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Transformation im Unternehmen

Tausende Stellen bei ZF gefährdet - Betriebsrat fürchtet um Zukunft

Friedrichshafen / Lesedauer: 4 min

Der Wettlauf beim Umstieg auf die E-Mobiliät ist für die Zulieferer knallhart. Der ZF-Betriebsratschef befürchtet an einigen Standorten einen Kahlschlag.
Veröffentlicht:03.02.2023, 18:00

Von:
  • Eva Stoss
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An deutschen Standorten des Automobilzulieferers ZF könnten im Zuge der Transformation rund 6000 Stellen wegfallen. Im schlimmsten Fall werden es sogar noch Tausende mehr sein. Wichtige Zukunftsprodukte, wie etwa der Hightech-Bordcomputer „ZF Pro AI“ sollen nicht mehr in Deutschland hergestellt werden.

Offen ist, wie es mit den 5000 Jobs im Nutzfahrzeugbereich am Stammsitz Friedrichshafen ab 2028 weitergeht. Das ZF-Werk in Serbien soll dagegen personell deutlich expandieren.

Personalabbau droht in vier deutschen Werken

Der ZF-Gesamtbetriebsratsvorsitzende Achim Dietrich warnte bei einem Pressegespräch gemeinsam mit der IG Metall und den Betriebsratsvorsitzenden von Mahle und Bosch in Stuttgart vor erheblichen Umbrüchen. In mindestens vier der deutschen Werke des Technologiekonzerns aus Friedrichshafen könnte es zu einem drastischen Personalabbau kommen.

In dem von ihm vorgestellten Szenario ist dargestellt, was passiert, wenn im Zuge des Verbrenner-Aus 2035 keine neuen Produkte an diesen Standorten nachfolgen und die derzeit gültigen Beschäftigungssicherungsverträge auslaufen. Gefahr drohe durch die Verlagerungen von Produktion nach Osteuropa.

Wir haben den Arbeitgeber aufgefordert uns in den Abgrund schauen zu lassen.

Betriebsratsvorsitzender Achim Dietrich

Doch auch wenn die Komponenten für den E-Antrieb künftig alle in deutschen Werken gefertigt würden, wäre ein Stellenabbau unvermeidlich. „Die Wertschöpfung ist deutlich geringer, weil für den Elektroantrieb nur etwa 200 Teile benötigt werden gegenüber 900 Teilen für einen klassischen Antrieb“, erklärte Dietrich.

Brandenburg und NRW auf der Kippe

„Wir haben den Arbeitgeber aufgefordert uns in den Abgrund schauen zu lassen: was passiert an den Standorten, wenn der Verbrennermotor ausläuft“, so Dietrich. Mindesten zwei Standorte stehen demnach auf der Kippe: Das Werk in Brandenburg, wo 1500 Mitarbeiter derzeit Porsche-Getriebe herstellen. Außerdem das Werk in Eitorf in Nordrhein-Westfalen mit 680 Mitarbeitern, dessen Ende schon beschlossen war. Dort werden jetzt wieder Gespräche geführt.

Das bisher größte deutsche Werk von ZF in Saarbrücken könnte von 9500 auf 3500 Arbeitsplätze abschmelzen. Dort werden Acht-Gang-Getriebe gefertigt. Zwar soll das Werk zum E-Mobilitäts-Standort umgebaut werden, doch das reiche nicht zur Kompensation, befürchtet Dietrich. Am Standort Schweinfurt, wo unter anderem Stoßdämpfer gefertigt werden, wären es dem Szenario zufolge im Jahr 2032 noch 7800 Stellen, heute sind es 10.000.

Da Nutzfahrzeuge Experten zufolge wohl noch länger mit Dieselmotoren fahren werden als Pkw, gibt es für die rund 5000 Beschäftigten in dieser Sparte am Stammsitz in Friedrichshafen noch keine entsprechenden Berechnungen.

ZF sucht Lösungen

Das Unternehmen verweist auf Anfrage der „Schwäbischen Zeitung“ auf bereits geschlossene Standortsicherungsverträge, die bis 2025 oder 2026 gelten würden. Zu den von Dietrich vorgelegten Zahlen teilte ein Sprecher mit, die Zukunft der deutschen Standorte hänge von „deren internationaler Wettbewerbsfähigkeit ab“.

An dieser würde hart gearbeitet und man habe für einige Standorte gute Lösungen gefunden. „Wo das nicht möglich ist, müssen wir auch über Verlagerungen und Schließungen nachdenken“, so der ZF-Sprecher.

Auch Frank Sell, Chef des Betriebsrats von Bosch, und Mahle-Betriebsratschef Boris Schwürz warnten vor Betriebsverlagerungen nach Osteuropa. Gründe für diese Entwicklung sehen die Arbeitnehmervertreter der drei größten Zulieferer in Baden-Württemberg unter anderem im Kostendruck, der auf den Zulieferern lastet. Außerdem bemängeln sie das EU-Beihilferecht. Demnach werden Subventionen nur bei Neuansiedlungen in strukturschwachen Regionen gewährt. Baden-Württemberg gehöre nicht dazu.

Auch in Serbien, das kein EU-Staat ist, locken Dietrich zufolge erhebliche Kostenvorteile, wie günstige Steuern und niedrige Energiekosten. ZF hat dort, in Pancevo, 2019 ein Werk für Elektroantriebe aufgebaut. Die Zahl der Mitarbeiter soll Dietrich zufolge bis 2032 von 1000 auf dann 6000 steigen.

Angst vor der Zukunft

„Wenn Industriekompetenz abwandert, kommt sie auch nicht mehr zurück“, sagte IG Metall Bezirksleiter Roman Zitzelsberger. Die Bedeutung der Zuliefererbranche für Baden-Württemberg machte er an Zahlen deutlich: 480.000 Menschen sind im „Auto-Cluster“ beschäftigt, das Autokonzerne, Zulieferer und Handel umfasst. 155.000 davon arbeiten bei den rund 1000 Zulieferern, die vorwiegend kleine und mittlere Betriebe sind.

Mit Zahlen belegen lässt sich die Abwanderung nach Osteuropa bisher nicht. Es gebe lediglich die Beobachtung einer „Vielzahl von anekdotische Evidenzen“, sagte Zitzelsberger. Die IG Metall erhebt derzeit per Befragung bei ihren Betriebsräten solche Daten.