Energiewende

EnBW will bis 2028 raus aus der Kohle

Baden-Württemberg / Lesedauer: 6 min

Der Energiekonzern will klimaneutral werden. Wie das gelingen soll und was das für Stromkunden bedeutet.
Veröffentlicht:27.03.2023, 19:00
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  • Author ImageAndreas Knoch
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Es sind nur noch wenige Tage bis der drittgrößte deutsche Energieversorger EnBW seinen letzten Atommeiler in Neckarwestheim, nördlich von Stuttgart, abschaltet. Damit ist die Kernkraft, die noch im Jahr 2010 für deutlich mehr als die Hälfte des Konzerngewinns verantwortlich war, Geschichte.

Nun plant EnBW–Chef Andreas Schell den nächsten Abschied: Bis 2028 will das Unternehmen auch komplett aus der Kohleverstromung aussteigen — zwei Jahre früher als es die Ampel–Koalition in Berlin anstrebt. 2035 soll der gesamte Konzern klimaneutral sein.

„Damit leisten wir unseren Beitrag, das im Pariser Klimaschutzabkommen vereinbarte 1,5–Grad–Ziel zu erreichen“, sagte Schell am Montag auf der Bilanzpressekonferenz des Energieversorgers.

Fuel Switch: Umrüstung auf Gas

Noch zum Jahresende 2022 hatte die EnBW Braun– und Steinkohlekraftwerke mit einer Leistung von 4,34 Gigawatt in Betrieb. Das entspricht fast genau einem Drittel der gesamten Stromerzeugungskapazitäten im Konzern.

Diese Leistung muss nun in nicht einmal mehr fünf Jahren kompensiert werden — bei einem voraussichtlich stark steigenden Stromverbrauch und unter Einhaltung eines Versprechens, das Schell im gleichen Atemzug abgab:

Wir werden die Versorgung mit bezahlbarer und grüner Energie langfristig garantieren.

Andreas Schell, EnBW-Chef

Wie das funktionieren soll, erklärte der Manager, der lange Jahre den Friedrichshafener Motorenbauer Rolls–Royce Power System geführt hat und Mitte November den Vorstandsvorsitz von Frank Mastiaux bei der EnBW übernahm, so: Zunächst einmal werden drei Kohlekraftwerke — Heilbronn, Altbach/Deizisau und Stuttgart–Münster — im Rahmen von sogenannten Fuel–Switch–Projekten auf Gas umgestellt.

Dieser Umbau, der die EnBW rund 1,6 Milliarden Euro kostet, soll bis 2026 abgeschlossen sein. Die Transformation von Kohle zu Gas ist aber nur ein Zwischenschritt. Das Ziel, so Schell, sei ein Betrieb mit grünem Wasserstoff.

Ausbau der Offshore–Windkraft

Damit verbleiben noch die vier Kohlekraftwerke Lippendorf, Karlsruhe, Mannheim und Rostock, deren Leistung (2,39 Gigawatt) die EnBW ersetzen muss. Das soll durch den Ausbau erneuerbarer Energien, insbesondere durch die Windkraft auf See (Offshore), erfolgen. Die Projektpipeline ist Schell zufolge mit sechs Gigawatt „gut gefüllt“.

So will die EnBW gemeinsam mit dem Projektpartner BP drei Offshore–Windparks mit einer Leistung von insgesamt 5,9 Gigawatt vor der Küste Großbritanniens bauen und ab 2028 in Betrieb nehmen. In der deutschen Nordsee entsteht der Offshore–Windpark He Dreiht — europaweit eines der größten Projekte der Energiewende. Die finale Investitionsentscheidung für das 2,4 Milliarden Euro teure Projekt sei in den vergangenen Tagen erfolgt.

Am Ausbau der erneuerbaren Energien führt kein Weg vorbei

Andreas Schell, EnBW-Chef

Läuft alles nach Plan, drehen sich ab 2025 nördlich von Borkum insgesamt 64 der neuen 15–Megawatt–Turbinen des dänischen Windanlagenbauers Vestas mit einem Rotordurchmesser von 236 Metern über der Nordsee und liefern rein rechnerisch Strom für eine Million Haushalte.

Gut ein Drittel der dann erzeugten Energiemengen hat die EnBW über langfristige Stromabnahmeverträge allerdings schon an Evonik, Bosch, Salzgitter und Fraport verkauft.

