Steigende Steuern
Gastwirte geißeln die Steuererhöhung der Ampel
Ulm / Lesedauer: 5 min

Eva Stoss
Restaurantgäste werden ab Januar wohl tiefer in die Tasche greifen müssen. „Das Rittermahl wird dann statt 43 etwa 50 Euro kosten“, sagt Oliver Spähn voraus, der in Aulendorf das Hotel Arthus und das Restaurant Ritterkeller betreibt.
Eigentlich müssten die Gastwirte seiner Einschätzung nach die Preise noch viel stärker erhöhen, denn die Kosten für Lebensmittel und Energie waren in den vergangenen zwei Jahren die größten Inflationstreiber und auch die Personalkosten sind kräftig gestiegen.
Die von der Ampelregierung beschlossene Rückkehr zur höheren Mehrwertsteuer sei deshalb „enttäuschend und verletzend“, sagt Spähn im Gespräch mit der „Schwäbischen Zeitung“. Er ist nicht der einzige Gastwirt, der hart ins Gericht geht mit der Ampel.
Der Sprung von sieben auf 19 Prozent Mehrwertsteuer für Speisen in Lokalen ab Anfang 2024 stand im Mittelpunkt der Delegiertentagung der Gastrobranche in Ulm. Die Stimmung im Saal war aufgeheizt, die Gastwirte machten ihrem Ärger hörbar Luft.
Rund 2000 Betriebe in BaWü stehen vor dem Aus
Frust und Wut haben einen klaren Adressaten. Trotz der monatelangen Kampagne des Verbands Dehoga, mit der die Gastronomie auf ihre seit der Corona-Krise schwierige Situation aufmerksam machte und fast schon mantrahaft den Untergang vieler Betriebe beschwor, haben die Koalitionsspitzen vergangene Woche erklärt, die Steuerermäßigung nicht zu verlängern.
Fritz EngelhardtWir sind bitter enttäuscht.
Rund 2000 Betriebe in Baden-Württemberg dürfte das in die Knie zwingen, rechnet der Verband. Sie müssten aufgeben, weil die Gäste wegbleiben, wenn die Preise steigen. Die Gastwirte sehen sich dazu gezwungen, denn die Erträge seien schon heute schmal.
Der Landesverband hat gut 12.000 Mitglieder. Das ist knapp die Hälfte aller Betriebe, jedoch laut Dehoga 80 Prozent des Branchenumsatzes und der Beschäftigten. Rund 250.000 Menschen arbeiten in der baden-württembergischen Hotel- und Gaststättenbranche, Tendenz steigend.
Gastronomen sehen sich als Verlierer
„Wir sind bitter enttäuscht“, sagt der Landesvorsitzende Fritz Engelhardt in seiner Rede vor den Delegierten und rund 200 Gästen der öffentlichen Veranstaltung im Hotel Maritim. Weil nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts im Haushalt 60 Milliarden Euro fehlten, müssten nun die Gastronomen leiden.
Nur zwei Tage vor diesem Urteil hätten die Ampelspitzen noch klar signalisiert, man wolle im Haushaltsausschuss für eine Verlängerung der sieben Prozent stimmen. Diese Abstimmung wie auch das Votum von Bundestag und Bundesrat stehen zwar noch aus, doch die Weichen habe die Politik nun gestellt. „Sie haben sie falsch gestellt“, so Engelhardt: „Der Zug fährt jetzt gegen die Wand.“
Die Politik unterschätze die Folgen der Mehrwertsteuererhöhung, so die Ansicht des Verbands. Denn die Ausdünnung des gastronomischen Angebots wirke sich auch auf den Tourismus aus.
Wenn etwa an dem 32 Kilometer langen Wanderweg auf der Münsinger Alb kein einziges Wirtshaus mehr liege, das tagsüber geöffnet ist, „dann kommt bald kein Wanderer mehr“, so der Dehoga-Vorsitzende.
