Schmierstoff
Liqui Moly lässt Motoren und Getriebe besser laufen
Ulm / Lesedauer: 7 min

Die fast 20 Zentimeter hohen Metalldosen klingeln, wenn sie auf der sich drehenden Scheibe, die sie auf die Abfüllanlage schiebt, aneinderstoßen. Ein Förderband bringt die Behälter mit dem markanten blau-roten Schriftzug von Liqui Moly zu einem der vier Einfüllstutzen. Die Rohre fahren mit einer schnellen Bewegung in die kreisrunden Öffnungen, ziehen sich langsam zurück und befüllen die Dosen mit einer gelblich durchsichtigen Flüssigkeit.
„Ventilschutz für Gasfahrzeuge“ ist eines der Produkte, die das Ulmer Traditionsunternehmen am Hauptsitz im Stadtteil Lehr herstellt. Die ölige Schmiere soll bei Gasmotoren die Verbrennung verbessern, Temperaturspitzen ausgleichen, Ventile schützen und so die Gefahr von Maschinenschäden verringern. Autobesitzer geben sie zum Gas in den Tank.
Es ist ein Additiv, ein Zusatzstoff – und Liqui Moly der weltweit bekannte Hersteller solcher Gemische für Motoren, Getriebe und Kühlsysteme sowie von Schmierstoffen, Motorölen und Autopflegeprodukten.
„Ich bin Schrauber und Handwerker, ich packe gerne an“
Mit der in Ulm beheimateten Produktion der Additive kennt sich Michael Bock aus. Der gebürtige Ulmer arbeitet seit 23 Jahren bei Liqui Moly. Als Ansetzer hat er angefangen, das ist der Job, der ganz am Anfang der Produktion bei Liqui Moly steht.
Von der Ansetzbühne der Werkhalle aus blickt er auf die Abfüllanlagen. Noch immer kennt Bock jeden Handgriff aus der Zeit, als er von dem ins Straucheln geratenen Lastwagenhersteller Iveco im Ulmer Süden zu dem Öl- und Additivproduzenten wechselte.
„Ich bin Schrauber und Handwerker, ich packe gerne an und finde es nicht schlimm, mir die Hände schmutzig zu machen“, sagt der 47-Jährige, der seit einiger Zeit als stellvertretender Produktionschef arbeitet.

Auf der Ansetzempore sind vier unterschiedlich große Mischtanks in den Boden eingelassen. Beim „Ventilschutz für Gasfahrzeuge“ füllt der Ansetzer als Grundsubstanz Benzin in einen der Tanks ein, er nutzt dafür eine Zapfpistole, die denen an Tankstellen ähnelt und die mit einem genauen Zählwerk und großen Erdtanks verbunden ist.
Weitere Zutaten sind Kohlenwasserstoffgemische und die Kaliumsalze eines Sulfonats, die aus kleineren Fässern oder größeren Tankcontainern kommen. In diesem Fall pumpt eine Druckluftpumpe die weiteren Bestandteile in den Mischtank. Die benötigte Menge wird durch eine Waage bestimmt, auf der die Kanister stehen und die die entnommene Menge anzeigt. Die genaue Rezeptur? „Betriebsgeheimnis“, erklärt Michael Bock. In Ulm produziert Liqui Moly Produkte mit etwa 160 verschiedenen Zusammensetzungen.
Bei einer Reise in die USA entdeckte Firmengründer Hans Henle den Schmierstoff
In den Mischtanks rührt danach ein propellerartiger Blattrührer das Additiv zusammen, das dauert zwischen zehn und 30 Minuten. Wenn dann das Labor eine Probe der Mischung freigibt, fließt der „Ventilschutz für Gasfahrzeuge“ in einen von mehreren Pufferkesseln, von wo die Flüssigkeit in die Ablaufstationen im Erdgeschoss weitergepumpt wird.
Die Luft in der Halle ist frisch und angenehm temperiert, starke Lüftungsanlagen ziehen Benzin- und Ölgerüche sofort aus den Produktionsanlagen heraus.
Fast direkt neben der Maschine, die den „Ventilschutz für Gasfahrzeuge“ abfüllt, läuft an diesem Tag auch das Urprodukt des Ulmer Additiv-Spezialisten vom Band – es ist ein Öl-Zusatz, der dem Unternehmen auch seinen markanten Namen gegeben hat.

