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Rodungsstopp

Warum selbst die Grünen den Tesla-Rodungsstopp in Brandenburg kritisieren

Berlin / Lesedauer: 4 min

Altmaier warnt vor Bauverzögerung – Auch Grüne gegen Klage von Öko-Aktivisten
Veröffentlicht:19.02.2020, 05:00

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Nach dem vorläufigen Rodungsstopp für das geplante Tesla-Werk in Brandenburg wollen Politiker und Unternehmensverbände die Axt an das langwierige Planungsrecht in Deutschland anlegen. Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier ( CDU ) warnte vor starken Verzögerungen des Projekts.

Die Elektroautofabrik sei „von großer Bedeutung für mehr Klimaschutz“ und eine der wichtigsten Industrieansiedlungen in Ostdeutschland seit langer Zeit, sagte Altmaier den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) drängte im Onlinedienst Twitter auf „rasche Rechtsklarheit“ für das Tesla-Projekt in Brandenburg.

Oberverwaltungsgericht prüft Klage

Das Oberverwaltungsgericht (OVG) Berlin-Brandenburg hatte am Wochenende die Rodung von zunächst rund 90 Hektar Wald auf dem Gelände für das Tesla-Werk nach Beschwerden von Umweltschützern vorläufig gestoppt. Das Gericht kündigte dann am Montag eine „zeitnahe“ abschließende Entscheidung an. Diese steht weiterhin aus.

Ob noch diese Woche ein Beschluss falle, konnte eine Sprecherin des OVG am Dienstag zunächst nicht sagen. Die Beschwerdebegründungen und die Erwiderungen müssten vorher rechtlich geprüft werden. Die Frist für Einwendungen beim Landesamt für Umwelt endete am Dienstag.

Tesla umzäunt Fabrikgelände

Tesla will die Produktion in Grünheide bei Berlin im Juli 2021 starten und dort jährlich bis zu 500000 Elektroautos herstellen. Unterdessen zieht der Autobauer um das Gelände einen Zaun. Bäume fällen darf Tesla derzeit nicht, aber der Zaunbau sei im Rahmen der Gestattung durch den Landesforstbetrieb als Noch-Eigentümer erlaubt, sagte Florian Engels, Sprecher der Staatskanzlei Brandenburg.

Jedes neue Projekt wird inzwischen beklagt und in Frage gestellt, ob eine Eisenbahnstrecke oder eine Fabrik für Elektroautos. Das kann so nicht weitergehen.

, CDU Carsten Linnemann

FDP-Fraktionsvize Frank Sitta appelierte im Fall Tesla an die Bundesregierung, „neue Wege“ für Unternehmensansiedlungen abseits von Ballungszentren zu schaffen. Er regte dafür die Ausweisung von „Freiheitszonen“ in ländlichen und strukturschwachen Gegenden an. In diesen Gegenden sollten Verwaltungsprozesse „radikal“ vereinfacht werden. Zudem sollten die örtlichen Behörden Unternehmen von bürokratischen Anforderungen befreien können.

Schnellere Verfahren gefordert

Der Chef der Mittelstands- und Wirtschaftsvereinigung der CDU/CSU, Carsten Linnemann, griff die Klagemöglichkeiten von Verbänden an. „Jedes neue Projekt wird inzwischen beklagt und infrage gestellt, ob eine Eisenbahnstrecke oder eine Fabrik für Elektroautos. Das kann so nicht weitergehen.“ Planungs- und Genehmigungsverfahren müssten „dringend“ beschleunigt werden, forderte Linnemann im „Handelsblatt“. Dazu gehöre auch, Verbandsklagen einzuschränken.

Man muss nicht immer gegen alles sein.

Ramona Pop (Grüne), Wirtschaftssenatorin Berlin

Von den Grünen kam deutliche Kritik an der Grünen Liga Brandenburg, die gegen die Rodung geklagt hatte. „Eine Kiefernholzplantage zum Kampffeld zu machen, ist absurd. Das hat mit Naturschutz nichts zu tun“, sagte Grünen-Fraktionsvize Oliver Krischer dem Berliner „Tagesspiegel“. Auch Berlins grüne Wirtschaftssenatorin Ramona Pop kritisierte den Widerstand gegen die Baumrodung. „Man muss nicht immer gegen alles sein“, sagte sie am Dienstag an die Adresse etwa der Grünen Liga. „Wie abwegig, eine Kieferplantage zu einem Wald zu erklären“, so Pop weiter.

Kritik von allen Seiten

Der Direktor des arbeitgebernahen Instituts der Deutschen Wirtschaft, Michael Hüther, warnte vor Gefahren für den Wirtschaftsstandort Deutschland und forderte zugleich Prämien für schnelles Arbeiten. Es sei generell ein Problem, wenn Investitionen an langen Planungsverfahren, Einsprüchen und Protesten zu scheitern drohten, sagte er der „Neuen Osnabrücker Zeitung“.

Unternehmensverbände nahmen das ihrer Ansicht nach zu langwierige Planungsrecht unter Beschuss. Die Tesla-Fabrik sei „ein Leuchtturm-Projekt“, sagte der Präsident des Bundesverbands mittelständische Wirtschaft, Mario Ohoven, dem „Handelsblatt“. Scheitere das Projekt an Bürokratie und Überregulierung, „wäre das ein katastrophales Signal des Standortes Deutschland an ausländische Investoren“.

Plan- und Genehmigungsverfahren für Unternehmensansiedlungen in Deutschland dauerten „abschreckend lange“, beklagte auch der Vizegeschäftsführer des Deutschen Industrie- und Handelskammertages, Achim Dercks, im „Handelsblatt“.

Aktivisten fürchten um Wasserversorgung

Tesla hat für die Fabrik in Grünheide ein als Industriefläche ausgewiesenes, teils bewaldetes Gelände gekauft. Die endgültige Baugenehmigung ist noch nicht erteilt. Gegen die von Landesamt für Umwelt jüngst erteilte Genehmigung an Tesla, „auf eigenes Risiko“ dennoch schon mit den Arbeiten zu beginnen, legten die Grüne Liga Brandenburg und der Verein für Landschaftspflege und Artenschutz in Bayern Beschwerde ein, woraufhin das Oberverwaltungsgericht den vorläufigen Rodungsstopp verfügte.

Die Grüne Liga sorgt sich vor allem um die Auswirkungen der Fabrik auf die regionale Trinkwasserversorgung. Außerdem fürchtet sie eine Zunahme des Verkehrs auf Schiene und Straße, weil die Fabrik beliefert werden muss und die Beschäftigten dorthin gelangen müssen.