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Bleiberecht

Südwest-Unternehmer kritisieren politische Einigung im Streit um Geflüchtete mit Job

Ravensburg / Lesedauer: 4 min

Es sei kein konkretes Zugeständnis, findet Antje von Dewitz, Chefin des Bergsportausrüsters Vaude, mit Blick auf die Einigung beim Bleiberecht zwischen Grünen und CDU in Baden-Württemberg.
Veröffentlicht:04.03.2020, 19:54

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Es sei kein konkretes Zugeständnis, findet Antje von Dewitz, Chefin des Bergsportausrüsters Vaude, mit Blick auf die Einigung beim Bleiberecht zwischen Grünen und CDU in Baden-Württemberg.

Von Dewitz setzt sich gemeinsam mit der baden-württembergischen Initiative „Bleiberecht durch Arbeit“ dafür ein, dass Geflüchtete, die eine Arbeit haben, in Deutschland bleiben dürfen. Der Initiative gehören rund 150 Unternehmen an und sie hatte zuletzt immer wieder Druck auf die Politik ausgeübt.

Nach monatelangem Ringen hatten sich Grüne und CDU am Dienstag dann auf einen Kompromiss in Bezug auf abgelehnte Asylbewerber geeinigt, die einen festen Job haben. Dazu gehört, dass Baden-Württemberg eine Bundesratsinitiative einreichen will, um bessere Bleibeperspektiven zu schaffen.

Zum anderen sieht die Einigung vor, dass Betroffene an die Härtefallkommission des Landes verwiesen werden, wodurch sich ihre Abschiebung faktisch verzögert. Und weiterhin sieht die Regelung vor, dass – wenn es rechtlich möglich ist – zunächst abgelehnte Asylbewerber abgeschoben werden, die keine Arbeit haben, bevor auf diejenigen geblickt wird, die eine Arbeit haben.

Für Unternehmer verändere sich erstmal nichts

Die Vaude-Chefin kommentiert die Regelungen zurückhaltend: „Es ist schön, dass Grüne und CDU den Streit beilegen, aber für uns als Arbeitgeber und für unsere geflüchteten Mitarbeiter verändert sich auf den ersten Blick erst mal nichts“, sagt von Dewitz. Die Regelung, dass zunächst abgelehnte Asylbewerber abgeschoben werden sollen, die keine Arbeit haben, gebe keine Sicherheit. „Das ist nichts, worauf ich mich berufen kann“, sagt von Dewitz.

Auch die Lösung mit der Härtefallkommission sieht von Dewitz kritisch. Davon seien nur diejenigen Geflüchteten eingeschlossen, die bis Februar 2016 ins Land gekommen seien. Die Beschäftigungsduldung, die die Geflüchteten anstreben und bei der aus Sicht der Initiative zu hohe Hürden bestehen, gilt laut Bundesgesetz aber auch für Menschen, die noch nach Februar 2016 – nämlich bis August 2018 – ins Land gekommen sind, „und damit gehe ich davon aus, dass damit der Großteil der Menschen schon wieder rausfällt.“ Die Bundesgesetzgebung der Beschäftigungsduldung sei am Ende kaum erreichbar.

Das Beschäftigungsduldungsgesetz ist am 1. Januar 2020 in Kraft getreten. Für das Gesetz ist der Bund zuständig, die Unternehmerinitiative kritisiert die Ausführung auf Landesebene. Das Bundesgesetz sieht vor: Nur Geflüchtete, die 18 Monate Vollzeit gearbeitet und in dieser Zeit straffrei gelebt haben und für ihren Lebensunterhalt selbst sorgen können, kommen für diese Duldung infrage. Entscheidende Voraussetzung dafür ist aber wieder eine zwölfmonatige Vorduldung, die beginnt, wenn der Asylantrag abgelehnt ist. Von da an muss der Geflüchtete allerdings damit rechnen, abgeschoben zu werden, sobald Pass- und Identitätsfragen geklärt sind. Für Arbeitgeber und -nehmer entsteht eine Unsicherheit.

Markus Winter ist Geschäftsführer des Industriedienstleisters IDS mit Sitz in Unteressendorf bei Biberach und so wie Antje von Dewitz Teil der Unternehmerinitiative „Bleiberecht durch Arbeit“. Er begrüßt zunächst die Einigung von CDU und Grünen. „Der Schritt geht in die richtige Richtung“, sagt Winter, „er zeigt, dass man sich bewegen möchte, dass man die Bedürfnisse der Unternehmen ernst nimmt.“

Aber Winter sieht wie von Dewitz ein großes Manko in Bezug auf die Härtefallregelung: „Nur ein Teil der Geflüchteten fällt unter den Kompromiss – nur die, die zwischen September 2015 und dem 29. Februar 2016 eingereist sind.“

Laut Unternehmern noch vieles ungeklärt

Außerdem seien bei der Härtefallkommission noch einige Dinge ungeklärt: „Zwar können sich die Geflüchteten an die Kommission wenden, wenn Abschiebung droht – und solange die Härtefallkommission entscheidet, so lange wird nicht abgeschoben. Das hat aufschiebenden Charakter und wird manchem Geflüchteten helfen, die zwölf Monate Vorduldung voll zu machen. Aber wenn die Härtefallkommission positiv entscheidet, ist unklar, welchen Status der Geflüchtete im Anschluss hat. Hat er dann eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis?“ Das sei schwammig und müsse geklärt werden, findet Winter.

Winter und von Dewitz kritisieren einstimmig die Kompliziertheit der getroffenen Vereinbarung. In Bezug auf die Härtefallregelung, die eben nur bei Menschen, die vor Februar 2016 ins Land gekommen sind, angewandt werden kann, sagt von Dewitz: „Dort werden so viele Tücken in die Gesetzestexte verflochten, das ist für mich nicht mehr nachvollziehbar.“ Ihrer Ansicht nach sei Politik da, um zu gestalten. „Und mir kommt es so vor, dass Politik in dieser Sache vor allem behindert.“