Zermahlener Buffalowurm im Frühstückswecken? Aufregung um Insekten
Region / Lesedauer: 5 min

„Wir sagen Nein, Danke! Kein Insektenmehl bei uns.“ So steht es auf der Facebook-Seite der Bäckerei Backhaus Mahl, die rund 40 Filialen unter anderem auch in Bad Waldsee, Sigmaringen und Balingen betreibt.
Das Backhaus ist nicht die einzige Bäckerei, die jetzt Stellung bezieht. Viele Bäcker posten in den sozialen Netzwerken in gelber Signalfarbe: „In unserer Bäckerei werden keine Insekten verbacken!“ Zu sehen ist eine durchgestrichene Heuschrecke.
Hintergrund ist eine neue EU-Verordnung über die Zulassung von Insekten in Lebensmitteln. Seit Januar dürfen damit auch in Deutschland weitere Krabbeltiere in Nahrungsmitteln verarbeitet werden.
Zugelassen sind neuerdings das „teilweise entfettete Pulver aus der Hausgrille“ und die Larven des Getreideschimmelkäfers, auch bekannt als Buffalowurm. Obwohl mit dem Buffalowurm bereits das vierte Insekt in der EU das Zulassungsverfahren durchlaufen hat und getrocknet, pulverisiert oder gefroren angeboten werden darf, ist die Aufregung groß.
Kunden befürchten, Insektenpulver wird heimlich untergemischt
Der Getreideschimmelkäfer kann etwa in Nudeln, Snacks, Suppen, Müslis oder eben auch in Brot und Brötchen als Zutat verwendet werden. Das wühlt die Verbraucher auf. Über die sozialen Medien hat sich die Nachricht in den vergangenen Tagen rasend schnell mit hohem Aufregerpotenzial verbreitet.
Die Rede ist von „heimlicher Beimischung“ oder „unterjubeln“ von Insektenmehl in Backwaren. Der Verband Deutsche Innungsbäcker, der rund 6000 Betriebe vertritt, wurde regelrecht überrollt. „Die Kunden rennen uns die Bude ein – so hören wir von unseren Mitgliedern“, sagt eine Sprecherin auf Anfrage.
Martin Beyer, Bäcker aus ReutlingenKlipp und klar: Das kommt mir nicht in die Tüte!
Deshalb hat die Innung ein Hinweisschild entwickelt und den Bäckern zur Verfügung gestellt. „Sie können es im Internet verbreiten oder in ihrer Filiale aufstellen.“

Bäcker achten penibel auf Sauberkeit
„Um unseren Kunden die Verunsicherung zu nehmen, haben wir hierzu Stellung genommen“, erklärt Yvonne Mahl-Sprenzinger vom Backhaus Mahl schriftlich dazu. Deutliche Worte findet Martin Bayer, der in Reutlingen einen Familienbetrieb mit Hauptgeschäft und einer Filiale leitet. „Klipp und klar: Das kommt mir nicht in die Tüte“, sagt der Bäcker.
Seit Jahrzehnten strebten Bäcker danach, Ungeziefer aus ihrem Mehl fernzuhalten, „jetzt soll das plötzlich der heilige Gral sein“, sagt Bayer im Gespräch mit der „Schwäbischen Zeitung“. Man stelle sich vor, die Lebensmittelkontrolle komme vorbei und es würden Käfer in der Backstube rumkrabbeln.
„Und ich sage dann, das sind meine Zutaten?“, so wettert der Bäcker, der das Geschäft in der dritten Generation führt. Außerdem sei er skeptisch, was die Verträglichkeit von Insekten angehe und deren Nährwert. Seine Kunden könnten sich ganz sicher sein, dass er keinesfalls Mehl aus Käfern oder Heuschrecken verwenden würde.
„Wer bei seinem regionalen Bäcker einkauft, muss keine Angst vor Insektenmehl haben“, versichert Hans-Günther Mack, Inhaber der Handwerksbäckerei Mack in Westhausen bei Aalen.
