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Trump will es verbieten, Microsoft übernehmen - aber Chinesen denken nicht daran, Tiktok zu verkaufen

Berlin / Lesedauer: 5 min

Videoplattform steht auch wegen Datensammel-Praktik in der Kritik
Veröffentlicht:03.08.2020, 19:48

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Microsoft hat seine Absicht, den US-Ableger der chinesischen Video-App TikTok zu übernehmen, bekräftigt. Der US-Softwaregigant teilte am Sonntag mit, der Konzern verhandle mit dem chinesischen Besitzer ByteDance über den Kauf des US-Geschäfts von TikTok. Microsoft wolle diese Verhandlungen bis spätestens 15. September abschließen. Microsoft-Konzernchef Satya Nadella habe zuvor mit Donald Trump gesprochen. Der US-Präsident hatte im Vorfeld gedroht, die Videoplattform verbieten zu lassen.

Zu den Beweggründen Trumps wird viel spekuliert. Eine Geschichte zum Hintergrund verbreitete sich im Juni allerdings rasant in den amerikanischen Medien. Zu einer von Donald Trumps Großveranstaltungen in einem Sportstadion kamen nur 6200 Zuschauer, statt, wie vorher vom Stab des Präsidenten großmäulig angekündigt, eine Million begeisterter Anhänger. Die Organisatoren der Kundgebung in Oklahoma hatten vorsorglich Videoleinwände auf öffentlichen Plätzen für diejenigen aufstellen lassen, die nicht mehr ins Stadion passen. Stattdessen war selbst drinnen ein Drittel der Plätze leer, Trump soll schwer enttäuscht gewesen sein.

Vor allem bei Jugendlichen ist die TikTok-App beliebt. Der Software-Riese Microsoft strebt eine Übernahme des US-Geschäfts und weiterer Aktivitäten der internationalen Videoplattform an.

Der Grund war schnell ausgemacht: Jugendliche hatten im Vorfeld auf TikTok einen Aufruf verbreitet, möglichst viele Tickets zum Schein online vorzubestellen. Durch ihre große Zahl haben sie die echten Trump-Fans möglicherweise verdrängt. Der Streich auf dem Social-Media-Kanal könnte nun zum Politikum mit globalen Konsequenzen werden. Denn das Manöver hat Trumps Aufmerksamkeit auf die Software gelenkt, mit der sich sonst Kinder und Jugendliche beim Singen und Tanzen filmen.

Trump will die App nun verbieten lassen.

Sein Argument: TikTok gehört der Technikfirma ByteDance aus Peking, also einem chinesischen Unternehmen. Die Chinesen, so Trump, erhalten damit Zugriff auf die persönlichen Daten junger Amerikaner. US-Außenminister Mike Pompeo kündigte für die kommenden Tage eine „entsprechende Maßnahme“ des Präsidenten an. Die App leite „Daten direkt an die chinesische Kommunistische Partei weiter, die können dann ihre Gesichtserkennung darüberlaufen lassen“, sagt Pompeo dem Sender Fox News.

Der US-Softwarekonzern Microsoft äußerte am Wochenende Interesse daran, das US-Geschäft von TikTok zu übernehmen und es so zu erhalten. Die politischen Unterstützer Trumps feierten das bereits als Sieg für den Standort USA. Doch bisher ist höchst unsicher, ob das Manöver Erfolg hat. Es ist rechtlich nicht geklärt, wie sich in den USA eine App verbieten lässt, deren Betrieb durch ein amerikanisches Unternehmen erfolgt, das bloß Tochtergesellschaft einer chinesischen Holding ist.

Das Verbot wäre bei jüngeren, technikfreudigen Amerikanern zudem erkennbar unpopulär. Die App zählt dort über 100 Millionen aktive Nutzer. Die Inhalte auf TikTok sind überwiegend witzig, mit Herzblut gemacht und harmlos. Einige der Berühmtheiten auf der Plattform leben bereits hauptberuflich von ihrem Kanal. Kein Wunder, dass sie jetzt ihren ganzen Einfluss gegen Trump und für den Erhalt des Dienstes nutzen.

