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Zündschlüssel

Wirtschaft warnt: Zu spät und zu langsam beim flächendeckenden Internet

Berlin / Lesedauer: 3 min

Ziel beim flächendeckenden Internet praktisch nicht mehr einzuhalten – Scheuer wirbt
Veröffentlicht:17.09.2018, 20:42

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Auf einem Acker in Brandenburg bei Schönewalde: Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer ( CSU ) sitzt in einem orangefarbenen Bagger und sucht den Zündschlüssel. „Nach links!“, ruft der Maschinenführer von außen mehrfach, dann endlich springt der Motor an. Am Baggerarm bewegt sich die Schaufel. Vorsichtig hebt der Minister eine Ladung feinen, braunen Sand auf die Schaufel und kippt sie einen Meter daneben aus. Bei 27 Grad buddelt der Minister am Montag einen Graben, symbolisch für die 92 000 Kilometer Leitungen, die für den Breitbandausbau durch die Republik gezogen werden sollen.

Auf dem abgeernteten Roggenfeld in Brandenburg eröffnet der CSU-Politiker das Projekt „Digitalacker“, mit dem er zeigen will, dass es mit dem schnellen Internet in ländlichen Regionen vorangeht. Das Signal ist dringend nötig: Zahlreiche deutsche Wirtschaftsführer fürchten, dass Deutschland den Anschluss bei der Digitalisierung verpasst. Bis Jahresende hatte die Große Koalition eigentlich versprochen, jeden Privathaushalt mit einer Geschwindigkeit von 50 Mbit auszustatten – bezogen auf die Mindestbandbreite im Download. Bislang verfügen aber erst 83 Prozent über 50 Mbit. In manchen Regionen liegt die Quote sogar deutlich darunter, in Sachsen-Anhalt etwa 59,5 Prozent.

Deswegen nun Scheuers PR-Aktion: Zwei Millionen Haushalte sollen schnellstmöglich angeschlossen werden, der Bund gibt bislang 3,37 Milliarden Euro für 698 Breitband-Projekte. Um die Summen zu versinnbildlichen, hat das Ministerium auf dem „Digitalacker“ eine riesige Deutschlandfahne in Schwarz-Rot-Gold ausgerollt. Darauf aufgespießt 698 Pfähle, einen für jedes lokale Förderprojekt, von Hiddensee in der Ostsee bis nach Markt Obernzell in Niederbayern. „Mein Wahlkreis“, sagt Scheuer, lehnt sich gegen das Schild und grinst in die Kameras. Das Geld soll vor allem jenen Kommunen zugutekommen, die den Ausbau aus eigener Kraft nicht schaffen. „Wir wollen nicht, dass die Schere zwischen einzelnen Kommunen und Landkreisen auseinanderdriftet“, sagte Scheuer. „Deswegen leisten wir unseren Beitrag, um die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse in allen Regionen zu gewährleisten.“

Doch selbst mit den Fördergeldern ist das 100-Prozent-Ziel bei der Netzgeschwindigkeit bis Jahresende praktisch nicht mehr einzuhalten. Bislang sind erst 109 der Bundesprojekte – also weniger als ein Sechstel – überhaupt endgültig bewilligt. Zudem gibt es rechtliche Hürden: Die öffentlichen Ausschreibungen in den Kommunen dauern mindestens ein halbes Jahr, und dann muss ja auch noch gebaut werden. Das ist das nächste Problem: Wegen des Baubooms sind viele Firmen bereits ausgelastet, wegen des Fachkräftemangels fehlen Ressourcen, Aufträge überhaupt anzunehmen.

Der deutschen Wirtschaft geht das aber nicht schnell genug. Europas größte Volkswirtschaft drohe abgehängt zu werden, warnten mehr als 20 Vorstandsvorsitzende deutscher Großunternehmen am Montag im „Handelsblatt“. Zu spät und zu langsam, so der Tenor. „Andere Länder gehen entschlossen voran, Deutschland droht zurückzufallen“, sagte Commerzbank-Vorstand Martin Zielke.

Kritik an Mobilfunk-Verzögerung

Kritik gibt es auch an den Verzögerungen bei der geplanten Versteigerung der Lizenzen für den Mobilfunkstandard der fünften Generation, 5G. „Der zügige Ausbau der nächsten 5G-Mobilfunkgeneration ist entscheidend für das autonome Fahren“, sagte BMW-Entwicklungsvorstand Klaus Fröhlich. Besonders asiatische Märkte seien hier „schneller unterwegs“. Die 5G-Frequenzen sollen Anfang 2019 versteigert werden. Am 24. September will die Bundesnetzagentur die Weichen für die Lizenzvergabe stellen. Ohne Breitband geht es aber auch hier nicht: Für die 5G-Einführung sind Glasfaseranschlüsse bis in alle Gebäude Deutschlands „unverzichtbar“, erklärt Stephan Albers, Vorsitzender des Bundesverbands Breitbandkommunikation. „Wir wollen 5G natürlich zum Fliegen bringen, aber vor 5G ist 4G“, sagte Bundesverkehrsminister Scheuer der „Schwäbischen Zeitung“. „In einer zeitlichen Schnittmenge wollen wir sowohl den Mobilfunkausbau mit 4G hinbekommen als auch Glasfaser für den 5G-Standard legen, damit zum Beispiel autonomes Fahren möglich wird“, so Scheuer. „Die Details werden gerade in den einzelnen parlamentarischen Gremien und in den Beiräten beschlossen.“