Biopharma-Unternehmen auf Wachstumskurs
So will Rentschler weiter in einem rasanten Markt erfolgreich sein
Laupheim / Lesedauer: 6 min

Thomas Hagenbucher
Rentschler Biopharma erledigt die Arbeit für andere — und das seit vielen Jahrzehnten und mit großem Erfolg. Das Laupheimer Familienunternehmen, das bereits seit mehr als 150 Jahren besteht, hat sich einen Namen gemacht in der Biopharma–Branche und bleibt konsequent auf Wachstumskurs.
Rentschler–Manager Federico PollanoIn unserem speziellen Segment der hochkomplexen Moleküle sind wir weltweit in den Top fünf.
Das Erfolgsgeheimnis von Rentschler: Es gibt kaum ein besseres Unternehmen, das gemeinsam mit seinen Kunden Biowirkstoffe — zumeist Moleküle aus Eiweiß oder auch Nukleinsäuren — zur Marktreife entwickelt und sie schließlich im großen Stil für diese produziert. Die hochkomplexen und absolut reinen Wirkstoffe werden zu Medikamenten verarbeitet, die zur Bekämpfung schwerer Krankheiten wie etwa Krebs eingesetzt werden können.
„Weltweit in den Top fünf“
Bei diesen Prozessen kommt es vor allem auf biotechnologisches Fachwissen, absolute Hygiene sowie auf jede Menge Erfahrung an. Über all das verfügt Rentschler in großem Maße. „In unserem speziellen Segment der hochkomplexen Moleküle sind wir weltweit in den Top fünf“, berichtet Rentschler–Manager Federico Pollano im Gespräch mit der „Schwäbischen Zeitung“.
Entsprechend soll der Umsatz des Biopharma–Auftragsfertigers von aktuell mehr als 300 Millionen Euro in den kommenden Jahren weiter „über dem Markt“ wachsen, wie Christiane Bardroff versichert, als Chief Operating Officer verantwortlich für das operative Geschäft bei Rentschler.
Rentschler–Manager Federico PollanoDer Markt ist sehr attraktiv und wächst auch in Zukunft weiter
Das ist ein durchaus ambitioniertes Ziel, denn kaum ein Markt entwickelt sich so rasant und dynamisch wie der für Biopharma–Produkte. Allein in Deutschland hat sich der Umsatz in den vergangenen zehn Jahren von sechs Milliarden Euro auf 17,8 Milliarden Euro fast verdreifacht — Tendenz weiter steigend. Die Zahl der Mitarbeiter ist im gleichen Zeitraum von 28.400 auf rund 50.000 gewachsen.
Und die Zahl der Biopharmazeutika (inklusive biotechnologisch hergestellter Impfstoffe) wuchs in nur zehn Jahren von 200 auf fast 400. „Der Markt ist sehr attraktiv und wächst auch in Zukunft weiter“, berichtet Pollano, bei Rentschler für die Geschäftsentwicklung und den Kundenservice verantwortlich.
Zwei Milliarden Dosen Corona–Impfstoff mitproduziert
Auch bei Rentschler selbst gestalten sich die Zahlen durchaus beeindruckend: Das Laupheimer Unternehmen, das unter anderem sehr eng mit dem Ravensburger Pharmadienstleister Vetter zusammenarbeitet, hat seinen Umsatz in nur sechs Jahren auf 360 Millionen Euro (2021/2022) nahezu verdreifacht. Für das laufende Geschäftsjahr rechnen die Rentschler–Verantwortlichen mit einem Umsatz von zirka 320 Millionen Euro.
Dass es einen Umsatzrückgang im Vergleich zum Vorjahr gibt, hängt allerdings nicht mit einem schwachen Geschäft zusammen, sondern mit einer extremen Sonderkonjunktur im Vorjahr durch den Corona–Impfstoff von Biontech. Denn hier hat Rentschler einen wichtigen Produktionsschritt bei der Fertigung von zwei Milliarden Dosen geleistet — zusätzlich zu dem üblichen Geschäft. Insofern lässt sich im laufenden Geschäftsjahr eher von einer Rückkehr zu normalem Wachstum sprechen.
Die Zahl der Vollzeitstellen bei Rentschler hat sich seit 2016 von 520 auf inzwischen über 1200 mehr als verdoppelt. Etwa 1000 davon arbeiten direkt in Laupheim, 200 am US–Standort Milford nahe Boston und 30 im englischen Stevenage.
