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Autoindustrie in Deutschland

Autoexperte Dudenhöfer: „Bis 2035 ist der Drops gelutscht“

München / Lesedauer: 6 min

Noch geht es den deutschen Autobauern gut. Doch lange geht das nicht mehr. Die Gefahr lauert in China und den USA, sagt Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer im Interview.
Veröffentlicht:22.07.2023, 09:00

Von:
  • Ralf Müller
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Der deutschen Autoindustrie geht es derzeit noch gut. Umsätze und Gewinne stimmen. Doch immer mehr Experten prophezeien der Branche schwierige Zeiten und international einen Rückfall in die Zweitklassigkeit. Soweit kann es kommen, muss aber nicht, sagt Ferdinand Dudenhöffer, ehemals Professor für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre und Automobilwirtschaft an der Universität Duisburg–Essen und heute Direktor des privatwirtschaftlichen CAR Center Automotive Research in Duisburg, das er 200 selbst gegründet hat.

Herr Professor Dudenhöffer, als Elon Musk seine Tesla–Fabrik in Grünheide baute, haben Sie die deutschen Wettbewerber gemahnt, sie sollten sich „warm anziehen“. Hat sich diese Bedrohung bestätigt?

Es ist eine Bedrohung. Der Anteil an Elektroautos deutscher Autobauer ist noch überschaubar. Man sieht, dass sie immer mehr Käufer von Verbrenner–Autos verlieren. Sie müssen mit Tesla konkurrieren. Tesla verfügt über große Volumen und Möglichkeiten, den Preiskrieg noch zu verschärfen. Musk reduziert seine Marge auf nur noch 9,5 statt 17 Prozent und er kann in dieser Richtung noch weitermachen. Bis 2030 will er 20 Millionen E–Autos weltweit verkaufen. Damit wäre Tesla weltweit Marktführer. Das wären doppelt so viele, wie zurzeit die größten Hersteller VW oder Toyota absetzen.

Ist gegen Tesla — wettbewerbsmäßig gesehen — kein Kraut gewachsen?

Tesla hat einen einzigen Gegner. Das sind weder die Deutschen noch die Japaner noch die Amerikaner, sondern die Chinesen. Die sind noch deutlich schneller als Tesla. Wir haben es mit einem Wachstums–Rennen um die Kunden von morgen zu tun.

Chinesische Hersteller werden auch in Deutschland präsenter. Können sie vor allem erfolgreich sein, weil die deutschen Hersteller bislang zu wenige erschwingliche E–Autos im Angebot haben?

Die deutschen Hersteller haben keine großen Verkaufsvolumina bei den E–Autos und können nicht Zulieferteile in großen Mengen einkaufen. Wenn man wenig einkauft, hat man immer schlechtere Preise als wenn man viel einkauft. Und die Chinesen kaufen viel ein, sie haben andere Arbeitskosten in China und sie sind — wie Tesla — sehr schnell und dynamisch. In Deutschland braucht man sehr lange, bis man Entscheidungen getroffen hat. Das gilt nicht nur für die Autoindustrie.

Es hieß schon immer, VW sei eine große Behörde, die nebenbei Autos produziert. Kann man das immer noch sagen?

Ja. Volkswagen ist eigentlich unregierbar, weil die Besitzer des VW–Kapitals in der Minderheit sind. Im Aufsichtsrat gibt es eine ganz kuriose Verteilung der Stimmrechte, wie man es sonst nur von Staatsunternehmen kennt. IG Metall und das Land Niedersachsen haben im Aufsichtsrat eine Mehrheit. Und der Aufsichtsrat entscheidet, ob ein Autowerk gebaut wird, ob ein Vorstandsvorsitzender eingestellt oder entlassen wird, und so weiter. Das heißt: Dort muss man duschen, ohne nass zu werden. Das ist schon immer das Problem von VW. Das ist eine Welt, die VW daran hindert, so agil wie die Chinesen zu sein und aus der muss VW rauskommen.

Gilt für die anderen deutschen Hersteller, die sich überwiegend in der Premium–Klasse bewegen, auch Ihre Prognose, von Tesla und den Chinesen überrollt zu werden, oder bewegen sich BMW, Mercedes, Porsche und Audi in anderen Welten?