„Am Ausbau der erneuerbaren Energien führt kein Weg vorbei“, machte Schell am Montag mit allem Nachdruck deutlich. Die Klimakrise allein wäre dafür schon Grund genug. Mit der Energiekrise infolge des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine sei ein zweiter hinzugekommen. „Das zwingt uns zu diesem Spurt“, so Schell.

Ein Hintertürchen bleibt offen

Allerdings lässt der Manager ein Hintertürchen offen: Der Kohleausstieg sei nur zu machen, wenn die Politik die dafür notwendigen Rahmenbedingungen schaffe. Das betreffe, so Schell, vor allem den Ausbau der Stromnetze und einen schnelleren Zubau bei erneuerbaren Energien. Seine Kritik: Die Planungszeiten bei den Energiewendeprojekten dauerten noch immer „viel zu lange“.

Entscheidende Bedeutung hat beispielsweise die Stromautobahn Suedlink, über die der im Norden produzierte Windstrom in die Verbrauchszentren im Süden und Südwesten transportiert werden soll. An ihrer Fertigstellung im Jahr 2028 hängt also auch der von der EnBW terminierte Kohleausstieg.

Am Geld, das machten Schell und sein Finanzvorstand Thomas Kusterer am Montag deutlich, scheitere es jedenfalls nicht. „Wir haben den finanziellen Spielraum, um unsere Ziele umzusetzen“, sagte der EnBW–Chef. In diesem Zusammenhang begrüßte Schell auch die Vorschläge der EU–Kommission zu einer Strommarktreform.

Insbesondere das Festhalten am Merit–Order–Prinzip, dem zufolge sich der Strompreis am teuersten Kraftwerk orientiert, sei ein „positives Signal“. Erlösabschöpfungen, etwa durch neuartige Vertragsgestaltungen (Differenzverträge), könnten laut Schell den Ausbau der erneuerbaren Energien aber bremsen.

Umsatz– und Ergebnissprünge

Die gute finanzielle Verfassung des Konzerns mit seinen knapp 27.000 Mitarbeitern zeigt sich exemplarisch an dem für das vergangene Jahr erzielten und dem für dieses Jahr prognostizierten Ergebnis:

Die für die EnBW maßgebliche Erfolgskennziffer, das bereinigte Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda), stieg 2022, einem Jahr, das laut Schell „vieles Selbstverständliche auf den Kopf gestellt hat“, um elf Prozent auf 3,29 Milliarden Euro.

Das war einigermaßen überraschend und laut Finanzchef Kusterer auf das „Ausbleiben einiger Risiken“ zurückzuführen, etwa die geringer als zunächst befürchteten Kosten für die Netzstabilisierung, aber auch auf die für den Konzern günstigen Großhandelspreise für Gas und Strom.

Wie stark Energiekrise und Preiskapriolen die EnBW dennoch getroffen haben, zeigt sich am Umsatz, der 2022 gegenüber dem Vorjahr um 74 Prozent auf 56 Milliarden Euro regelrecht explodiert ist. Im laufenden Jahr rechnen Kusterer und Schell mit einem Ergebnisanstieg auf eine Bandbreite zwischen 4,7 und 5,2 Milliarden Euro.

Preise sollen nicht verändert werden

Diese Aussichten sind es wohl auch, die das Management dazu veranlassen, eine stabile Dividende von 1,10 Euro je Aktie für 2022 vorzuschlagen — und das trotz einer Investitionsoffensive, die bis 2025 rund 14 Milliarden Euro verschlingen soll. Auf der Hauptversammlung im Mai soll darüber abgestimmt werden.

Seit 2011 ist die EnBW größtenteils im Besitz der öffentlichen Hand. Jeweils 46,75 Prozent gehören den beiden Hauptaktionären des Energiekonzerns, dem Land Baden–Württemberg über seine Beteiligungsgesellschaft Neckarpri und den Oberschwäbischen Elektrizitätswerken (OEW), ein Zusammenschluss von neun oberschwäbischen Landkreisen mit Sitz in Ravensburg.

Eine Botschaft hatte das EnBW–Management auch noch für die 5,5 Millionen Strom– und Gaskunden: Bei der Preispolitik der Vergangenheit sei man stets unter dem Marktdurchschnitt geblieben und Preisanpassungen seien zum jetzigen Zeitpunkt „nicht geplant“. Letzteres kann man, muss man angesichts deutlich gesunkener Großhandelspreise aber nicht positiv werten.