Energiekrise
Trotz Energiekrise: Einzelhandel hält an Weihnachtsbeleuchtung fest
Ravensburg / Lesedauer: 4 min

Die baden-württemergischen Einzelhändler reagieren mit kürzeren Öffnungszeiten und eingeschränkter Schaufensterbeleuchtung auf die Krise. Die explodierenden Energiepreise und die Kaufzurückhaltung der Verbraucher sind für die Händler eine existenzbedrohliche Mischung. Einige denken konkret über Standortschließungen nach, wie der Überlinger Naturkostanbieter Naturata.
Den Verzicht auf stimmungsvolle Beleuchtung in der Weihnachtszeit, wie es die Deutsche Umwelthilfe fordert, lehnen die Händler jedoch ab. „Weihnachten ist eine hochemotionale Zeit“, sagte Hermann Hutter , Präsident des Handelsverbands in Baden-Württemberg bei der Vorstellung des aktuellen Lageberichts.
Licht sendet positive Signale aus.
Darauf wolle man nicht ganz verzichten. Andererseits könnte es bei manchen Kunden schlecht ankommen, wenn die Geschäfte hell erleuchtet sind. „Wir wünschen uns einen Mittelweg“, so Hutter.
Auch Christian Klemp, Chef des Modehauses Zinser, das unter anderem in Singen und Villingen-Schwenningen Standorte hat, hält einen Verzicht für falsch. Weihnachtsbeleuchtung sorge für Atmosphäre und für eine gute Stimmung.
Einzelhandel sieht sich im „Dauerkrisenmodus“
Josef Röll, Handelsexperte der IHK Ulm , zu der auch die Region Biberach gehört, sagte auf Anfrage der „Schwäbischen Zeitung“: Das gesamte Beleuchtungskonzept im Einzelhandel komme auf den Prüfstand. „Die Zeiten zu denen viele Schaufenster bis spät in die Nacht beleuchtet waren sind vorbei.“ Am Ende werde man sich Gedanken machen, wie man mit weniger Licht weihnachtliche Stimmung erzeugen könne. Das könne auch positiv sein.
Nicht nur für die Kunden, auch für den Einzelhandel selbst ist Weihnachten ein Hoffnungsschimmer. „Wir hoffen, das sich die Menschen zum Fest doch das eine oder andere gönnen“, sagte Hutter. Momentan ist die Kauflaune allerdings im Keller. Das Konsumbarometer, mit dem der Verband die Kaufbereitschaft misst, ist auf ein historisches Tief gefallen. „Schlimmer als im tiefsten Lockdown“, so Hutter.
Der Einzelhandel sieht sich nach überstandener Corona-Pandemie deshalb im „Dauerkrisenmodus“. Viele Händler hätten ihre Eigenkapitalreserven bereits abgeschmolzen oder aufgezehrt. Einer Umfrage des Verbands zufolge hat jeder fünfte Unternehmer nur noch Reserven für die kommenden zwölf Monate – wenn sich nichts ändere.
Strompreise verdreifachen sich zum Teil
„Die Kerze brennt von beiden Seiten“, sagte Alexander Seppel, Geschäftsführer des Schuhhauses Gero Mure mit Läden in Mannheim, Baden-Baden und Heidelberg. Auf der einen Seite drücken die hohen Energiekosten die Margen, auf der anderen Seite fehlen die Umsätze, weil sich die Kunden infolge der Inflation zurückhalten.
Die Inflation lässt auch die im Einzelhandel verbreiteten Indexmieten für die Filialen kräftig ansteigen. Deshalb denken Händler daran, Fläche einzusparen: „Alle Standorte werden geprüft“, so Seppel.
Konkret sind solche Überlegungen bei dem regionalen Biohandelshaus Naturata in Überlingen. Zum Unternehmen gehören sechs Bioläden im Bodenseegebiet, ein Restaurant und eine Übernachtungsherberge. Zwei bis drei der sechs Läden im Bodenseegebiet stehen laut Geschäftsführer Thilo Kauf auf dem Prüfstand. Auch Personalabbau sei aktuell ein Thema. Der Strompreis werde sich zum 1. Januar von 22 Cent pro Kilowattstunde auf 62 Cent fast verdreifachen. Damit würden die Filialen Monat für Monat mehrere Tausend Euro Verlust machen.
Wir haben ein Fünftel unserer Kunden verloren.
Gleichzeitig kämpft der Betrieb wie andere Anbieter von Biolebensmitteln auch mit Umsatzrückgängen. Waren in der Pandemie die Kunden bereit, mehr Geld für hochwertige und regionale Lebensmittel auszugeben, hat sich das mittlerweile umgedreht. Die dauerhaft hohe Inflation treibt die Verbraucher zu den Discountern. „Wir haben ein Fünftel unserer Kunden verloren“, sagte Kauf. „Wenn man im Jahr 100 000 Euro mitbringen muss, um einen Bioladen zu betreiben, dann macht es keinen Sinn“, so der Geschäftsführer. Schließungen wären für die Nahversorgung ein Einschnitt.
Handelsverband mit langem Forderungskatalog
Veränderungen im Kaufverhalten sehen die Händler nicht nur bei den Lebensmitteln. Auch der Modehandel leidet unter der Zurückhaltung der Verbraucher. Der Verband rechnet mit Schließungen, falls sich an der Situation nichts ändert.
Schon jetzt würden etwa Lebensmittelhändler ihre Öffnungszeiten einschränken und an einzelnen Nachmittagen schließen, sagte Hauptgeschäftsführerin Sabine Hagmann. Auch Modegeschäfte öffnen vereinzelt später oder schließen früher. Hutter sieht die Gefahr einer Abwärtsspirale, weil der Handel damit Kunden an das Internet verlieren könnte. Das größte Problem ist aus Sicht der Einzelhändler die große Unsicherheit. „Niemand weiß, wie hoch die Preise noch gehen“, sagte Schuhhändler Alexander Seppel.
Der Verband fordert deshalb von der Politik, den Strompreis zeitlich befristet zu deckeln und diesen außerdem vom Gaspreis zu entkoppeln. Zudem müssten alle Möglichkeiten zur Ausweitung des Energieangebots ausgeschöpft werden. „Hierzu gehört die Stromerzeugung über Kohle und Kernenergie ebenso wie der beschleunigte Ausbau der erneuerbaren Energien“, so der Handelsverband.
Außerdem müsse die Gasumlage gestoppt und der Emissionshandel ausgesetzt werden. Es brauche „kurzfristig wirksame Wirtschaftshilfen“, andernfalls könnte es tatsächlich bald dunkel werden in den Innenstädten.