Die haben noch etwas mehr Luft, aber die Bedrohung ist auch für sie da. Das sieht man an den Marktanteilen von Tesla. Die Bedrohung ist nicht Tesla allein, sondern auch die Chinesen, die sehr stark zu uns kommen. Beide Wettbewerber kennen das Elektroauto sehr gut, während unsere Autobauer erst jetzt mit größeren Volumina in diesen Markt gehen. Audi, BMW, Porsche und Mercedes haben sicher Vorteile, weil sie die bisherige Fahrzeugtechnik sehr gut kennen. Sie sind gut bei Fahreigenschaften und Qualität, aber das Auto von morgen ist eben das E–Auto, bei dem Software eine ganz große Rolle spielt. Und auch da laufen wir weniger Tesla, aber den Chinesen hinterher. Die Kunden von morgen sind andere als die von gestern.

Toyota und andere arbeiten an einer Feststoffbatterie, die viele Vorteile haben soll. Kann das innerhalb der E–Mobilität eine neue Revolution auslösen?

Alle arbeiten an dieser Feststoffbatterie. Das Rennen ist noch lange nicht gewonnen. Wir denken, dass sie zwischen 2025 und 2030 — eher 2030 — auf den Markt kommt. Dann haben wir eine neue Generation von Batterien. Jetzt schauen wir mal, wer dieses Rennen im Forschungs– und Entwicklungsbereich gewinnt.

Könnten diese Aussichten das bei den Kunden erst mal zu Kaufzurückhaltung führen? In Deutschland können sich ja viele mit der herkömmlichen Batterietechnik nicht so recht anfreunden.

Ich glaube das weniger. Schon heute werden viele E–Autos ge–least. Das Problem liegt mehr darin, dass die Fahrzeuge bei uns noch zu teuer sind. Weil die Ampel–Bundesregierung die Subventionen in diesem Jahr gekürzt hat und diese Kürzungen bis 2025 auf Null reduziert werden sollen, wird das Problem noch größer. Es soll zwar etwas Neues kommen, aber Genaues weiß keiner. Damit wird im Elektro–Auto die Handbremse angezogen, weil so das Fahrzeug mit Verbrennungsmotor günstiger ist.

Mittlerweile wird gemutmaßt, das Verbot der Zulassung neuer Pkw mit Verbrennungsmotor ab 2035 wird nicht richtig greifen wird, weil sich die Kunden vorher noch mit Benzin– und Dieselautos eindecken und diese so lange wie möglich fahren werden. Man spricht vom „Havanna–Effekt“ (auf Kuba werden Uralt–Autos gefahren). Was halten Sie davon?

Wenig. Benzin wird ja wegen der CO2–Abgabe immer teurer und der Preis von CO2 steigt. Also wird das Tanken von Benzin und Diesel ständig teurer. Dann hat man irgendwann ein altes „Havanna–Auto“, mit dem man aber wenig fährt, weil das Benzin zu teuer ist und jeder Kilometer Schweißperlen kostet. Der Termin 2035 bleibt bestehen und die E–Autos werden dann auch deutlich preisgünstiger sein als heute wegen neuer Batterietechniken, Kostensenkungen und auch größerer Volumina. Bis 2035 ist der Drops gelutscht. Wer auf den „Havanna–Effekt“ setzt, wird viel Geld verlieren.

Wo sehen Sie die deutsche Autoindustrie in zehn, 20 Jahren? In der Zweit– oder Drittklassigkeit oder kann sie die Kurve noch kriegen?

Man kann die Kurve immer kriegen, aber dazu muss sich Deutschland auch ändern. Die deutsche Automobilindustrie wird gut sein, wenn sie sich stärker im Ausland breitmacht. China ist wichtig. Alle bauen dort Forschungszentren auf. In Deutschland sitzen zu bleiben und mit deutschen Gesetzen zu leben, wäre das Schlechteste, was die Autoindustrie machen kann. Also raus in die Welt, dorthin wo der Wettbewerb sitzt! So weitermachen wie bisher ist nach meiner Einschätzung nicht die beste Lösung.