Krise im Handwerk
Viele kleine Bäckereien geben auf
Ravensburg / Lesedauer: 5 min

Die ohnehin angespannte Lage für das Bäckerhandwerk in Deutschland hat sich durch die Energiekrise weiter verschärft. Etwas mehr als 9600 Bäckerbetriebe waren Ende 2022 in die Handwerksrolle eingetragen, teilte der Zentralverband des Deutschen Bäckerhandwerks am Montag mit. Das waren rund 3,6 Prozent weniger als im Jahr davor. Der Rückgang habe sich damit noch einmal beschleunigt, hieß es. 780 Bäckerei–Unternehmen verschwanden demnach vom Markt. Lediglich 422 Neugründungen gab es im selben Zeitraum. Immerhin: Im Jahr 2021 waren lediglich 380 neue Betriebe hinzugekommen.
Im Bäckereihandwerk fehlt der Nachwuchs
Das Handwerk steckt in einem Strukturwandel. Die Zahl der Unternehmen geht seit Jahrzehnten kontinuierlich zurück. Im Jahr 2014 gab es noch mehr als 12.600 Handwerks–Bäckereien in Deutschland. Backshops und Supermarkt–Backstuben, in denen industriell gefertigte Brote, Croissants oder Brötchen aufgebacken werden, machen der Branche zu schaffen. Mit den niedrigen Preisen können die Handwerksbäckereien nicht mithalten.
Probleme haben die Betriebe außerdem, genügend Nachwuchs zu finden. Die Zahl der Auszubildenden in der Branche hat sich zwischen 2014 und 2021 von damals rund 20.500 auf rund 12.200 nahezu halbiert. Die Zahl der Beschäftigten ging in dieser Zeit von 277.20 auf 240.800 zurück.
Die gestiegenen Kosten für Energie und Rohstoffe drücken auf die Gewinne: „Es ist schwierig für die Handwerksbäckereien die steigenden Kosten auf die Preise umzulegen, da die Kunden zum einen Kaufzurückhaltung zeigen und zum anderen ein starker Wettbewerb mit der Backindustrie besteht“, so der Verband.
Bürokratie ist für kleine Betriebe existenzbedrohend
Immer mehr zu schaffen macht den Bäckereien zudem die Bürokratie. Sie hat laut Verband für kleine und mittelständische Unternehmen in den vergangenen Jahren ein Ausmaß erreicht, das von vielen nicht mehr zu bewältigen sei und für viele Betriebe sogar existenzbedrohend wirke.
„In Gesprächen mit Betrieben hören wir zunehmend, dass die in den letzten Jahren entstandene Bürokratielast erdrückend sei und als nicht mehr hinnehmbar empfunden wird. An unserer Basis wird mittlerweile die Forderung erhoben, die aktuellen Gesetze um 30 Prozent zu reduzieren, um wirtschaftlich arbeiten zu können“, so Michael Wippler, Präsident des Zentralverbands.
Das bekräftigt auch die amtierende Brotbotschafterin und Bundesvorsitzende der Mittelstands– und Wirtschaftsunion, Gitta Connemann. Das Problem sei die Summe der Auflagen, Gebühren und Verbote: „Gerade für kleinere Betriebe ist das kaum zu schultern. Handwerksbetriebe sind in der Regel personell nicht breit aufgestellt. Denn das Geld wird in der Backstube verdient, nicht am Schreibtisch.“
Der Zentralverband fordert daher gemeinsam mit Connemann von der Bundesregierung, das im Koalitionsvertrag verabredete weitere Bürokratieentlastungsgesetz zügig auf den Weg zu bringen und damit spürbar die Belastungen der Betriebe abzubauen. Dazu hat der Zentralverband des Deutschen Bäckerhandwerks der Bundesregierung jetzt 32 konkrete Vorschläge vorgelegt. Unter anderem geht es um Pflichten zur Lizensierung von Verpackungen und Vereinfachung bei elektronischen Krankmeldungen. Auch die seit diesem Jahr geltende Mehrwegpflicht sei vor allem für kleine Bäckereibetriebe schwer umzusetzen.
Bernd Kütscher glaubt, dass das Bäckerhandwerk eine Zukunft hat
Bernd Kütscher, Bäckermeister und Direktor der Akademie Deutsches Bäckerhandwerk in Weinheim weist unterdessen darauf hin, dass zwar die Zahl der Betriebe drastisch abnehme, nicht jedoch die Zahl der Verkaufsstellen. Nach Daten des Verbands sank die Zahl der Betriebe in den letzten 60 Jahren von rund 55.000 im alten Bundesgebiet auf noch 9.965 (Ende 2021) Betriebe mit rund 35.000 Filialen und etwa 45.000 Verkaufsstellen im heutigen Deutschland. Die durchschnittliche Mitarbeiterzahl liegt mittlerweile bei 24,2.
„Während die eine oder andere Bäckerei aufgibt, öffnet eine andere Bäckerei neue Filialen. Natürlich spielt die Inflation derzeit eher den Billiganbietern in die Karten. Ich bin jedoch der Überzeugung, dass das Brot und dessen handwerkliche Hersteller in Zukunft weiterhin eine große Marktbedeutung haben werden“, sagte Kütscher dem Magazin „Handwerksblatt“.
Bäcker sollten auf Qualität und Regionalität setzen
Den Bäckern empfiehlt Kütscher, stärker auf Qualität zu setzen, traditionell zu backen, nur beste Zutaten zu verwenden und sich so vom Industrieprodukt zu unterscheiden. „Ganz wichtig finde ich es, mit eigenen Rezepten zu arbeiten und hauseigene Spezialitäten im Sortiment zu haben“, so Kütscher.
Außerdem empfiehlt er den Bäckereien, die häufig über hundert Produkte im Sortiment haben, lieber auf weniger, „dafür aber herausragend gute Produkte zu setzen“.
Auszubildenden müsse das Bäckerhandwerk heute mehr bieten als früher. „Das A und O dabei sind ein gutes Betriebsklima, ein familiärer Umgang und echte Wertschätzung.“ Der jungen Generation gehe es nicht nur um das Finanzielle, sondern auch die „Sinnhaftigkeit ihres Tuns“. Diesbezüglich bietet das Handwerk enorme Vorteile. Auch die Verdienstmöglichkeiten sieht Kütscher positiv: „Ein Meister, der sein Handwerk beherrscht, steht heute schon finanziell nicht schlechter da als ein Akademiker. Und das wird sich weiter zugunsten des Handwerks verschieben!“
Experte Eyüp Aramaz rät Bäckern zum Online–Shop
Auch Eyüp Aramaz, der sich auf die Beratung von Bäckereibetrieben spezialisiert hat, sieht die Chance der Handwerksbäcker in der Qualität, außerdem in „Herzlichkeit und Regionalität“. Auch traditionelle Unternehmen sollten sich nicht scheuen, die „Chancen der Digitalisierung“ zu nutzen. „Ein Online–Shop oder eine Vorbestell–App sind gute Möglichkeiten, um den Kunden mehr Service zu bieten“, sagte Aramaz im Gespräch mit der „Schwäbischen Zeitung“.
Zumindest beim Umsatz gibt es jetzt schon einen Aufwärtstrend: Mit rund 16,27 Milliarden Euro macht die Branche 9,4 Prozent mehr als im Vorjahr. Der Zuwachs erklärt sich allerdings vor allem mit der Inflation. 2014 lag der Umsatz der Bäckerereien in Deutschland noch bei 13,52 Milliarden Euro.