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Bei Homag im Schwarzwald entstehen CNC-Fräsen für die Holzbearbeitung

Schopfloch / Lesedauer: 7 min

Holz spielt im Schwarzwald eine große Rolle. Eine der größten Verarbeitungsfirmen dort ist Homag. Ein Blick hinter die Kulissen.
Veröffentlicht:16.04.2022, 08:00

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Steffen Leins steht am Rand der Boxengasse und schaut auf die vor ihm stehenden Maschinen, an denen sich Mechaniker zu schaffen machen. Auf etlichen der mit gelben Markierungen abgegrenzten Flächen herrscht reges Treiben, andere sind leer. „Wir haben Probleme mit der Materialverfügbarkeit“, sagt der 41-Jährige. Rund 40 Maschinen stehen aktuell auf dem riesigen Hallenboden. In normalen Zeiten sind es deutlich mehr.

Die Maschinen, von denen hier die Rede ist, sind nicht etwa Formel-1-Boliden beim Reifenwechsel. Und Steffen Leins steht auch nicht in der Boxengasse eines Rennens in der Königsklasse des Motorsports. Der groß gewachsene Manager überblickt die Endmontage von CNC-Fräsen für die Holzbearbeitung beim weltweit führenden Anbieter Homag in Schopfloch im nördlichen Schwarzwald unweit von Freudenstadt. Hausintern wird der Bereich Boxengasse genannt, weil jede Maschine nach der Vormontage in eine dieser Einfahrboxen transportiert und dort final für den Kunden fertiggestellt wird.

Leins macht ein paar Schritte auf das vor ihm stehende Monstrum zu und unterhält sich mit dem Mitarbeiter. Der ist gerade damit beschäftigt, die Bearbeitungsspindel der CNC-Fräse zu testen, dem „Herzstück der Homag-Maschinen“, wie Leins sagt. CNC steht dabei für Computerized Numerical Control und bezeichnet ein rechnergestütztes numerisches Verfahren zur Steuerung von Maschinen. In der Bearbeitungsspindel sitzen jede Menge Bohrer und Fräser, die dem zu bearbeitenden Werkstück – seien es Möbelfronten, Türen oder Tischplatten – zu Leibe rücken und beispielsweise Schlosskästen ausfräsen, Gehrungsschnitte sägen oder Löcher für Scharniere bohren.

Durch das Sichtfenster des Maschinenportals sieht man ein Holzbrett unter der Spindel liegen, das auf einem Konsolentisch mit Vakuumspannern fixiert wird. Mit exakten Bewegungen nähert sich die Bearbeitungsspindel dem Testobjekt. Vor und zurück, nach links und rechts, diagonal und kreisrund führt die Software den Fräser. Nach ein paar Sekunden ist alles vorbei, und das vormals glatte Brett hat das gewünschte Testmuster. Leins ist zufrieden.

Seit Februar dieses Jahres leitet der gebürtige Freudenstädter den neu strukturierten Bereich CNC-Maschinenbau bei Homag und trägt Verantwortung für rund 80 Mitarbeiter in der Vor- und Endmontage in Schopfloch . Leins hat die Ochsentour hinter sich: Ausbildung bei Homag 1999, vorzeitiger Abschluss, Start in der Großteilefertigung im Dreischichtbetrieb als Maschinenführer. Dann Zivildienst. Zurück bei Homag an alter Wirkungsstätte und der Erkenntnis: Das willst du nicht ewig machen.

„Die Verantwortung hat mir gefehlt“, sagt Leins heute, der Job habe ihn nicht mehr erfüllt – damals. Dann Meisterschule und der Beginn 2008 als Schichtführer. Natürlich bei Homag. „Der Weg vom Mitarbeiter zum Vorgesetzten war nicht einfach“, sagt er rückblickend. Kollegen, mit denen Leins Jahre zusammengearbeitet hat, nun zu führen, ihnen Anweisungen zu geben, fühlte sich erst einmal fremd an. Dass ihn das Unternehmen in dieser Situation nicht alleinegelassen hat, Unterstützung gab, rechnet er Homag heute noch hoch an.

2012 dann die erste Abteilungsleiterrolle. In der Logistik, wo damals einiges im Argen lag. Drei Jahre später der Wechsel in die Montage. Es sei viel umstrukturiert, viel probiert worden in dieser Zeit, sagt Leins – die Suche nach dem richtigen Zuschnitt der Geschäftseinheiten nicht einfach gewesen. „Früher hatte jeder seinen eigenen Garten“, bemüht er ein etwas unverfänglicheres Bild der Situation von damals. Doch inzwischen sei dieser Zuschnitt gefunden worden: „Ich kann mich nicht erinnern, schon einmal so gern zur Arbeit gegangen zu sein. Es macht richtig Spaß.“

