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Wenn Verschmutzung etwas kosten würde

Ravensburg / Lesedauer: 5 min

Der Versuch, dem Ausstoß von Kohlenstoffdioxid einen Wert zu geben, ist bislang gescheitert
Veröffentlicht:14.02.2014, 21:00

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Die perfekte Verbindung aus Marktwirtschaft und Umweltschutz sollte er sein – der Handel mit dem Ausstoß von Kohlenstoffdioxid (CO ) . Am Anfang stand das Kyoto-Protokoll von 1997, in dem weltweite Klimaschutzziele festgelegt wurden. In der EU hat man zur Erreichung der Kyoto-Ziele 2003 ein eigenes Handelssystem etabliert, bei dem nicht Staaten, sondern Unternehmen mit ihren Treibhausgasemissionen haushalten sollen. Doch das Vorzeigeprojekt wurde zum Flop. Seitdem es am ersten Januar 2005 an den Start ging, ist der Preis für ein Emissionszertifikat, das zum Ausstoß von einer Tonne Kohlenstoffdioxid (CO ) berechtigt, von 30Euro auf rund vier Euro gefallen. Damit sind die Verschmutzungsrechte so billig geworden, dass sich CO -intensive Braunkohlekraftwerke wieder lohnen.

Was ist schiefgelaufen?

Die EU legte im Jahr 2005 die Anzahl der Zertifikate bis 2012 fest. Doch das war ein Fehler, denn man ging damals noch von einem fortlaufenden Wirtschaftswachstum aus. Aber dann kam 2008 die Wirtschaftskrise. Das Wachstum blieb aus, Produktionsanlagen standen still und der Bedarf an CO -Zertifikaten schrumpfte. Ursprünglich hatte man erwartet, dass sich der Zertifikatepreis bei 15 bis 20Euro einpendeln würde. Doch weit gefehlt. Denn zu den überzähligen Zertifikaten kamen noch die Auslandszertifikate hinzu. Sie waren eigentlich als Notnagel für die Unternehmen gedacht, falls die EU-Emissionsscheine zu teuer würden. Damit hätten sich die Firmen durch die Unterstützung von Klimaprojekten in Dritte-Welt-Ländern Zertifikate für den Handel daheim verdienen können. Alles in allem befinden sich nun etwa zwei Milliarden Emissionsrechte auf dem Markt.

Welcher Preis für ein Zertifikat wäre denn sinnvoll?

Um einen Kraftwerksbetreiber zu einer Verringerung des CO -Ausstoßes zu bewegen, müsste der Preis pro Verschmutzungsschein bei mindestens 20 bis 30 Euro liegen. Die Nachfrage nach CO -Zertifikaten ist jedoch derzeit zu gering. Die Folge: Es sind zu viele Zertifikate im Umlauf, was ihren Preis auf niedrigem Niveau hält. Die Energieökonomin Claudia Kemfert (siehe Interview) hat errechnet, es müssten Zertifikate für 1,4Gigatonnen CO vom Markt genommen werden, um eine sinnvolle Knappheit herzustellen – das entspräche einem Minus von 1,4 Milliarden Zertifikaten. In Berlin und auf EU-Ebene sprach man sich stattdessen nur für die Herausnahme von 900 Millionen Scheinen aus. Damit würde sich der Preis eines Zertifikats gerade mal auf sechs bis neun Euro erhöhen.

Würde der Strompreis durch teurere CO -Zertifikate nicht noch weiter steigen?

Ja und nein. Der Börsenstrompreis würde gewiss steigen und CO -intensive Energieproduzenten, wie zum Beispiel Kohlekraftwerke, unrentabler machen. Denn vor allem deren Produktionskosten würden sich erhöhen. Gleichzeitig würde jedoch auch die EEG-Umlage durch den steigenden Börsenstrompreis wieder sinken (siehe Text oben und Grafik).

Müssen alle Unternehmen bei dem Handel mitmachen?

Nein. Es sind von Anfang an nur einzelne Anlagen – nicht ganze Unternehmen – erfasst, die viel CO ausstoßen. Dazu gehören Kraftwerke ab einer gewissen Größe sowie Anlagen energieintensiver Betriebe, wie Papierwerke, Stahlwerke oder Kokereien. Die EU-weit etwa 11000 Anlagen stehen insgesamt für etwa 50 Prozent des CO -Ausstoßes in der EU.

Wie funktioniert der Handel?

Es wird eine Obergrenze für den CO -Ausstoß in einem bestimmten Zeitraum festgelegt. Für diese Menge an CO werden Berechtigungsscheine ausgestellt (CO -Zertifikate) und versteigert. Das soll den Anreiz erhöhen, die Anlage zu modernisieren und den CO -Ausstoß zu reduzieren. Nicht benötigte Zertifikate können dann verkauft werden. Allerdings wurden zwischen 2005 und 2012 die Zertifikate in Deutschland und auch anderen EU-Ländern zum Großteil an die Unternehmen gemäß ihres bisherigen Verbrauchs verschenkt. Mehrere Versteigerungen musste die Strombörse EEX im vergangenen Jahr absagen, da es keine Nachfrage gab.

Ökonomisch betrachtet soll der Zertifikatehandel den CO -Ausstoß bei den Unternehmen als Kostenfaktor vertreten. Der Kißlegger Fondsmanager, Ökonom und Mathematiker Klaus-Dieter Wild erklärt, dass das Prinzip auch auf andere externe Kosten übertragbar wäre: „Beispielsweise bei der Atomenergie: Sabotagerisiken, Unfallrisiken, Entsorgungskosten. Bei der Verbrennung von Kohle, Gas und Öl sind es die Kosten einer Klimaveränderung: Ernteausfälle, Überflutungen, Brandkatastrophen und die Kosten gesundheitlicher Schäden durch die Luftverschmutzung.“ Das sind Kosten, die in der Regel nicht der Verursacher zu tragen hat, sondern andere. Die Zertifikate wären ein marktkonformes Mittel, dies zu ändern.