StartseiteRatgeberBauen & WohnenHausbauBaukrise: Vorschriften von Menschen, die vom Bauen nichts verstehen

Neubau

Baukrise: Vorschriften von Menschen, die vom Bauen nichts verstehen

Ratgeber / Lesedauer: 4 min

Irrsinnige bürokratische Vorgaben und steigende Kosten sind zwei Gründe für die Krise im Baugewerbe. Im Interview mit einem Experten beleuchten wir die Herausforderungen und Lösungsansätze der Branche für bezahlbaren Wohnraum.
Veröffentlicht:08.09.2023, 15:57
Aktualisiert:16.11.2023, 21:14

Von:
  • BAUEN & WOHNEN
Artikel teilen:

Die Baubranche in Deutschland sieht sich derzeit mit erheblichen Herausforderungen konfrontiert, und eine der zentralen Fragen, die diskutiert wird, betrifft die hohen Baukosten im Land. Im Gespräch mit Horst Riess, Geschäftsführer der Tuttlinger Wohnbau, haben wir die Gründe für diese Entwicklung und mögliche Lösungsansätze erörtert. Das ganze Interview finden Sie im Video auf dieser Seite.

Unnötige Vorschriften belasten Bauwirtschaft

Die Politik spielt eine entscheidende Rolle bei der Gestaltung der Rahmenbedingungen für die Bauindustrie in Deutschland. Horst Riess betont, dass überbordende Vorschriften und unnötige Regulierungen die Baukosten erheblich erhöhen. Er führt aus, dass Deutschland im internationalen Vergleich eine Vielzahl von Vorschriften und Regelungen für den Bau hat, die Bauprojekte unnötig verkomplizieren. "Vorschriften von Menschen, die vom Bauen nichts verstehen", das kann laut Riess auf Dauer nicht zu guten Lösungen führen.

An einem Beispiel zeigt der Chef der Tuttlinger Wohnbau auf, welche "bizarren" Formen die Vorgaben inzwischen haben. "Wir haben bei einem Projekt in Tuttlingen 100 Wohnungen gebaut. Die Wiese, auf der wir bauen wollten, war die letzten Jahre bis auf ein paar Schafe unberührt. Bevor wir bauen konnten, musste ein ornithologisches Gutachten her, in dem ein Jahr lang Vögel und deren Verhalten beobachtet wurden." Kostenpunkt für das Gutachten - rund 50.000 Euro. Solche Maßnahmen seien nicht nur kostspielig, sondern auch ineffizient und  würden den Bauprozess erheblich verzögern.

Zu viel Bürokratie in den Ministerien und Behörden

Die Bürokratie sei ein weiterer bedeutender Faktor, der die Baukosten in die Höhe treibt. „Wir haben natürlich viele Vorschriften, die die Menschheit nicht braucht", kommentiert Horst Riess das oft zu langsame und behäbige Vorgehen und die immer neuen Regeln.

Horst Ries betont die Dringlichkeit der Reduzierung von Bürokratie und ineffizienten Prozessen, um die Baukosten in Deutschland zu senken. Er fordert Politik, Bauunternehmen und die Gesellschaft insgesamt auf, gemeinsam an Lösungen zu arbeiten. Riess glaubt, dass es an der Zeit ist, großzügiger zu werden, schneller zu handeln und unnötige Vorschriften zu überdenken.

Lösungen für bezahlbares Wohnen

Die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum ist ein zentrales Anliegen, aber politische Maßnahmen können die Lage verschärfen oder verbessern. „Die Politik spielt in diesem Zusammenhang eine entscheidende Rolle. Es ist wichtig, die Balance zwischen Umweltschutz und sozialer Ausgewogenheit zu finden", so Horst Riess.

In Deutschland würde nach Meinung des Experten oft zu gut gebaut. "Wir müssen gut und nachhaltig bauen und dabei auch mal Dinge weglassen, die keinen Nutzen bringen, sondern nur Geld kosten." Dies gelte auch für das energieeffiziente Bauen. Anstatt immer noch besser als KfW 40 zu bauen, sollte man lieber die bestehenden Gebäude energetisch sanieren.

Horst Ries schlägt vor, dass die eingesparten Mittel aus diesen Maßnahmen sinnvoll in die Sanierung älterer Gebäude investiert werden sollten. Dies könnte nicht nur den energetischen Zustand dieser Gebäude verbessern, sondern auch die Lebensqualität für die Bewohner steigern.

Neue und planbare Förderungen müssen her

Ausschlaggebend für die Wiederbelebung am Bau und die Entstehung von bezahlbarem Wohnraum seien auch klare und verlässliche Förderprogramme. In diesem Zusammenhang spricht Horst Riess auch das Hin-und-Her bei den Förderungen an. "Den Eiertanz, den Wirtschaftsminister Habeck da vollführt hat, das ist natürlich nicht nachvollziehbar. Rein in die Förderung, raus aus der Förderung. Und, nach einer Woche ist das Geld wieder weg, weil man falsch kalkuliert hat." Er hoffe, dass die Bundesregierung gemeinsam mit den Ländern bald Lösungen und Förderinstrumente vorlegt, die sinnvoll, zielführend und verlässlich sind.

Die Rolle der Digitalisierung

Ein weiterer wichtiger Aspekt, den Horst Riess anspricht, ist die Notwendigkeit der Digitalisierung in der Bauindustrie. Er betont, dass die Einführung von digitalen Technologien wie Building Information Modeling (BIM) unaufhaltsam ist und dass alle Beteiligten in der Bauwirtschaft damit Schritt halten müssen. Die Digitalisierung hat das Potenzial, den gesamten Bauprozess zu optimieren und die Effizienz zu steigern. Von der Planung über die Ausführung bis zur Instandhaltung können digitale Werkzeuge die Genauigkeit erhöhen und Fehler reduzieren.