Konkurrenz für Mercedes, BMW und Co?
Autobauer BYD aus China drängt auf deutschen Markt
Wirtschaft / Lesedauer: 5 min

Thomas Hagenbucher
Sie sind bestens bekannt, die Logos an den Mercedes–Autohäusern landauf, landab: der altehrwürdige Stern, das Zeichen von Smart und auch das des Veredlers AMG. Doch seit Neuestem prangt an den Verkaufsräumen des Mercedes–Händlers Riess in Ravensburg auch groß BYD — das Logo der schicken Elektro–Gefährte aus dem Reich der Mitte. Ravensburg ist der erste Standort im südlichen Baden–Württemberg, an dem man die neue E–Autos bereits kaufen kann. Noch läuft das Geschäft verhalten, doch schon bald soll es ordentlich Fahrt aufnehmen.
„Es geht jetzt richtig los“, sagt Geschäftsführer Steffen Riess, der BYD seit Anfang des Jahres im Sortiment hat. Zu den bisher verkauften Exemplaren will er sich zwar nicht öffentlich äußern, für das Gesamtjahr 2023 rechnet er aber schon mit einem Absatz von 1000 bis 1500 Stück.
Bisher sieben Vertriebspartner in Deutschland
BYD hat bisher sieben Vertriebspartner in Deutschland, einer davon ist die Riess–Gruppe mit Sitz in Tuttlingen. Sie betreibt elf Mercedes–Autohäuser in den Regionen Schwäbische Alb, Bodensee, Oberschwaben bis ins Allgäu.
Riess verantworten seit Kurzem auch den gesamten BYD–Vertrieb südlich von Stuttgart — von Freiburg bis an die bayerische Grenze. In Ravensburg stehen die chinesischen E–Fahrzeuge bereits in den Verkaufsräumen, weitere Standorte sollen bald folgen.
Zwei komplett neue BYD–Autohäuser will Riess in den nächsten zwei Jahren in Freiburg und Reutlingen bauen. Zudem werde man in digitale Vertriebskanäle investieren. Insgesamt verkauft die Riess–Gruppe mehr als 10.000 Autos und Lastwagen pro Jahr und erwirtschaftet mit 700 Mitarbeitern einen Umsatz von mehr als 500 Millionen Euro.
Gute Lieferfähigkeit von BYD
„Die derzeit laufende Transformation auf den weltweiten Automärkten hin zum E–Antrieb bietet eine sehr gute Chance für den Markteintritt chinesischer Hersteller in Deutschland“, erläutert Riess. Die Fahrzeuge von BYD überzeugen laut dem Händler durch ein hohes technologisches Niveau — insbesondere bei den Batterien und der Software –, durch das Design sowie ein gutes Preis–Leistungs–Verhältnis.
Auch die Lieferfähigkeit von BYD sei im Vergleich zu anderen Herstellern sehr gut. Die Fahrzeuge würden umgehend nach der Bestellung ausgeliefert. Der Grund: BYD stellt praktisch sämtliche Fahrzeugkomponente selbst her und ist somit nicht von Zulieferern abhängig — etwa die neue „Blade Batterie“, die als besonders leistungsstark, langlebig und sicher gilt.
Start mit Speichermodulen
BYD–Präsident Wang Chuanfu hat jüngst erst 60.000 Batterie–Ingenieure eingestellt, was die Dimensionen verdeutlicht, in denen das Unternehmen denkt und agiert. Insgesamt beschäftigt BYD bereits an die 600.000 Mitarbeiter. Der erst 1995 in Shenzhen gegründete Technologie–Konzern war zunächst im Bereich Speichermodule, Batterien und Software — unter anderem als Zulieferer für das iPhone — aktiv, bevor er 2003 auch ins Autogeschäft eingestiegen ist — mit zunehmendem Erfolg.
Eine interne Konkurrenz zur Luxusmarke Mercedes–Benz, die Riess schon seit Jahrzehnten in nunmehr vierter Generation vertreibt, sieht der Geschäftsführer nicht.