Zu diesem Spaß beigetragen hat sicherlich die Geschäftslage bei Homag. „Wir hatten ein außerordentliches Jahr 2021“, sagt Unternehmenschef Daniel Schmitt im Gespräch mit der „Schwäbischen Zeitung“. Die Maschinen aus Schopfloch und den Tochterstandorten im In- und Ausland sind gefragt wie nie. Die Gründe für den Höhenflug der Homag führt Schmitt zum einen auf die Pandemie zurück. „Viele Leute verbringen viel mehr Zeit in den eigenen vier Wänden und haben ihr Urlaubsgeld nicht für die Fernreise, sondern für eine neue Küche ausgegeben.“ Er macht zum anderen aber auch neue Trends in der Branche aus, die das Geschäft über das Ende der Pandemie hinaus beflügeln dürften. Der Holzhausbau ist einer davon – und die Homag-Gruppe, die unter anderem Maschinen und Anlagen für die Vorfertigung von Holzbauwänden herstellt, profitiert davon. „Das Segment hat sich zuletzt extrem stark entwickelt und wird der Wachstumstreiber für das nächste Jahrzehnt“, sagt Schmitt.

Vor dem Hintergrund der guten Geschäftsperspektiven hat das Unternehmen, das mehrheitlich dem Stuttgarter Maschinen- und Anlagenbauer Dürr gehört, ein weltweites Investitonsprogramm aufgelegt. Große Teile davon entfallen auf den Hauptsitz in Schopfloch. Die Erweiterung der Produktions- und Montagehalle am östlichen Ende des Standortes steht kurz vor dem Abschluss. Gegenüber, am westlichen Ende, entsteht ein neues Logistikzentrum. Mit der Fertigstellung soll der Materialfluss – von der Anlieferung über die Produktion bis hin zum Versand – neu organisiert werden. Und schließlich entstehen noch neue Verwaltungs- und Ausstellungsräumlichkeiten. Läuft alles nach Plan, ist Anfang 2025 Bezug.

Zurück in der Produktion bei Steffen Leins in der Vormontage. Gerade wird der Ständer einer gut zehn Meter langen Maschine in die Halle gezogen und am Beginn der Taktstraße ausgerichtet. „Grundsätzlich unterscheiden wir am Standort Schopfloch Kanten- oder Edge- und CNC-Maschinen“, erklärt Leins. Bei Ersteren durchläuft das Brett die Maschine in einer geradlinigen Bewegung, während der die Kante bearbeitet, sprich angeleimt oder angefräst wird. Klicklaminat beispielsweise, das in den Homag-Maschinen Nut und Feder bekommt und das der Hand- oder Heimwerker zu Hause ganz einfach zusammenstecken kann.

Bei CNC-Maschinen hingegen ist das Werkstück fest verspannt und eine Werkzeugspindel bewegt sich um das Holzbauteil herum – und bohrt, fräst oder sägt die gewünschten Konturen in das Material.

Und dann gibt es da noch das Projektgeschäft für industrielle Möbelhersteller, deren Maschinen, etwa für die Herstellung von Türen, schon mal bis zu 100 Meter lang sind.

Inzwischen ist der Ständer am Beginn der Vormontage ausgerichtet. „Von hier an werden die Maschinen in mehreren Takten aufgebaut“, erklärt Leins. Vor einiger Zeit hätte man mit jedem Takt auch einen Baufortschritt ausmachen können. „Doch aktuell verbauen wir, was gerade lieferbar ist“, gesteht der Manager, weil wie überall in der Industrie Teile fehlen. Den Lieferverzug aufgrund der Knappheiten beziffert er auf rund vier Wochen.

Wie damit umzugehen ist, um die Produktion trotzdem aufrechtzuhalten, bespricht Leins tagtäglich mit seinen Teamleitern in sogenannten Shopfloor-Meetings. „In der Regel bin ich um 6.30 Uhr in der Firma und ziehe mir aus dem System die Daten und Fakten zum Stand der Produktion“, erklärt er – um 8.15 Uhr folgt dann der Austausch mit den Kollegen auf dem Hallenboden.

Um die Liefertermine einzuhalten, setzen Leins und seine Mannschaft aktuell alle Räder in Bewegung. Bei Maschinen, die aufgrund von Fördergeldern bestimmte Abgabefristen einhalten müssen, heißt das mitunter Samstags- und Sonntagsarbeit. „Fire-fighting“ sei angesagt – „Brandbekämpfung“. Zwar könnten er und seine Mannschaft sehr selbstständig arbeiten, der Gestaltunsspielraum, den Homag gibt, sei groß. Doch unter dem Strich wird Leins an Zahlen gemessen.

Der Druck, den das mitbringt, scheint Leins nicht zu schrecken. „Es war die richtige Entscheidung damals, den Weg als Führungskraft einzuschlagen“, sagt er heute – auch wenn man dem Vorstand mal schlechte Zahlen mitbringt. Angehenden Homag-Mitarbeitern rät Leins, dass sie ein „Faible für Teamarbeit“ und einen „gewissen Humor in Bezug auf die schwäbische Mentalität“ mitbringen sollten. Das Motto der Schwaben „nix gschwätzt isch genug gelobt“ ließe sich eben auch bei Homag nicht so einfach abstellen. Die langjährige Betriebszugehörigkeit eines Großteils der Belegschaft deutet darauf hin, dass die meisten damit umgehen können.

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