Freihandel
Südwestdeutsche Unternehmer in Thailand hoffen auf Freihandel und VW
Bangkok / Lesedauer: 5 min

Deutsche Produkte werden in Thailand geschätzt. Das große Geschäft machen aber Japaner, Koreaner und Chinesen. Die Lage könnte sich allerdings bald zu Gunsten der Deutschen ändern - sofern die Politik mitspielt.
Unternehmer und Politiker sprechen gerne von "Teflon-Thailand", wenn sie die thailändische Wirtschaft beschreiben wollen. Die jüngere Geschichte zeige, dass weder Aufstände noch Naturkatastrophen oder gar Militärputsche das Wachstum der Wirtschaft nachhaltig beeinträchtigen könnten. Den Unternehmen gelänge es, sich von politischen Geschehnissen abzukoppeln.
In der Tat spricht die Statistik für das Land: Die Wirtschaft Thailands wächst seit Jahren um zwei bis sechs Prozent pro Jahr. Es ist eine kaufkräftige Mittelschicht entstanden. Thailand gilt als bedeutender Industriestandort, vor allem Autohersteller lassen dort produzieren. Deshalb nennt sich Bangkok selbst auch stolz das "Detroit Asiens". Gerade Konzerne aus Japan, Korea und China betreiben Fabriken unter Palmen - geografisch gesehen befindet sich Thailand im Herzen der tropischen Wachstumsregion Südostasien.
Und doch scheinen die Politiker und Unternehmer nicht mehr ganz so sicher zu sein, ob das vermeintliche Naturgesetz vom "Teflon-Thailand" noch gilt. Das erfuhr eine Wirtschaftsdelegation aus Baden-Württemberg, die gemeinsam mit dem stellvertretenden Ministerpräsidenten Nils Schmid (SPD) Anfang der Woche Bangkok besuchte. "Alle, mit denen wir gesprochen haben, machen sich Sorgen", sagte Schmid der Schwäbischen Zeitung.
Instabile Lage
Der Grund ist die instabile politische Lage. Ein Bündnis aus Vertretern der neuen Mittelschicht, der alten Eliten und Anhänger des Königshauses will die - demokratisch gewählte - Regierung von Premierministerin Yingluck Shinawatra aus dem Amt drängen. Diese Regierung rekrutiert ihre Unterstützer vor allem in der armen Landbevölkerung.
Seit Ende vergangenen Jahres wird Thailand von Massendemonstrationen erschüttert, die Justiz spielt eine undurchsichtige Rolle. Manche Beobachter befürchten ein Eingreifen des Militärs und sehen die Demokratie in Gefahr - ein Punkt, den auch Nils Schmid beim Treffen mit thailändischen Regierungsvertretern ansprach. Der SPD-Politiker machte deutlich, dass der Westen einen Militärputsch nicht akzeptieren würde. Politische Probleme gehörten auch politisch gelöst.
Sorge der Wirtschaft
Die seit Monaten schwelende politische Krise wächst sich nach und nach zum wirtschaftlichen Problem für Thailand aus, weil Regierung und Parlament praktisch nicht handlungsfähig sind. Wichtige Infrastrukturprojekte liegen auf Eis, Fördergeld für die Reisbauern wird nicht ausgezahlt. Die Zentralbank hat inzwischen die Wachstumsprognose für Thailand gesenkt. "Eine langjährige Krise könnte sich zum Problem für die Wirtschaft entwickeln", warnte Schmid.
Einige Wirtschaftsvertreter behaupten, dass Deutschlands ärgsten Konkurrenten diese politische Instabilität nicht ungelegen kommt - hält sie doch die sicherheitsbedürftigen deutschen Investoren aus dem Land heraus. Beherrscht wird die thailändische Wirtschaft von japanischen Konzernen. Einige Unternehmer charakterisieren Japan sogar als "heimliche Kolonialmacht". Die japanische Autoindustrie ist übermächtig, aber auch Chinesen und Koreaner verlagern ihre Fertigung nach Thailand, wo die Löhne niedriger liegen.
Das große Geschäft machen also die asiatischen Nachbarn, obwohl deutsche Unternehmen einen exzellenten Ruf genießen. Thailand und Deutschland pflegen seit mehr als 150 Jahren Wirtschaftskontakte, der erste Handelsvertrag wurde 1862 abgeschlossen. 600 deutsche Unternehmen sind in Thailand tätig, Deutschland ist mit Abstand der wichtigste europäische Handelspartner für Bangkok.
Gute Chancen für Maschinenbauer
Vertreter der Wirtschaft sind allerdings der Meinung, dass die Zusammenarbeit zwischen Thailand und Deutschland einer Auffrischung bedarf. Sie baten Baden-Württembergs Wirtschaftsminister Schmid gewissermaßen um einen Besuch in Thailand, um auch in Zeiten der politischen Krise die Botschaft auszugeben: Die Thais können auf die deutsche Wirtschaft zählen.
Schmid rechnet sich für die Zulieferer aus dem Südwesten gute Chancen aus, aber auch für Maschinenbauer, Umwelttechnik oder Medizintechnikfirmen. Der Politiker machte sich bei seiner Delegationsreise besonders für kleine und mittelgroße Unternehmen stark. Er forderte die Regierung in Bangkok auf, Ausschreibungen so zu gestalten, dass auch Mittelständler sich um Aufträge bewerben könnten. Er pries Ingenieurbüros an und Forschungsinstitute. Gebetsmühlenartig betonte Schmid die Belange der Familienunternehmen, denn die deutsche Wirtschaft wird von vielen Offiziellen in Thailand mit Konzernen gleichgesetzt: Daimler, BMW, Porsche, Bosch, aber auch BASF, Liebherr und ZF.
Daimler gelingt es recht eindrucksvoll, aus dem guten Ruf deutscher Wertarbeit in Thailand Kapital zu schlagen. Das in Thailand gottgleich verehrte Königshaus besitzt mehr als 300 "Benz"-Limousinen, aber auch Geschäftsleute schätzen die Automarke als Statussymbol. "Der thailändische Markt ist hochinteressant", sagte Michael Grewe, Chef von Mercedes-Benz Thailand. Daimler schätzt den Markt für Luxuswagen in Thailand auf 20.000 Fahrzeuge pro Jahr, drei Viertel dieses Segments teilen sich die deutschen Produzenten Daimler und BMW. Daimler verkauft pro Jahr rund 10.000 Fahrzeuge in Thailand, die Hälfte davon wird in einer kleinen Fabrik Thailand montiert, um in den Genuss von Vergünstigungen zu kommen.
Hoffen auf VW
Einige Unternehmer hoffen darauf, dass VW in Thailand ein Werk errichtet. Im Gefolge Volkswagens könnten weitere deutsche Zulieferer und Maschinenbauer in großem Stil nach Thailand kommen. Der Volkswagen-Konzern könnte gewissermaßen der Wegbereiter für kleine und mittelständische Unternehmen werden, die sich auf eigene Faust bisher einen Start in Thailand nicht zugetraut haben. Ähnlich lief es vor 20 Jahren auch in China, wo sich Mittelständler im Windschatten von Konzernen wie VW und BASF prächtig entwickelten.
Die EU und Thailand verhandeln gerade über ein Freihandelsabkommen. Vergleichbare Bündnisse hat Bangkok bereits mit China, Südkorea, Australien und Japan geschlossen. Im Gespräch mit Schmid sagte Thailands Handelsminister Niwatthamrong Bunsongphaisan, dass ein Land das Freihandelsabkommen vorantreibe. "Wenn wir das nicht hinbekommen, wird Thailand leiden."