StartseiteWirtschaftBauträger Kuhn Bau meldet Insolvenz an

Baubranche kriselt

Bauträger Kuhn Bau meldet Insolvenz an

Bad Wurzach / Lesedauer: 4 min

Die Branche kriselt. Jetzt hat der nächste Bauträger aus dem Landkreis Insolvenz angemeldet: Die Firma Kuhn Bau GmbH mit Sitz in Bad Wurzach.
Veröffentlicht:25.09.2023, 19:00

Von:
  • Robin Halle
Artikel teilen:

Es ist gerade vier Wochen her, als die „Schwäbische Zeitung“ über die Zahlungsunfähigkeit des Ravensburger Bauunternehmens Rinker-Bau berichtete. Jetzt hat der nächste Bauträger aus dem Landkreis Insolvenz angemeldet: Die Firma Kuhn Bau GmbH mit Sitz in Bad Wurzach.

Es liest sich technokratisch, was unter dem Aktenzeichen 105 IN 503/23 beim Amtsgericht Ulm bearbeitet wird. „Zum vorläufigen Insolvenzverwalter wird Rechtsanwalt Wolfgang Müller, 87435 Kempten bestellt. (…) Verfügungen der Schuldnerin über Gegenstände des schuldnerischen Vermögens sind nur noch mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters wirksam.“

Gestiegene Baukosten und weniger Aufträge

Dahinter verbirgt sich das Schicksal eines Traditionsunternehmens, das seit 35 Jahren am Markt tätig ist und schlüsselfertige Büro- und Industriebauten realisiert. Kuhn Bau hat nach eigenen Angaben mehr als 1000 Projekte umgesetzt, unter anderem den Bau großer Verwaltungszentren, Logistikzentren, Gewerbeparks und Einzelhandelsmärkte. Eines der Alleinstellungsmerkmale dabei: Die Kuhn Bau GmbH hatte die Fertigstellung der Gebäude zum Festpreis angeboten. In der letzten veröffentlichten Bilanz aus dem Jahr 2021 wurde ein Gewinn von 263.751 Euro ausgewiesen (Quelle: Northdata). Jetzt sehen die Zahlen anders aus.

Geschäftsführer Pascal Pohl sagt gegenüber der „Schwäbischen Zeitung“: „Die Baukrise ist auch bei uns angekommen. Die Baukosten sind gegenüber dem Jahr 2020 um 41 Prozent gestiegen. Gleichzeitig sinkt die Zahl der Aufträge. Wir waren leider gezwungen, diese Insolvenz anzumelden. Wir hoffen, dass es bei einer vorläufigen Insolvenz bleibt.“

Pascal Pohl glaubt an eine Zukunft

Pohl arbeitet fieberhaft daran, sein Unternehmen noch zu retten. Formal wurde gemeinsam mit dem Insolvenzverwalter eine Auffanggesellschaft gegründet. Alle laufenden Projekte sollen in den nächsten drei Monaten weitergeführt werden. Kuhn leitet die Geschäfte in dieser Zeit mit dem Insolvenzverwalter.

Pohl sagt: „Es ist einfach die Zeit, die uns Probleme bereitet. Insbesondere der Kostendruck. Perspektivisch gesehen haben wir gute Zukunftschancen, weil sich unter anderem der Zinssatz normalisiert. Wir führen jetzt viele Gespräche mit dem Ziel, das Unternehmen zu restrukturieren.“ Von einer endgültigen Insolvenz wären 22 Mitarbeiter unmittelbar betroffen. Sollte Kuhn Bau keine Bauaufträge mehr an regionale Bau- und Handwerksbetriebe vermitteln, würde die Insolvenz die ganze Region in Mitleidenschaft ziehen.

Von Januar bis Mai 2023 haben 65 Firmen aus dem Bauhauptgewerbe Insolvenz angemeldet

Die Insolvenzen von Rinker-Bau und Kuhn Bau sind kein Einzelfall. Von Januar bis Mai 2023 haben 65 Firmen aus dem Bauhauptgewerbe Insolvenz angemeldet, wie der Branchenverband Bauwirtschaft Baden-Württemberg mitteilt. Im Vorjahr waren es im Vergleichszeitraum 62, beziehungsweise 47 Insolvenzen im Jahr 2021. Branchenverband-Sprecherin Eleni Auer sagt: „Man muss unterscheiden zwischen Bauträgern und Bauunternehmen. Bauträger haben es schwer, weil sie finanziell häufig in Vorleistung treten. Wir rechnen bei den Materialpreisen zwar mit keiner weiteren Kostenexplosion, aber das Bauen wird dennoch nicht billiger.“

Auer rechnet im weiteren Jahresverlauf nicht mit signifikant steigenden Insolvenzen von Bauunternehmern in der Region, aber sie erkennt den Druck auf Bauträger wie Kuhn Bau oder die bundesweit agierenden Wohnungsbaugesellschaft Vonovia. Diesbezüglich hatte Schwäbische.de berichtet, dass ein XXL-Bauprojekt in Weingarten mit 500 Wohneinheiten für zwei Jahre zurückgestellt wird.

Das hat dramatische Folgen für den Wohnungsmarkt, weil Wohnraum dringend benötigt wird. „Die Bauanträge sind gegenüber dem Vorjahr beinahe um 50 Prozent zurückgegangen“, sagt auch Ravensburgs Baubürgermeister Dirk Bastin, in dessen Landkreis Rinker-Bau und Bau Kuhn angesiedelt sind.

Laut einer Pressemitteilung des Kreditversicherers Atradius seien die Baugenehmigungen für Neubauprojekte bundesweit gegenüber dem Vorjahr bis zur Jahresmitte um 28 Prozent zurückgegangen. Insgesamt könne die Zahl neu fertiggestellter Wohneinheiten in Mehr- und Einfamilienhäusern in diesem Jahr bis auf 223.000 und 2024 sogar auf 177.000 sinken ‐ deutlich weniger als das von der Bundesregierung angestrebte Ziel von jährlich 400.000 neuen Wohnungen.