Werbeverbot
Neues Werbeverbot für Tabak soll kommen
Berlin / Lesedauer: 4 min

Neuer Anlauf für ein Verbot von Tabakwerbung: Politiker von Grünen, Union und SPD wollen Filmspots und Plakate für konventionelle und E-Zigaretten verbannen. Eine Anhörung zu einem neuen Gesetzentwurf im Bundestag steht bevor.
Der moderne Mann in der Kino-werbung freut sich, er könne jetzt rauchen, ohne dass sein Geruch die Freundin störe. Und „wahrscheinlich“ reduziere die neue Art des Tabakkonsums die inhalierten Schadstoffe um „90 Prozent“, erklärt der Sprecher im Werbespot. Solche Streifen laufen, bevor der Film beginnt, derzeit in vielen Kinosälen. Der Konzern Philip Morris bewirbt damit seine Elektro-Zigaretten.
Dass das Unternehmen möglicherweise noch länger so weitermachen darf, hat es unter anderem Volker Kauder , dem Chef der Unionsfraktion im Bundestag zu verdanken. Der blockierte in der vergangenen Legislaturperiode einen Gesetzentwurf zum weitgehenden Verbot der Tabakwerbung, den das Bundeskabinett bereits beschlossen hatte. Viele Abgeordnete auch der Regierungsfraktionen wollen sich damit jedoch nicht zufriedengeben. Deswegen unternehmen sie jetzt einen neuen Anlauf, um Filmspots und Plakate für konventionelle und E-Zigaretten zu untersagen.
Schon heute ist Werbung für Zigaretten und andere Tabakprodukte in der Bundesrepublik eingeschränkt. In Fernseh- und Radioprogrammen darf sie nicht mehr auftauchen, ebensowenig in Publikumszeitschriften und Zeitungen. Um Kinder und Jugendliche zu schützen, wird sie in Kinos erst nach 18 Uhr gezeigt. Andere EU-Länder sind jedoch viel strenger.
Neue Brisanz gewinnt die Debatte nun hierzulande, weil der Markt für innovative Rauchwaren wächst. Zahlreiche Raucher steigen um. Die Industrie arbeitet hart daran, neue Produkte zu etablieren, um ihre Existenz ins Nach-Zigaretten-Zeitalter zu retten.
In den Elektro-Zigaretten verdampft meist eine Flüssigkeit, die Nikotin enthält. Philip Morris bewirbt massiv seine elektronischen Glimmstängel Iqos, in denen Tabaksticks erhitzt werden. Wenngleich die wissenschaftliche Diskussion noch im Gange ist, deuten manche Forschungsergebnisse daraufhin, dass E-Zigaretten weniger schädlich sind als konventionelles Rauchen.
Das ist das zentrale Argument der Raucherlobby. Außerdem sagen Unternehmen und Verbände, die fraglichen Produkte dürften ja legal verkauft werden. Dann müsse Werbung ebenfalls gestattet sein. Die Werbegegner erklären dagegen, auch geringere Gesundheitsschäden seien vermeidbar, E-Zigaretten könnten zur Sucht verleiten und die Medizinkosten für die Allgemeinheit gingen in die Milliarden Euro.
Vor diesem Hintergrund haben die Grünen einen neuen Gesetzentwurf zum Werbeverbot in den Bundestag eingebracht. Der entspricht über weite Strecken dem gescheiterten Regierungsentwurf von 2017. Demnächst soll eine Anhörung im Parlament stattfinden. Es „wird ein Verbot der Außenwerbung und der Kinowerbung für Tabakerzeugnisse, elektronische Zigaretten und Nachfüllbehälter geschaffen“, heißt es. „Jetzt muss die Koalition Farbe bekennen,“ fügt Kirsten Kappert-Gonther hinzu, die Grünen-Sprecherin für Drogenpolitik.
Ohne die Union geht nichts
Sie ist nicht die einzige, die Druck macht. „Unser Ziel muss sein, Jugendliche grundsätzlich davon abzuhalten, mit dem Rauchen zu beginnen – egal, mit welchem Rauchprodukt“, sagt Marlene Mortler (CSU), die Drogenbeauftragte der Bundesregierung. „Beim Tabakaußenwerbeverbot muss Deutschland den anderen EU-Ländern folgen und endlich Nägel mit Köpfen machen.“
Der langjährige Anti-Rauch-Politiker Lothar Binding (SPD) begrüßt den neuen Vorstoß der Grünen: „Das Thema Tabakwerbeverbot wieder auf die politische Tagesordnung zu setzen, ist gut.“ Und Karin Maag, die gesundheitspolitische Sprecherin von CDU/CSU, erklärt: „Wir Gesundheitspolitiker werden in unseren eigenen Reihen für ein Verbot der Tabakwerbung auf Außenflächen werben.“ Allerdings habe ihre Fraktion „die Meinungsbildung für das Tabakwerbeverbot an Außenflächen noch nicht abgeschlossen“.
Ohne die Union geht in dieser Angelegenheit nichts. Aber es gibt Bewegung. „Ich werde das Thema schon bald auf die Agenda der Unionsfraktion setzen“, sagte Fraktions-chef Kauder kürzlich in einem Interview. „Wir müssen es nochmals in allen seinen Facetten diskutieren: Gesundheit, Jugendschutz, Wirtschaft und Verbraucher.“
Krankenkassen sollen Rauchentwöhnung zahlen: Rauchentwöhnung sollte aus Sicht von Tabakforschern von den gesetzlichen Krankenkassen bezahlt werden. Die Wissenschaftler forderten beim Europäischen Tabakkongress in München die Abschaffung des sogenannten „Lifestyle-Paragraphen“, der das bislang verhindert. „Obwohl das Tabakrauchen den mit Abstand wichtigsten gesundheitlichen Risikofaktor und in vielen Fällen eine Suchtkrankheit darstellt, verweigert die Bundesregierung die notwendigen Konsequenzen“, sagte der Psychiater, Suchtexperte und Leiter der Tabak-Ambulanz des LMU-Klinikums, Tobias Rüther.
Der Paragraph 34 des fünften Sozialgesetzbuches, der Medikamente zur Rauchentwöhnung von der Erstattung durch die gesetzlichen Krankenkassen ausschließt, müsse abgeschafft werden, sagte er. „Tabakabhängigkeit ist eine Suchterkrankung, ihre Behandlung ist die wirksamste und kosteneffektivste Möglichkeit, die Sucht zu behandeln und Folgeerkrankungen abzuwenden.“ Nach Angaben Rüthers sterben pro Jahr 125 000 Menschen in Deutschland an den Folgen des Rauchens. „Das ist ungefähr ein Jumbojet am Tag. Wenn jeden Tag ein Flugzeug abstürzen und die Menschen darin sterben würden, dann wäre das Fliegen spätestens ab dem dritten Tag verboten.“ Jeder zweite Raucher werde an seiner Sucht sterben, sagte Rüther. In Deutschland rauchen laut einer Befragung zum Rauchverhalten der Deutschen
28 Prozent der Bevölkerung. (dpa)