Auch Kita- und Schulessen betroffen
Auswirkungen hätten Schließungen auch auf die regionalen Lieferanten, wie Bäcker, Metzger und Bierbrauer. Und schließlich treffe die Verteuerung durch die Mehrwertsteuer genauso Betriebsrestaurants, Schul- und Kitaessen.
Die Pläne von Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir, in solchen Mensen mehr regionale Bioprodukte anzubieten, könne man wegen der durch die Mehrwertsteuer verursachten hohen Kosten vergessen.
Nicht nur auf dem Land, wo ein gastronomisches Angebot immer häufiger ganz fehle, seien die Folgen fatal. Auch die Innenstädte würden leiden. Der Einzelhandel, der ohnehin schon unter Druck stehe, bekomme erst recht ein Problem, wenn es künftig immer weniger Gaststätten in der Innenstadt geben sollte.
Zuletzt hatte eine Initiative von Bürgermeistern auf Landesebene für die Fortführung der ermäßigten Mehrwertsteuer getrommelt ‐ erfolglos.
Ein Problem für die Gastronomen sind wachsende Angebote von Lieferdiensten und Essen zum Mitnehmen (To go) in Supermärkten, die weiterhin mit sieben Prozent besteuert werden.
Beim Bürgergeld schlagen die Wogen hoch
Der Zorn der Gastronomen richtet sich auch gegen Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne): „Dass er als einziger Länder-Chef in ganz Deutschland trotz wiederholter Anfragen kein Gespräch mit dem Dehoga darüber führen wollte, ist ein Armutszeugnis“, poltert Engelhardt.
Lautstark wurden Applaus und Zwischenrufe beim Thema „Bürgergeld“. Die FDP hatte als Gegenfinanzierung für die erwarteten Ausfälle bei der Mehrwertsteuer eine Senkung des Bürgergelds gefordert.
Dass sich die Mehrkosten für das höhere Bürgergeld mittlerweile auf bald zehn Milliarden Euro summieren, die rechnerisch rund drei Milliarden Euro Steuerausfälle durch die niedrige Mehrwertsteuer jedoch offenbar nicht zu verschmerzen sind, geht den Gastwirten hörbar gegen den Strich. Mehr noch: Einige befürchten, ein noch höheres Bürgergeld könnte den Personalengpass im Gastgewerbe verschärfen, da sich arbeiten dann immer weniger lohne.
Politiker stellen sich der Kritik
Auf dem Podium mussten die tourismuspolitischen Sprecher der Landtagsfraktionen Stellung beziehen: Theresia Bauer (Grüne), Kathrin Schindele (CDU), Hans-Peter Storz (SPD) und Professor Erik Schweickert (FDP). Sie hatten sich im Vorfeld alle für den Erhalt des reduzierten Mehrwertsteuersatzes starkgemacht.
Fritz Engelhardt19 Prozent von null ist null.
Den Grund für den Misserfolg der Kampagne sehen sie in der ungelösten Frage der Gegenfinanzierung. Außer einer Kürzung des Bürgergelds seien auch eine Erhöhung der Kerosinsteuer und Kürzungen beim sogenannten Dienstwagenprivileg im Gespräch gewesen. Es fehlte offenbar am Willen zur Einigung.
Grünen-Vertreterin Bauer verwies darauf, dass dann auch andere Dienstleistungsbranchen die niedrigere Mehrwertsteuer gefordert hätten. Deshalb habe der Kampagne letztlich „die Durchschlagskraft in der breiten Gesellschaft“ gefehlt.
Diesen Vergleich lässt Engelhardt nicht gelten: „Einen Friseur to go gibt es nicht, Essen to go aber schon“. Die Politiker könnten sich verkalkuliert haben, so der Verbandsvorsitzende. Denn geschlossene Betriebe zahlten gar keine Steuern mehr: „19 Prozent von null ist null.“