Er informiert ebenfalls mit einer Art Hinweisschild im Internet: „Wir verwenden in unseren Produkten kein Insektenmehl und werden dies auch nicht tun“, ist auf Facebook zu lesen: „Wir halten an unseren Werten fest und verzichten auf Insektenmehl!“
Auf die „Werte“ angesprochen erklärt der Bäckermeister und Brotsommelier: „Ein Brot besteht aus Mehl, Wasser, Salz und Hefe. Alles andere hat darin nichts zu suchen.“
Nur traditionelle Zutaten
Die über 40 Mack-Filialen finden sich im Ostalbkreis und in angrenzenden Regionen. Gebacken werde, wie Mack gegenüber der „Schwäbischen Zeitung“ betont, nach „alter Handwerkstradition“. Das bedeute:
Hans-Günther MackIns Brot gehört nur, was auf dem Feld wächst, und nicht, was dort krabbelt, läuft oder fliegt.
Dasselbe, nur mit anderen Worten, sagt die Sprecherin der Bäcker-Innung: „In den Leitlinien für Brot und Kleingebäck ist genau aufgelistet, was und in welcher Menge hinein darf. Insekten sind bisher nicht vorgesehen.“
Sabine Holzäpfel, Verbraucherzentrale Baden-WürttembergDie neue Verordnung hat nicht das Ziel, Insektenmehl irgendwo heimlich beizumischen.
Sabine Holzäpfel, Ernährungsexpertin bei der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg, will Vermutungen, hier solle den Verbrauchern etwas untergejubelt werden, entkräften: „Die neue Verordnung hat nicht das Ziel, Insektenmehl irgendwo heimlich beizumischen.“
Bei ihr komme dieser Tage eine Flut von Fragen an. „Die Menschen schicken uns zu diesem Thema Mails oder reagieren auf Instagram.“ Sie seien grundlos verunsichert. Denn Insekten in Lebensmitteln seien nichts Neues.
Seit 2021 seien Mehlwürmer und Heuschrecken zugelassen, 2022 folgten Grillen, seit Januar dürften nun auch der Buffalowurm und das teilentfettete Pulver von der Grille verwendet werden.
Insektenmehl ist um ein Vielfaches teurer
Das einzig Neue sei die ganze Aufregung. Beschreibungen wie „beimischen“ und „untermengen“ würden so interpretiert, dass es auf den Produkten nicht klar bezeichnet wird, ob Würmer oder Grillen enthalten sind.
Genau das sei aber Zweck der Verordnung: „Darin wird vorgeschrieben, dass Insektenteile auf der Zutatenliste erscheinen müssen, auch mit der deutschen Bezeichnung und genauer Mengenangabe.“ Sie sehe sich als Verbraucherschützerin angesichts der im Internet „kursierenden Gerüchte“ in einer ungewohnten Rolle.
Hier gehe es nicht vorrangig darum, die Verbraucher zu warnen, sondern sie zu beruhigen. „Wir werden ganz bestimmt nicht von Insektenprodukten überschwemmt werden“, sagt sie, dafür seien diese viel zu teuer.
Den Kostenaspekt sieht auch die Bäcker-Innung. Abgesehen von der mangelnden Akzeptanz der Kunden seien Insektenprodukte zu teuer. Das ergänzt auch Yvonne Mahl-Sprenzinger vom Backhaus Mahl. Insektenmehl sei um eine Vielfaches teurer als Getreidemehl. Das sei für sie jedoch nicht ausschlaggebend: „Es kommt nicht in Frage, weil wir unsere traditionellen, handwerklichen Rezepte nach wie vor verwenden.“
Die ganze Diskussion sei „politisch“, sagt Lara Schuhwerk, Gründerin von Beneto Foods in Albstadt, das auf Insekten-Produkte spezialisiert ist. Dazu wolle sie sich nicht äußern. Eine Brotbackmischung mit Grillenmehl ist dort jedoch zu haben.