800 Millionen aktive Nutzer

Außerdem deutet ByteDance derzeit an, nicht verkaufen zu wollen. Dass Microsoft sich den Dienst gerne schnappen würde, passt dagegen gut ins Bild. Zwei Milliarden Mal wurde TikTok außerhalb Chinas schon aus den App-Stores von Android und Apple heruntergeladen. Immerhin 800 Millionen der installierten Apps werden auch regelmäßig bespielt. Das Unternehmen selbst veröffentlicht keine Statistik zum Alter der Nutzer, aber es ist klar, dass die Mehrheit unter 24 Jahren alt ist. Das ist die junge Zielgruppe, die der Konzern hinter dem altbackenen Word und Windows gerne für die Zukunft an sich binden möchte.

TikTok ist ein Sozialmedium, also eine Software, mit der sich die Nutzer persönliche Inhalte gegenseitig zeigen können. Die App fällt damit ins gleiche Genre wie Facebook oder YouTube. Die Hauptanwendung ist das Teilen von kurzen, launigen Videos mit Musik – das erklärt, warum die App rund um den Planeten bei Kindern so unglaublich beliebt ist. Sie können sich auch gegenseitig Nachrichten schreiben und weiterleiten.

Die offizielle Zahl der Nutzer von TikTok für Deutschland wird nach Unternehmensangaben nicht erfasst. Ende Juni war es aber die am meisten heruntergeladene App nach der Corona-Warn-App. Unter den Social-Media-Plattformen kommt Wettbewerber WhatsApp erst auf Rang 7.

Kritik an TikTok gibt es auch in Deutschland.

Das Portal Netzpolitik.org berichtet von Sicherheitslücken und großer Neugier des Konzerns an Smartphone-Inhalten der Nutzer. In der Vergangenheit hat die App auch China-kritische Botschaften gelöscht und LGBTQI-Inhalte (eine englische Abkürzung für lesbisch, schwul, bisexuell, trans, queer und intersexuell) zensiert. Auch die EU-Datenschützer haben angesichts der jungen Zielgruppe angekündigt, sich näher mit TikTok zu beschäftigen. Die Niederlande haben bereits ihre eigene Untersuchung gestartet, Indien hat TikTok bereits verboten.

Doch bei näherem Hinsehen ist TikTok nach Expertenmeinung nicht schlimmer als andere Apps, nur erfolgreicher. Datenschützer sehen bei den Produkten von US-Softwareunternehmen eine schlimmere Datensammelei. Das Unternehmen versichert derweil, dass die Informationen der jungen Nutzer nicht nach China wandern. Für die USA bleiben sie vor Ort bei der dortigen Tochtergesellschaft, für Deutschland sei das Unternehmen TikTok Technology in Irland zuständig, sagte eine Sprecherin.

Ein Datenaustausch finde nur mit der Niederlassung in Singapur statt. Das ist insofern glaubwürdig, als die internationale Version von TikTok durch den Zukauf des bestehenden Dienstes Musical.ly entstanden ist. ByteDance hat sie mit dem eigenen Dienst Douyin kombiniert, den Strukturen außerhalb Chinas jedoch ihre Unabhängigkeit gelassen.

Die aktuelle Kritik an TikTok ist in Trump-typischer Weise schlecht begründet und riecht nach einem politischen Manöver. Ähnlich verhält es sich mit dem Verbot in Indien. Die Regierung dort hat außer TikTok 58 weitere chinesische Apps verboten, nachdem ein Grenzkonflikt mit dem größeren Nachbarn eskaliert war. Bei Trump fällt es zudem leicht, ihm persönliche Rachsucht wegen der gescheiterten Mega-Veranstaltung in Oklahoma zu unterstellen. Im Wahlkampf braucht der US-Präsident zudem Ablenkung von seiner desaströsen Corona-Politik. Eine neue Runde im Handelskrieg mit China, das er auch für das Virus verantwortlich macht, kommt da sehr gelegen.