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Südwesten

Schweiz lockt mit hohen Löhnen

Wirtschaft / Lesedauer: 4 min

Deutsche Grenzregion profitiert vom erstarkten Franken
Veröffentlicht:19.01.2015, 19:04

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Während im Südwesten Deutschlands zunehmend über Fachkräftemangel geklagt wird, pendeln immer mehr Deutsche in die Schweiz, um dort zu arbeiten. Ein Trend, der sich nach Ansicht von Regionalökonom Roland Scherer weiterhin verschärft: „Seit der Finanzkrise hat die Zahl der deutschen Arbeitnehmer in der Schweiz deutlich zugenommen.“

Insgesamt sind es 60000 Deutsche die regelmäßig in der Schweiz arbeiten – knapp 45000 davon stammen aus den südlichen Landkreisen Baden-Württembergs (siehe Grafik oben).

Als Grund für die Zunahme nennt der Forscher vom Insititut für Systemisches Management und Public Governance (IMP) an der Universität St. Gallen vor allem den starken Franken: „Bis vor der Finanzkrise waren die Verdienste aufgrund des Wechselkurses zum Euro in der Schweiz auch schon höher“, erklärt Scherer. Aber man habe dafür auch mehr arbeiten müssen: weniger Feiertage, weniger Urlaub. Unterm Strich gab es also auf die Stunde umgerechnet kaum mehr Lohn. Doch seitdem der Euro ständig an Wert verliert, habe sich das verändert: „In den letzten Jahren ist das Gehalt in der Schweiz auch bei angenommener gleicher Arbeitszeit um 20 Prozent höher gewesen als in Deutschland.“

Pluspunkt für den Arbeitsmarkt

Seit Donnerstag vergangener Woche hat sich diese Situation noch einmal dramatisch zugespitzt. Denn an diesem Tag hatte die Schweizer Nationalbank ( SNB ) ihre Kursbindung an den Euro aufgegeben. Der Frankenkurs schnellte daraufhin in die Höhe.

Was für die Schweizer Wirtschaft ein schwerer Schlag ist, ist es nicht unbedingt für den Schweizer Arbeitsmarkt. Denn die eidgenössischen Unternehmen suchen gezielt nach deutschen Fachkräften und Führungspersonen. „In der Schweiz fehlen sehr stark leistungsbereite Personen in den Berufen des Managements, der Administration, des Gesundheitswesens, der Technik und der Informatik“, zählt Headhunter Guido Schilling aus Zürich auf. Vom Arzt bis zum Heizungstechniker, Buchhalter, Krippenleiter oder Tiefbautechniker – in vielen Fachbereichen mangelt es dem Standort Schweiz an Personal. Doch deutsche Unternehmen brauchen sich nicht vor einem anhaltenden Fachkräfte-Abzug in die Schweiz zu fürchten. Denn mittelfristig gesehen könnte der Frankenauftrieb nach hinten losgehen: Für die Exportbranche der Eidgenossen sieht es düster aus. Der starke Franken verteuert ihre Waren im Ausland. Das könnte die Schweizer Unternehmen über kurz oder lang zum Sparen zwingen. Gespart wird immer gerne am Personal.

Deutsche Seite profitiert

Gleichzeitig steigt aber auch die Kaufkraft des Franken. Das freut grenznah wohnende Schweizer. Sie kamen schon seit jeher gerne für einen günstigen Einkauf oder einen Restaurant- oder Kinobesuch. Jetzt wird sich dieser Effekt verstärken. Davon sind der Gaststättenverband Dehoga und auch die IHKs im Südwesten überzeugt. So haben beispielsweise die Einzelhändler in der Grenzregion am Bodensee deutliche Umsatzzuwächse durch Schweizer Kunden erwartet. Am Montag zeigte sich nach Recherchen der „Schwäbischen Zeitung“: Nur vereinzelt sind diese Erwartungen eingetroffen. So meldete etwa der Konstanzer Lebensmittelhändler Edeka Baur, dass nur in einem grenznahen Supermarkt mehr Schweizer Kunden und mehr Umsätze gezählt worden seien. Weitere Händler in Konstanz und Friedrichshafen hätten keine Steigerung bemerkt.

Auch jenseits der Seeregion gehen die Wirtschaftsakteure davon aus, vom derzeit starken Kurs des Schweizer Frankens zu profitieren – vor allem im Bereich des Gastgewerbes. Bernd Dahringer, Dehoga-Geschäftsführer der Region Bodensee-Oberschwaben: „Wir sind fest davon überzeugt, dass wir auch in Ravensburg verstärkt Schweizer in der Stadt antreffen werden.“ Im Einzelhandel ist man ebenso zuversichtlich. Eugen Müller, Geschäftsführer des Wirtschaftsforums Pro Ravensburg, glaubt, dass hier verstärkt Schweizer Kunden einkaufen werden. „Wir möchten jetzt in der Ostschweiz Anzeigen schalten und Ravensburg als attraktive Einkaufsstadt präsentieren“, kündigte er an.

Verhängnisvolle Franken-Darlehen

Viele Banken und Sparkassen haben Kunden mit Franken-Darlehen gelockt. Die genossenschaftliche Spar- und Kreditbank Karlsruhe etwa sprach von einem „cleveren Finanzierungsbaustein“, die Sparkasse Lörrach pries Baukredite in Schweizer Währung als „interessante Alternative zur klassischen Euro-Finanzierung“. Auch in Vorarlberg waren solche Kredite beliebt, Zehntausende Österreicher borgten sich Franken. Jetzt erweisen sich diese Darlehen als Fiasko. „Jeder Kreditnehmer hat jetzt einen 20 Prozent teureren Kredit zu bedienen. Egal ob Kommune oder Privatperson – die monatliche Rate und die Gesamtsumme ist gestiegen“, sagt Lothar Koch, Portfoliomanager bei der GSAM + Spee Asset Management AG, Langballig. „Wer vorher das niedrige Zinsniveau der Schweiz nutzen wollte, hat jetzt die Konsequenz des Währungsrisikos zu tragen.“ Kreditnehmer sollten jetzt prüfen, ob ihr Vertrag es gestatte, das Darlehen bei Währungsschwankungen vorzeitig ohne Vorfälligkeitsentschädigung abzulösen. „Ist das nicht möglich, muss der Kreditnehmer in den sauren Apfel beißen.“ Koch erwartet, dass Kredite ausfallen – vor allem Hausfinanzierungen. (str)

Kommunen leiden

Deutsche Kommunen haben sich in den vergangenen Jahren in großer Zahl mit billigen Zinskonditionen in Schweizer-Franken-Kredite locken lassen. Wie sich jetzt herausstellt, sind sie damit ein hohes Währungsrisiko eingegangen. So auch die Stadt Riedlingen (Landkreis Biberach). Der plötzliche Kursanstieg der Schweizer Währung kostet die Stadt 245000 Euro, wie die „Schwäbische Zeitung“ recherchierte. Die Kommune hatte sich zwischen 1999 2007 günstige Franken-Darlehen für ihr Wasser-Abwasserwerk besorgt. (uno)