Finanzspritze statt Batteriefabrik
Varta wandelt sich vom Überflieger zum Sanierungsfall
Ellwangen / Lesedauer: 4 min

Eva Stoss
Es ist noch keine drei Jahre her, da besuchte der damalige Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier mit einem Koffer voller Geld die Ostalb. 300 Millionen Euro Förderung versprach Altmaier, dem Unternehmen Varta für den Aufbau einer Batteriezellfertigung, um die Elektromobilität anzukurbeln.
Diese „Zukunftstechnologie“ dürfe Deutschland nicht allein asiatischen und amerikanischen Unternehmen überlassen, hieß es. Doch mit dem damaligen Überflieger Varta ging es schon bald steil bergab. Die geplante Batterie–Fabrik im bayrischen Nördlingen liegt auf Eis, die Mitarbeiter müssen um ihren Jobs zittern. Jetzt soll es ein neuer Finanzchef richten.
Statt Thomas Obendrauf wird jetzt Marc Hundsdorf Finanzchef
Erst vergangene Woche hat sich der schwächelnde Konzern mit Banken und Mehrheitseignern auf einen Umbauplan geeinigt. Der Großaktionär Michael Tojner hatte Varta die von den Banken gewünschte Kapitalspritze über 51 Millionen Euro verpasst. Jetzt macht das Unternehmen schon wieder Schlagzeilen: Thomas Obendrauf soll doch nicht Finanzvorstand werden. Er verlässt das Unternehmen aus „persönlichen Gründen“, wie es heißt, obwohl er erst im Januar zu Varta kam. Stattdessen übernimmt Marc Hundsdorf den Posten, so hat das Unternehmen am Donnerstag mitgeteilt.
Neben Hundsdorf besteht das Gremium dann aus Markus Hackstein als Sprecher und Rainer Hald. Hundsdorf war bis Ende 2022 Finanzchef bei dem Wohnwagenhersteller Knaus Tabbert in Bayern. Aufsichtsratschef und Mehrheitseigentümer Tojner sieht in Hundsdorf nun „die perfekte Wahl als neuer Finanzvorstand“. Der 54–Jährige bringe viel Erfahrung in der Sanierung und Restrukturierung mit, kenne die Automobilbranche und soll dazu beitragen, Varta „auf den erfolgreichen Wachstumskurs zurückzuführen.“
Varta ist 2022 in die Verlustzone gerutscht
Von diesem Kurs ist das Unternehmen seit Mitte vergangenes Jahr stark abgewichen. Angestrebt hatte Varta für 2022 einen Umsatz von 950 Millionen, musste die Ziele jedoch zum Halbjahr deutlich nach unten korrigieren und begründete dies mit Verzögerungen bei Kundenprojekten und den hohen Rohstoff– und Energiepreisen. Im dritten Quartal rutschte Varta in die Verlustzone und auch für das Gesamtjahr wird mit roten Zahlen gerechnet.
Hinter dem Desaster des bis dahin erfolgreichen Weltmarktführers für Mini–Akkus, die in Hörgeräte oder Kopfhörer eingesetzt werden, vermuteten Branchenkenner jedoch mehr als eine vorübergehende Schwäche. Zu hören war, der Großkunde Apple, für den Varta die Akkus für die kabellosen Kopfhörer produzierte, hätte sich einen anderen, günstigeren, Lieferanten gesucht.
Der Topmanager Herbert Schein musste seinen Hut nehmen
Für den langjährigen Varta–Chef Herbert Schein wurde die Trendwende bei dem bis dahin verwöhnten Unternehmen zum Schleudersitz. Er musste Ende September seinen Hut nehmen. Nachfolger wurde Markus Hackstein.
Damals hieß es, Schein solle in einer neuen Varta–Gesellschaft, der V4Drive SE, die Verantwortung übernehmen. „V4Drive“ hatte Varta seine 2021 vorgestellte Hochleistungszelle getauft, die auch im Automobilbereich zum Einsatz kommen sollte und, so hieß es damals, die „beste Zelle auf dem Markt“ sei. Ein erster Kunde war dem Vernehmen nach Porsche.
Um die Superzelle V4Drive ist es ruhig geworden
Doch seither hörte man nichts mehr von der Superzelle. Weitere Kunden sind offenbar noch immer nicht in Sicht und die mit viel Getöse angekündigte Batteriefabik in Nördlingen liegt auf Eis. Auf Nachfrage der „Schwäbischen Zeitung“ teilte ein Varta–Sprecher jetzt mit, die Tochter V4Drive SE sei zwar gegründet worden, es sei dort jedoch noch nichts passiert.
Sprich: Es gibt kein Geschäft in diesem „Zukunftsprojekt“. Welche Rolle der ehemalige Topmanger Schein dort spielen soll, ist ebenfalls noch unklar. „Das hängt von vielen Faktoren ab, unter anderem auch von Herrn Schein selbst“, so der Sprecher. Schein sei bei Varta bereits Ende des Jahres ausgeschieden und sei nun „Berater“.
Was mit den 300 Millionen Euro passiert, ist unklar
Was mit dem Fördergeld passiert, ist laut einem Bericht des Bayerischen Rundfunks offen. Die Förderzusage galt zunächst bis Ende 2024. Bisher sei nur ein Teil davon geflossen. Würden Projekte nicht umgesetzt, können Gelder auch zurück gefordert werden. So zitiert der Sender das Wirtschaftsministerium.
Unterdessen hatte der Konzern seinen Aktionäre Dividenden gezahlt und Hunderte Mitarbeiter in Kurzarbeit geschickt. Aktuell beschäftigt Varta rund 4600 Mitarbeiter. Mehr als 3000 davon arbeiten eigenen Angaben zufolge an Standorten in Baden–Württemberg und Bayern. Wie viele Stellen jetzt abgebaut werden, ist bisher nicht bekannt.