Steffen RiessDas Portfolio aus BYD und Mercedes–Benz ergänzt sich vielmehr ausgesprochen gut.
Entsprechend gelassen sieht auch Mercedes die Mehrmarken–Strategie einiger seiner Händler: „Unsere Vertriebs– und Servicepartner sind selbständige Unternehmer, die jeder für sich entscheiden, ob sie neben Mercedes–Benz auch andere Marken in ihr Portfolio aufnehmen“, sagt ein Sprecher des Stuttgarter Autobauers auf Anfrage der „Schwäbischen Zeitung“.
Konkurrenz am Automarkt nimmt zu
„Wir haben bereits heute viele Mercedes–Benz–Partner, die andere Automobilmarken in ihrem Angebot führen. Der Eintritt chinesischer Automarken in den deutschen Markt verändert diese Situation nicht grundlegend“, erläutert er. Auf der anderen Seite beobachte man stetig das aktuelle Marktumfeld und nehme jede Konkurrenz „natürlich sehr ernst“.
Das sollten die Stuttgarter auch, ebenso wie die anderen deutschen Hersteller, wenn es nach Branchenexperten geht. „BYD ist der Tesla der Chinesen“, sagt etwa Ferdinand Dudenhöffer, Direktor des renommierten „CAR — Center Automotive Research“ in Duisburg. Bisher sei BYD hierzulande so gut wie nicht existent gewesen. Aber das ändere sich gerade „radikal und sehr schnell“. Entsprechend prognostiziert der bekannte „Auto–Papst“ auch: „BYD wird in den nächsten Jahren Tesla die Show stehlen.“
Image von Mercedes kann genutzt werden
Mit dem bereits seit mehr als zehn Jahren bestehenden Joint Venture Denza, das Mercedes und BYD betreiben, haben die aktuellen Marktaktivitäten von BYD in Deutschland nichts zu tun. Dudenhöffer schätzt das Gemeinschaftsunternehmen ohnehin als wenig erfolgreich ein:
Ferdinand DudenhöfferBisher war da wenig Sensationelles zu sehen“, so sein Urteil.
Ein größeres Risiko für die Stuttgarter oder gar Kannibalisierungseffekte durch das Joint Venture oder den BYD–Vertrieb durch Mercedes–Händler befürchtet Dudenhöffer eher nicht. „Natürlich besteht immer die Gefahr, dass das gute Image von Mercedes genutzt wird, um die BYD–Autos für Kunden interessanter zu machen“, sagt er, aber die Gefahr sei „überschaubar“.
Und auch, dass Mercedes eines Tages durch den rasant wachsenden Partner aus dem Reich der Mitte geschluckt werden könnte, hält der Experte für sehr unwahrscheinlich. Dudenhöffers Fazit: „BYD ist besser allein unterwegs.“
In Wolfsburg wird man sich warm anziehen müssen
Noch sind die Zahlen der Chinesen in Deutschland nicht sonderlich beeindruckend: Nach der aktuellen Statistik des Kraftfahrzeug–Bundesamtes wurden in den ersten vier Monaten des Jahres 2023 lediglich 111 BYDs zugelassen. Im Vergleich dazu: Bei VW waren es mehr als 163.000 Fahrzeuge. Trotzdem dürften die ehrgeizigen Deutschland–Pläne von BYD alles andere als Hirngespinste sein. So hat der Autovermieter Sixt jüngst gleich 100.000 Exemplare für seine Flotte geordert.
Und im Heimatmarkt China hat BYD gerade erst souverän die Marktführerschaft erobert — vom VW–Konzern, der diese 15 Jahre lang innehatte. In China bringt BYD bereits 15 Mal so viele Elektro–Autos unters Volk wie VW. Da wundert es wenig, dass der ADAC BYD bereits den „Volkswagen aus China“ nennt. In Wolfsburg wird man sich warm anziehen müssen — und andernorts sicher ebenfalls.