Prozess soll sich Anfang nächsten Jahres vereinfachen.
Mitte August ging das sogenannte Solarpaket 1 aus dem Bundeswirtschaftsministerium durchs Kabinett. Es sieht unter anderem vor, dass die Anmeldung beim Netzbetreiber entfällt und weniger Daten von der Bundesnetzagentur abgefragt werden. Auch der Wechsel der Zähler soll dann nicht mehr nötig sein. Bislang müssen Balkonkraftwerk–Besitzer Zähler ohne Rücklaufsperre austauschen.
Grafik 1: Friedrichshafen hat mit Abstand die meisten Balkonkraftwerke. Es handelt sich allerdings auch um die größte Stadt in der östlichen Bodenseeregion und es gibt in Friedrichshafen eine städtische Förderung für die Mini-Solaranlagen. Grafik: Anke Kumbier
Wie viel kostet ein Balkonkraftwerk und wie lange läuft es?
Standardanlagen kosten laut Verbraucherzentrale zwischen 350 und 600 Euro, hinzu kommen eventuell Kosten für die Installation. Wer sich als Mieter der Häfler SWG für ein Balkonkraftwerk entscheidet, zahlt laut Schipek 7,50 Euro im Monat dafür. Zusammen mit der Montage und einem Elektro–Check habe die SWG pro Anlage Kosten in Höhe von etwa 1500 Euro, erklärt Schipek. Er geht davon aus, das die Anlagen zehn bis 15 Jahre halten. Der Wasserburger Gamisch hat sein kleines Kraftwerke seit vier Jahren und nach eigener Aussage bislang keinerlei Probleme damit.
Welche Leistung haben die Anlagen?
Derzeit dürfen Balkonkraftwerke maximal 600 Watt einspeisen. Mit dem Solarpakt 1 erhöht sich das ab Januar 2024 auf 800 Watt. Auf diese mögliche Änderung wäre die SWG vorbereitet. „Wir montieren Balkonkraftwerke die mehr Leistung haben, aber auf 600 Watt reguliert sind“, sagt Schipek.
Grafik 2: Rechnet man die Anzahl der Balkonkraftwerke hoch auf 1000 Einwohner, so liegt nicht mehr Friedrichshafen, sondern Wasserburg an erster Stelle. Über die Gründe für diese Verteilung lässt sich allerdings nur spekulieren. Immenstaad, das hier ganz am Ende steht, könnte beispielsweise trotzdem einen hohen Anteil an PV-Anlagen, aber eben wenig Balkonkraftwerke haben. Grafik: Anke Kumbier
Konkrete Beispiele: Wie viel Geld sparen die Anlagen in Friedrichshafen und Wasserburg ein?
Die Anlage an der SWG–Mietwohnung besteht aus zwei Solarpaneelen mit je 420 Watt. Die SWG geht davon aus, dass die Anlage im Idealfall 500 bis 600 Kilowattstunden pro Jahr liefert und der Mieter damit etwa 15 Euro Stromkosten im Monat sparen könnte.
Gamisch rechnet etwas konservativer. Auch er geht von 600 Kilowattstunden im Jahr aus. Er weist aber darauf hin, dass der Sonnenstrom direkt dann verbraucht werden muss, wenn er produziert wird. Zwar gibt es Speichermöglichkeiten, die seien aber bislang noch sehr teuer. Der Wasserburger kommt daher auf 120 Euro eingesparte Stromkosten im Jahr, also zehn Euro im Monat. Je nach Höhe des Kaufpreises amortisiere sich eine Mini–Solaranlage nach dreieinhalb bis vier Jahren.
Fördermöglichkeiten für Balkonkraftwerk
Die Stadt Friedrichshafen fördert im Programm „Klimaschutz bei Wohngebäuden, Elektromobilität und Einbruchschutz“ Balkonkraftwerke mit 300 Euro ab einer Leistung von 300 Watt. Die Voraussetzungen dafür: Hauseigentümer von Wohngebäuden oder Mieter in Friedrichshafen zu sein.
Bis Ende Juli hat die Stadt 2023 bereits 271 Förderzusagen für Balkonkraftwerke gemacht, teilt Stadtsprecherin Andrea Kreuzer mit. Aus Lindau und Tettnang sind keine Förderprogramme bekannt.
Balkonkraftwerk — und jetzt?
Für Jürgen Schipek sind die kleinen Anlagen nur ein Baustein auf dem Weg zu einem klimafreundlicheren Wohnen. Ebenso gehöre dazu, Energie zu sparen. „Es bringt wenig, wenn man eine tolle Mikro–PV–Anlage, aber einen 15 Jahre alten Kühlschrank hat“, meint der SWG–Geschäftsführer und rät zu einem kostenlose Energie–Check bei der Verbraucherzentrale. „Man glaubt gar nicht, wo man alles Energie liegen lässt.“
Auch Gamisch, der nicht nur ein Balkonkraftwerk, sondern auch PV–Anlagen betreibt, setzt aufs Energiesparen. Er geht davon aus, dass eine Solaranlage, egal ob groß oder klein, das Bewusstsein für den eigenen Verbrauch steigert und damit auch zum Energiesparen führt.
Anmerkung: Der Abschnitt über den Zählertausch wurde korrigiert,
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