Windkraftanlage
Zahl neuer Windkraftanlagen sinkt im Vergleich zum Vorjahr
Frankfurt / Lesedauer: 4 min

Die Windkraftbranche hat in den vergangenen Monaten eine Flaute erlebt. Denn die Zahl der an Land aufgebauten Windkraftanlagen liegt leicht unter dem Vorjahreszeitraum. Im ersten Halbjahr 2022 betrug der Rückgang 0,2 Prozent. Damit sind auf Feld und Flur insgesamt 238 neue Windenergieanlagen in Deutschland installiert worden – mit einer Leistung von 977 Megawatt oder einem knappen Gigawatt.
Das sei bei Weitem nicht genug, erklärten der Bundesverband Wind-Energie (BWE) und der Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau ( VDMA ) am Donnerstag. Gemessen an den von der Bundesregierung formulierten Zielen, klaffe eine riesige Lücke: „Wir sprechen hier ab dem kommenden Jahr von einer Verfünffachung der notwendigen Genehmigungen, der Zuschläge und in der Folge dann auch der Umsetzung von Projekten“, sagte der Präsident des Bundesverbandes Wind-Energie, Hermann Albers.
Bis 2030 jedes Jahr 4,6 Gigawatt zusätzlich nötig
Kürzlich hatte auch das Energiewirtschaftliche Institut an der Universität zu Köln (Ewi) in einer Studie ausgerechnet, wie sich die Ziele der Regierungskoalition auf den deutschen Strommarkt auswirken müssten. Neben einem starken Ausbau der Photovoltaik und Windrädern auf dem Meer müssten Windräder auf dem Land in Zukunft eine Gesamtleistung von 89 Gigawatt Strom erzeugen.
Wie groß diese Herausforderung ist, zeigen die Zahlen: Aktuell sind auf dem Land rund 55 Gigawatt installiert, nötig sind bis 2030 jedes Jahr 4,6 Gigawatt zusätzlich. Im ersten Halbjahr dieses Jahres lag der Zubau bei nur knapp einem Gigawatt.
Bei dieser Rechnung ging man beim Ewi allerdings davon aus, dass Deutschland noch neun Jahre bis 2030 hätte. Diese Zeit steht der Bundesrepublik schon jetzt nicht mehr zur Verfügung. Nun gehe es vor allem darum, mehr Flächen für Windräder auszuweisen und entsprechende Genehmigungen für den Bau von Windkraftanlagen zu beschleunigen, lautet die Einschätzung von BWE und VDMA. Bislang dauert es sieben Jahre, bis ein Windkraftanlage steht. Das geht vom Ausweis der geeigneten Fläche über die Planung und zur Genehmigung bis schließlich zum Bau einer Windkraftanlage.
Abbau von Bürokratie gefordert
Deswegen fordert die Windenergiebranche weniger bürokratische Verfahren, um die Produktion auf die erforderliche Zahl von Neuanlagen hochfahren zu können. „Die Verfügbarkeit von erneuerbaren Energien ist ein Standortfaktor. Industrielle Investitionsentscheidungen werden nicht zuletzt aus der Perspektive einer Versorgung durch grüne Energien getroffen“, sagte Dennis Rendschmidt , Geschäftsführer des Fachverbandes Power Systems beim VDMA. Daher sei der schnelle und massive Ausbau erneuerbarer Energien dringend erforderlich – vor allem im Süden Deutschlands.
Denn wenn man sich auf der Karte anschaut, wo im ersten Halbjahr neue Windräder hinzukamen, ergibt sich ein eindeutiges Nord-Süd-Gefälle: Rund 80 Prozent der neu gebauten Windanlagen entfielen auf nur vier Bundesländer: Schleswig-Holstein, Nordrhein-Westfalen, Brandenburg und Niedersachsen. Die großen Flächenstaaten Bayern und Baden-Württemberg haben mit neun beziehungsweise 21 Anlagen nur einen sehr geringen Anteil zum Aufbau der Windkraft im ersten Halbjahr beigetragen.
Kritik an Abstandsregeln
„Wir brauchen neue Projekte“, sagt Dennis Rendschmidt. „Und dazu sind bestimmte Abstandsregeln in den Ländern einfach abzuschaffen. In Bayern etwa gilt seit 2014 die 10H-Regelung, nach der der Mindestabstand zwischen Wohnsiedlungen und Windrädern dem Zehnfachen der Höhe der Anlagen entsprechen muss. Für ein 200 Meter hohes Windrad betrüge der Abstand demnach mindestens zwei Kilometer. Das führt in der Praxis dazu, dass in Bayern kaum noch Windräder neu gebaut werden.
Zwar hatten Bundesregierung und Bundestag in der vergangenen Woche umfangreiche neue Klimagesetze beschlossen, darunter auch Regelungen für den zügigen Ausbau der Windenergie. Ziel ist dabei unter anderem, dass die Länder zwei Prozent Fläche für die Windkraft ausweisen sollen. Spätestens 2032 soll das der Fall sein, aktuell liegt der Anteil der Flächen bei nur rund 0,5 Prozent.
Allerdings ist der Zeittraum bis dahin noch lang, Klimaschützer und -forscher fordern daher einen zügigeren Ausbau der Windkraft. „Die Vorgaben des Bundes sollten durch die Länder umgesetzt werden – und nicht erst in den nächsten zehn Jahren“, sagte etwa Simon Schäfer-Stradowsky der „Schwäbischen Zeitung“. Schäfer-Stradowsky ist Geschäftsführer des Institutes für Klimaschutz, Energie und Mobilität (IKEM) in Berlin. „Wir haben alle Informationen, um das schon in den nächsten zwei bis drei Jahren zu tun.“
Zweitens sollte der Bund sofort geeignete staatliche Flächen, die in der Hand des Bundes oder der Länder sind, zur Verfügung stellen. Schließlich schlagen die Forscher des IKEM vor, für Genehmigungsverfahren strenge Fristen zu setzen.