Bei einer Reise in die USA entdeckte Firmengründer Hans Henle das Salz des Metalls Molybdän, dass die amerikanische Luftwaffe zum Schmieren ihrer Flugzeugmotoren nutzte. Die US-Ingenieure gaben das Molybdänsulfid als Pulver in das Motorenöl, weil es die Kolben auch dann noch weiterschmierte, wenn der Feind den Öltank getroffen hatte und das Öl auslief. Um dieses Additiv baute Henle in den 1950er-Jahren sein Unternehmen auf, es war das erste Produkt und stand Pate für den Namen: Liqui Moly – flüssiges Molybdänsulfid.
Neben ölbasierten Additiven wie dem Urprodukt und dessen Nachfolger Ceratec, in dem das Molybdänsulfid durch eine Keramikbeigabe ersetzt ist, produziert Liqui Moly auch benzin- und wasserbasierte Zusatzstoffe. Die Benzin-Additive, die 70 Prozent der Produktion ausmachen und zu denen auch der „Ventilschutz für Gasfahrzeuge“ gehört, sollen rußigen Schmutz im Brennraum des Motors auflösen. Wasserbasierte Additive kommen direkt in den Kühlkreislauf und wirken gegen Verkalkungen, die verhindern, dass das System die Hitze aufnimmt.
Liqui Moly füllt in Ulm jährlich zwischen 14 und 15 Millionen Dosen ab
Gerade plant Liqui Moly ein neue Produktionshalle. In der alten kann das Team von Michael Bock jede Woche Additive für bis zu 400.000 Dosen herstellen und abfüllen. Dass der Ulmer überhaupt bei Liqui Moly gelandet ist, hat am Opa gelegen. „Falls du mal die Chance hast, dahin zu gehen, dann machst du das, das ist ein Superladen“, habe der Großvater gesagt. „Er hat halt immer an seinem alten Motorrad geschraubt und das benutzt, was Liqui Moly für seine Maschine im Programm hatte.“
Und im Superladen arbeitete sich der Ansetzer zum Maschineneinrichter hoch, machte seinen Meister und leitete in den Jahren 2014 bis 2016 sogar die gesamte Ulmer Produktion. „Ich war bei vielen Millionenfesten dabei, das waren immer die Feiern, wenn wir in der Jahresproduktion wieder auf eine Million mehr gekommen sind“, erläutert Michael Bock. Im Moment füllt Liqui Moly in Ulm jährlich zwischen 14 und 15 Millionen Dosen ab.

Die Basisöle für die Additive kommen dabei von der Tochter Méguin mit Sitz im saarländischen Saarlouis, die auch alle Motoröle von Liqui Moly produziert. 2006 hatte das Unternehmen den Zulieferer gekauft. Bammel vor der Umstellung auf Elektroautos hat Michael Bock nicht. „Gebrauchte Autos werden noch lange einen Verbrennungsmotor haben – vor allem wenn man die Märkte in anderen Erdteilen anschaut“, erklärt er. „Außer Motorenöl brauchen auch Elektroautos sehr viel – Hydrauliköl, Schmierstoff, Bremsflüssigkeit.“
Bocks Chef ist ähnlich zuversichtlich – und wie sein stellvertretender Produktionschef sieht sich auch der Liqui-Moly-Geschäftsführer als Anpacker, als Schaffer. „Wir müssen die Besten in unserem Bereich sein. So funktioniert Marktwirtschaft“, sagt Ernst Prost. „Durch ständige Weiterentwicklung unserer Produkte. Und im Vergleich zu den großen Ölkonzernen sind wir als Mittelständler in der Lage, uns schnell an sich verändernde Rahmenbedingungen anzupassen.“ Dass die Marke mittlerweile auf der ganzen Welt bekannt ist, dass sich der Umsatz des Unternehmens seit dem Einstieg Prosts vervielfacht hat, liegt nicht zuletzt an dem Charakterkopf, der sein Unternehmen mit Mut und Geschick und einer oft hemdsärmeligen Herangehensweise führt.
Inzwischen macht Liqui Moly zwei Drittel seines Umsatzes im Ausland
Ernst Prost kommt 1990 als Vertriebschef zu Liqui Moly, drei Jahre später übernimmt er die Geschäftsführung, bevor er von 1996 an schrittweise der Gründerfamilie Henle ihre Anteile abkauft. 1998 wird er geschäftsführender Gesellschafter und richtet das Unternehmen neu aus. Um nicht mehr nur von Großkunden abhängig zu sein, forciert er den Verkauf in Einzelhandel und Werkstätten und erschließt neue Märkte im Ausland.
Inzwischen macht Liqui Moly zwei Drittel seines Umsatzes im Ausland. „Die Industrie muss sich wie jede Form von Wirtschaft immer wieder neu erfinden“, erklärt Prost. „Das ist aber kein Standortproblem, sondern eine Mentalitätsfrage.“
Den Standort Deutschland – auch für die Produktion – hat der 64-jährige Unternehmer deshalb auch nicht in Frage gestellt. „Die Heimat von Liqui Moly liegt in Ulm, und da wird sie auch bleiben. Made in Germany weltweit ein anerkanntes Qualitätsmerkmal“, erklärt Prost. „Wir haben tolle Rahmenbedingungen, Infrastruktur, Arbeitnehmerrechte, sehr gut gebildete und ausgebildete Menschen, Wohlstand und Frieden.“
Michal Bock kennt die Leidenschaft seines Chefs – und schätzt sie. „Morgens steht man manchmal so voreinander“, erzählt Bock und ballt die Fäuste, um die sprühenden Emotionen zu verdeutlichen, „abends ist alles wieder in Ordnung. Er sagt immer alles gerade heraus – und will, dass du das Feuer zurückgibst.“ Dass er das auch kann, das Feuer zurückzugeben, weiß der stellvertretende Produktionschef zu verbergen – zumindest wenn er im Werk unterwegs ist. Dann ist er eher der Schaffer und Anpacker. An diesem Tag schraubt Bock an der Anlage, die das Urprodukt von Liqui Moly abfüllt.