Wirtschaft

Wie die Lokführergewerkschaft den nächsten Coup plant

Berlin / Lesedauer: 3 min

Die GDL gründet eine Genossenschaft, die der Bahn Personal abwerben und an die Konkurrenz verleihen soll. Kann das funktionieren?
Veröffentlicht:10.07.2023, 05:00

Von:
  • Wolfgang Mulke
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Für deftige Worte in Richtung des Managements der Deutschen Bahn (DB) ist der Chef der Lokführergewerkschaft GDL selten verlegen. „Wir sagen dem DB–Konzern den Kampf an“, kündigte er bei der Vorstellung der Tarifforderungen seiner Gewerkschaft kürzlich an. Mit Verweis auf hohe Boni für die Führungskräfte des Staatskonzern will Weselsky nun auch für eine Erfolgsbeteiligung einiger Lokführer sorgen. Dafür haben sich die Gewerkschafter ein neues Modell ausgedacht — eine Genossenschaft, die Lokführer an private Bahnunternehmen verleiht und die Gewinne aus diesem Geschäft an die Genossenschaftsmitglieder verteilt.

„Fair Train“ wurde die Genossenschaft getauft. Organisatorisch ist sie streng von der GDL getrennt. Sonst nähme die Gewerkschaft auch eine Doppelrolle als Arbeitgeber und Arbeitnehmervertreter ein. Damit würde sie ihre Tariffähigkeit verlieren. Also managt ein externer Vorstand die Geschäfte der Zeitarbeitsfirma. „Die GDL ist an der Genossenschaft nicht beteiligt“, versichert Weselsky, „sie hat sie lediglich gegründet.“ Und auch Fair–Train–Vorstand Peter Bosse betont die Unabhängigkeit: „Ich bin nicht weisungsgebunden.“

Aktuell fehlen 1000 Lokführer

Die Idee ist schnell erklärt. GDL–Mitglieder können zum Stückpreis von 500 Euro maximal vier Genossenschaftsanteile erwerben und sich von Fair Train anstellen lassen. Das Angebot zielt in Richtung der Lokführer der Deutschen Bahn. Anderen Unternehmen will die Genossenschaft kein Fachpersonal abwerben. Die übernommenen Zugführer sollen dann an DB–Konkurrenten ausgeliehen werden. „Der Gewinn landet nicht in den Taschen des Bahnvorstands, sondern bei den Mitgliedern der Genossenschaft“, verspricht Weselsky. Der Prüfverband der kleinen und mittelständischen Genossenschaften (PkmG) hält das Geschäftsmodell in einem Gutachten für so solide, dass „eine Gefährdung der Belange der Mitglieder oder der Gläubiger nicht zu erwarten ist“.

Konkret soll es so funktionieren: Fair Train verleiht Lokführer für 80 Euro pro Stunde an private Bahnen. „Der Markt ist da“, sagt Bosse, „aktuell fehlen 1000 Lokführer.“ Vorgespräche über eine Kooperation mit Bahnunternehmen liefen bereits. Tatsächlich suchen alle Bahnen händeringend nach Fachpersonal für die Triebwagen. 22.000 Lokführer arbeiten allein bei der Deutschen Bahn. Die Hälfte davon geht laut GDL in den nächsten Jahren in den Ruhestand.

Genossenschaft verspricht bessere Arbeitsbedingungen

Wenn sich dann noch ein Teil des aktiven Personals von Fair Train abwerben lässt, kann die Genossenschaft der DB einigen Sand ins Getriebe streuen. Laut Gutachten rechnet Fair Train mit zunächst 400 Lokführern für den Verleih. Bosse zufolge haben in den ersten beiden Wochen nach Bekanntgabe der Gründung 250 GDL–Mitglieder Anteile gezeichnet. Jeder fünfte davon würde sich auch von Fair Train beschäftigen lassen, sagt er.

Locken sollen gute Konditionen, etwa beim Entgelt, der Gewinnbeteiligung oder auch den Schichtplänen. „Die Arbeitsbedingungen werden auf jeden Fall besser sein als am Markt und bei der DB“, versichert der Vorstand.

Zunächst Schweigen im Gewerkschaftslager

Ob die Rechnung aufgeht, muss sich noch zeigen. Denn bis zum Start des Verleihgeschäfts sind noch einige wichtige Hürden zu nehmen. Fair Train braucht noch die Genehmigung zur Überlassung von Arbeitskräften. Vor allem aber muss die Genossenschaft mit der GDL einen Tarifvertrag für das Zeitarbeitspersonal aushandeln. „Die Tarifverhandlungen werden kein Selbstläufer sein“, schätzt Bosse. Denn am Ende des Tages müsse auch Fair Train schwarze Zahlen schreiben. Auch Weselsky dämpfte kürzlich schon allzu große Hoffnungen. Ein Schlaraffenland werde auch die Genossenschaft nicht.

Im deutschen Gewerkschaftslager herrscht bei der Frage nach dem an sich verpönten Zeitarbeitsmodell der GDL ein großes Schweigen. Der DGB verweist bei der Frage nach einer Bewertung auf die konkurrierende Eisenbahn– und Verkehrsgewerkschaft (EVG), die sich wiederum nicht dazu äußert. Auch die Deutsche Bahn will dazu nichts sagen und begründet dies mit dem laufenden Tarifkonflikt mit der EVG, der noch immer nicht gelöst ist.