Was ein Experte von synthetischen Kraftstoffen hält
Berlin / Lesedauer: 3 min

Für Pkw sind E-Fuels keine Alternative zur Elektromobilität, sagt der promovierte Verfahrenstechniker und Kraftstoff-Experte Ulf Neuling von der Organisation Agora Verkehrswende.
Herr, Neuling, flüssiger Autotreibstoff aus Ökostrom, Wasserstoff und Kohlendioxid – wie sinnvoll ist er im Vergleich zum fossilen Verbrennungsmotor und zum E-Auto?
Im Straßenverkehr sind E-Fuels keine Alternative zur Elektromobilität. Das liegt daran, dass man ungefähr die fünffache Strommenge einsetzen muss, um mit einem E-Fuel-Fahrzeug die gleiche Strecke fahren zu können wie mit einem E-Auto mit Batterie.
Verantwortlich dafür sind die energieaufwändigen Umwandlungsprozesse bei der Herstellung der synthetischen Treibstoffe. Sinnvoll sind sie nur dort, wo der direkte Einsatz von erneuerbarem Strom aus erneuerbaren Energien schwierig ist.
Also in Schiffen, Flugzeugen und schweren Lkw?
Schiffe brauchen oft eine große Antriebsleistung, die man über längere Strecken und Zeiträume nicht mit Batterien und Elektromotoren zur Verfügung stellen kann. Und für Flugzeuge sind die Batterien noch zu schwer. In beiden Fällen kommen E-Fuels in Frage.
Bei Lkw sieht es schon anders aus. Hersteller wie Daimler und MAN bieten ab 2024 große Batterie-Lkw mit mindestens 500 Kilometern Reichweite. Bis 2035 wird dieses Konzept den Großteil der neuen Lkw ausmachen.
Unter anderem von Autoherstellern und der FDP ist zu hören, dass synthetische Kraftstoffe dem fossilen Benzin beigemischt werden sollen, um die Emissionen der bestehenden Pkw-Flotte zu verringern. Was halten Sie davon?
Bisher haben wir ein zu geringes Angebot erneuerbarer Energien, kaum grünen Wasserstoff und fast keine Produktionsanlagen für E-Fuels. Deshalb sehe ich nicht, dass bald ausreichende Mengen produziert werden können, um auch Millionen Pkw weniger klimaschädlich fahren zu lassen.
Vielleicht kann aber eine beschränkte Menge E-Fuels, die als Nebenprodukt der Herstellung von E-Kerosin für Flugzeuge anfällt, eine gewisse Rolle im Straßenverkehr spielen.
Arbeiten die Freunde des traditionellen Autos an der Lebenszeitverlängerung des Verbrennungsmotors?
Dieser Gesichtspunkt mag eine Rolle spielen. Dagegen spricht, dass wir auf absehbare Zeit knappe erneuerbare Energie nicht für eine ineffiziente Nutzung verschwenden sollten.
Der Bedarf an sauberem Strom ist in Deutschland ohnehin schon riesig. Auch industriepolitisch wäre es der falsche Weg. Fehlinvestitionen in überholte Technologien schaden der Wirtschaft.
Wie verhalten sich die deutschen Autohersteller zu E-Fuels, auch im Hinblick auf das angepeilte EU-Ende des Verbrennungsmotors 2035?
Die Unternehmen haben sich bereits strategisch darauf eingestellt, dass sie ab 2035 keine Neufahrzeuge mit Verbrennermotor mehr verkaufen. Für die Bestandsflotten brauchen wir allerdings ebenfalls Lösungen.
Welche sind das – wenn nicht E-Fuels?
Ein Weg besteht darin, möglichst schnell viele Batterie-Fahrzeuge auf die Straßen zu bringen. Außerdem müssen wir die Bedingungen für die Alternativen zum Auto – also für Bus, Bahn, Rad – verbessern und die geteilte Nutzung von Fahrzeugen so attraktiv machen, dass die Menschen den eigenen Pkw abschaffen können.