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Warum sich die klassische Lebensversicherung nicht mehr lohnt

München / Lesedauer: 3 min

Warum es für Kunden höchste Zeit ist, ihre Verträge gründlich unter die Lupe zu nehmen
Veröffentlicht:16.07.2020, 12:30

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Neben dem Sparbuch sind Versicherungsprodukte der deutschen Sparer liebstes Kind. Knapp 30 Prozent des Geldvermögens der Bundesbürger, so eine Auswertung der DZ Bank, sind bei Versicherungen angelegt. Und laut dem Branchenverband GDV besitzt jeder Deutsche statistisch betrachtet mehr als eine Lebensversicherung.

Dabei werden gerade diese für Sparer immer weniger attraktiv. Infolge der Niedrigzinspolitik der EZB soll der Mindestrechnungszins im kommenden Jahr von derzeit 0,9 auf 0,5 Prozent, vielleicht sogar noch tiefer, sinken. „Allerdings fällt diese Verzinsung nur auf die Sparquote an und das sind, je nach Vertrag, manchmal nicht mehr als 90 Prozent des eingezahlten Kapitals“, erklärt Timo Veeneman , Vermögensbetreuer bei Spiekermann & CO AG in Osnabrück.

Was damit unter dem Strich übrig bleibt, hat Vermögensverwalter Uwe Eilers von der FV Frankfurter Vermögen nachgerechnet. Demnach müsste eine Police bei einem Garantiezins von 0,5 Prozent 40 Jahre lang angespart werden, damit der Kunde auf seinen ursprünglich eingezahlten Betrag kommt. Null Rendite über 40 Jahre bei einer jährlichen Inflation von 1,5 Prozent im Schnitt bedeuten jedoch einen realen Geldverlust von rund 50 Prozent, hat Eilers nachgerechnet. Die Lebensversicherung ist für ihn deshalb auch „klinisch tot“.

Auch für die Anbieter selbst wird dieses Produkt zunehmend unattraktiv. Laut dem Nachrichtendienst Bloomberg denkt die Allianz darüber nach, Teile ihrer italienischen Bestände – Schätzungen zufolge geht es um neun Milliarden Euro – zu verkaufen. Und beim italienischen Versicherer Generali steht demnach das französische Leben-Portfolio zur Disposition.

Doch was bedeutet ein solcher Run-off, wie der Verkauf von Versicherungsbeständen auch genannt wird, für die Versicherten selbst? „Grundsätzlich ändert sich, abgesehen vom Absender auf dem Briefkopf, für die Versicherten erst einmal nichts“, beruhigt Jan Phillip Kühme von der Global-Finanz in Wuppertal. Schließlich darf die aufkaufende Gesellschaft weder am Vertrag noch am Garantiezins drehen.

„Allerdings schließen Kunden eine solche Versicherung langfristig ab und viele dürften das schon als eine Art Vertrauensbruch empfinden“, meint Veeneman. „Dazu kommt, dass sich der Service und die Betreuung oftmals verschlechtern, da solche Abwickler meist Kosten sparen wollen“, ergänzt Kühme.

Eine Widerspruchsmöglichkeit gegen einen solchen Verkauf haben Bestandskunden allerdings nicht. Lediglich die Finanzaufsicht Bafin muss einem solchen Run-off zustimmen. „Auf jeden Fall lohnt es sich, die gesamte Situation als Anlass zu nehmen, um bestehende Verträge einmal gründlich unter die Lupe zu nehmen“, rät Kühme.

Eine allgemeingültige Aussage, was die richtige Reaktion darauf ist, gibt es zwar nicht. Ein grober Anhaltspunkt kann sein, wie lange ein solcher Vertrag bereits läuft. „In der Tendenz ist es so, dass Versicherte ihre Altverträge, die einen hohen Garantiezins bieten und bei denen die oft hohen Abschlusskosten bezahlt sind, weiter laufen lassen“, so Veeneman.

Stellt sich bei einer eingehenden Prüfung heraus, dass sich eine Fortführung des Vertrages nicht lohnt, dann hat der Versicherte zwei Möglichkeiten. Zum einen kann er den Vertrag beitragsfrei stellen, zum anderen kann er seine Police am Zweitmarkt verkaufen. „Das ist in der Regel die bessere Alternative zur Kündigung, da die auf den Aufkauf solcher Versicherungsverträge spe- zialisierten Gesellschaften meist ein paar Prozentpunkte mehr bieten als den Rückkaufswert“, so Veeneman.

Vor allem verdeutlicht diese Situation, dass der Abschluss einer Kapitallebensversicherung derzeit nicht empfehlenswert ist. Die besseren Alternativen für den langfristigen Vermögensaufbau scheint der Kapitalmarkt zu bieten. Wer dort investiert, hat aktuell die besseren Renditechancen und bleibt jederzeit flexibel.