Vor allem in England und den USA will Rentschler weiter wachsen, so wird der US–Standort für insgesamt 200 Millionen US–Dollar gerade erweitert — und wird Rentschlers Gesamtkapazität bis Ende 2024 verdoppeln. Auch die Entwicklung von Produktionsprozessen soll dort vermehrt stattfinden.
„Laupheim ist das Herz der Firma — und wird es auch bleiben“
„Laupheim ist das Herz der Firma — und wird es auch bleiben“, sagt Bardroff sogleich. Doch der Markt sei ein globaler, weshalb insbesondere der Standort Milford immer mehr an Bedeutung gewinne. Die USA sind der mit Abstand wichtigste Pharmamarkt der Welt. Schon heute kommt die Hälfte der Kunden von Rentschler aus den USA, etwa 40 Prozent sind in Europa und zehn Prozent in Japan beheimatet.
China, das im Moment noch eine eher geringe Rolle spielt, werde in Zukunft an Bedeutung gewinnen. „Dort tut sich immer mehr — gerade im Bereich Forschung und Entwicklung“, berichtet Pollano. Aber auch in Oberschwaben wird Rentschler weiter wachsen.
Rentschler–Manager Federico PollanoDie Rahmenbedingungen sind in anderen Ländern deutlich besser.
Den Standort Deutschland schätzen die beiden Manager immer noch positiv ein. „Es gibt hier unglaublich viele kluge Köpfe“, sagt Vorständin Bardroff — insbesondere in Oberschwaben, wo sich nicht umsonst ein Biopharma–Cluster etabliert hat (unter anderem mit Boehringer Ingelheim in Biberach, Teva in Ulm und Vetter in Ravensburg). Aber mittlerweile bestehen auch handfeste Nachteile in „Good Old Germany“, die den jahrzehntelangen Erfolg der Pharmabranche hierzulande gefährden könnten.
Neben den sehr hohen Kosten in Deutschland — vor allem für Energie und Grundstoffe — stört sich die studierte Biotechnologin und Chemietechnikerin an den viele Regularien, die die Forschung und Entwicklung hemmten. Genau deshalb werde das wichtige neue Feld „Cell and Gene Therapy“ nicht in Laupheim, sondern in England aufgebaut — und dies trotz der vielen Nachteile, die der Brexit mit sich bringe.
Fachkräftemangel ist Herausforderung
Von der deutschen Politik fordert Bardroff eine massive Deregulierung und auch mehr Unterstützung. „Sonst ist das ein ganz klares Signal: Forscht und entwickelt woanders“, sagt sie unumwunden. „Die Rahmenbedingungen sind in anderen Ländern deutlich besser“, ergänzt Pollano, der hier die USA, Großbritannien und auch Asien als Beispiele nennt. Hierzulande herrsche gerade in der Forschung und Entwicklung viel zu viel „Angst und Vorsicht“. Das müsse sich schleunigst ändern.
Trotzdem wird auch in Laupheim das Wachstum weitergehen, sind sich die beiden Rentschler–Manager sicher: Eine Herausforderung am Stammsitz, wo inzwischen Menschen aus 25 Nationen arbeiten, stellt jedoch der Fachkräftemangel dar, den praktisch alle Unternehmen in Deutschland spüren.
Bäcker, Metzger und auch Bierbrauer in der Produktion
Da Biopharma–Experten nicht gerade vom Himmel fallen, gilt es für Rentschler, aktiv zu werden. So stecke man viel Engagement in das Anwerben von Mitarbeitern sowie in die Aus– und Weiterbildung der Beschäftigten an den Standorten. Auch ganz kreative Ansätze bringen den Biopharma–Dienstleister voran.
So sind in der Produktion längst jede Menge Quereinsteiger als Bio–Facharbeiter aktiv — insbesondere Bäcker, Metzger und auch Bierbrauer, die alle als „fachnah“ bezeichnet werden können. „Denn diese kennen sich ausgesprochen gut mit einer hygienischen Produktion aus — genau das, was wir bei uns brauchen“, sagt Bardroff.
Rentschler Biopharma sieht sich trotz aller Herausforderungen gut aufgestellt und blickt optimistisch in die Zukunft — sei es in Übersee, auf der Insel oder im Herzen der Firma in Laupheim.
Dort werkelt man akribisch und in aller Ruhe weiter an den so wichtigen und häufig lebensrettenden Molekülen — auch wenn auf den vielen Wirkstoffen, in denen Rentschler drin ist, praktisch nie Rentschler draufsteht. Aber das stört in Laupheim niemanden, wo man weiter die Arbeit für andere erledigt — wie schon seit Jahrzehnten.