StartseiteWirtschaftIn Vorarlberg soll am Lünersee ein gigantisches Pumpspeicherwerk entstehen

Pumpspeicherwerk

In Vorarlberg soll am Lünersee ein gigantisches Pumpspeicherwerk entstehen

Bregenz / Lesedauer: 5 min

In Vorarlberg soll ein weiteres riesiges Pumpspeicherwerk entstehen – Profitieren würde auch der Südwesten
Veröffentlicht:18.10.2021, 09:00

Von:
Artikel teilen:

Gigantismus in Vorarlberg: Das dortige Energieunternehmen Illwerke/vkw denkt an ein neues Pumpspeicherwerk. Rund 1000 Megawatt Leistung im Turbinen- wie im Pumpbetrieb sind anvisiert. In Mitteleuropa existiert bisher in dieser Größe nichts Vergleichbares. Für Baden-Württemberg ist das Projekt insofern von Bedeutung, als dass das Land die Speichermöglichkeiten der Illwerke für die Energiewende benötigt.

Das anvisierte Werk würde den Namen Lünersee II erhalten und rund zwei Milliarden Euro kosten. „Es übertrifft in seiner Dimension alle bestehenden Anlagen“, bestätigt Christof Germann , einer der beiden Vorstände der Illwerke/vkw. Nicht einmal die beiden modernsten und größten Pumpspeicherwerke des Unternehmens, das Kopswerk II und das Obervermuntwerk II im hinteren Montafon, würden zusammen die Leistung erreichen.

43 Prozent mehr Leistung

Lünersee II soll sein Wasser aus dem gleichnamigen, bei Bergwanderern gut bekannten Gebirgsgewässer erhalten. Es liegt ganz hinten im Brandnertal am Fuß der Schesaplana. 1959 war dort eine Staumauer gebaut worden, um die Speicherkapazität des ursprünglichen Sees steigern zu können. Dies diente seinerzeit dazu, um zuverlässiger Wasser für die in den 1940er- und 1950er-Jahren fertiggestellten Werke bei Latschau und Vandans im Montafon bereitzustellen. Wobei das Latschauer Pumpspeicherwerk die Bezeichnung Lünersee erhielt und nun als Lünersee I bezeichnet wird. Die Zuleitung dorthin führt über Stollen und Druckrohre durch die Berge. Die Fallhöhe beträgt 974 Meter.

Beim neuen Werk könnte das Wasser über unterirdische Verbindungen 1300 Meter herunter in die Turbinen schießen. Diese enorme Fallhöhe ergibt die hohe Leistung des neuen Kraftwerks. „Mit dem Lünerseewerk II erhöhen wir unsere Turbinenleistung um rund 43 Prozent und unsere Pumpleistung sogar um 74 Prozent“, berichtet der Vorsitzende des Aufsichtsrats der Illwerke/vkw, Ludwig Summer.

Das Projekt würde bei einer Umsetzung davon profitieren, dass sichtbare Eingriffe in die Umwelt gering wären. Der Großteil der neu zu errichtenden Anlagen ist unterirdisch vorgesehen. Darunter sind ein rund acht Kilometer langer Druckstollen, ein zwei Kilometer umfassender Druckschacht sowie das Wasserschloss. Einige Berge werden dabei unterquert, so die bekannte 2643 Meter hohe Zimba, wegen ihrer Pyramidenform auch Montafoner Matterhorn genannt.

Die ansonsten benötigte Infrastruktur ist weitgehend vorhanden. Dies gilt nicht nur für den Lünersee, sondern auch für die Umspannanlage Bürs am Eingang zum Montafon sowie für den sogenannten Walgaustollen. Über ihn wäre Lünersee II hydraulisch an die bestehende Kraftwerksgruppe bei Vandans und Latschau angeschlossen. Konkret würde dies bedeuten, dass das durch Lünersee II geflossene Wasser für eine Wiederwendung nicht nur zurück in den Lünersee gepumpt werden könnte, sondern ebenso zu der besagten Kraftwerksgruppe.

Wasser wird mit billigem Strom nach oben gepumpt

Sinn der Pumpspeicherwerke ist es, Wasser mehrmals zu nutzen, um von niedrigen natürlichen Wasserständen unabhängig zu werden. So beruht der Löwenanteil des Geschäftsmodells der Illwerke/vkw darauf, Strom günstig einzukaufen. Mit ihm wird Wasser in die oberen Staubecken gepumpt. Dort wirkt es wie ein Speichermedium für Energie. Braucht ein Kunde wiederum Strom, lässt das Unternehmen das Wasser durch die Turbinen laufen und verlangt teures Geld dafür. Früher ging es dabei eher ums Abdecken von Stromspitzen, etwa zur Mittagszeit, wenn gekocht wurde. Heutzutage spielt Regelenergie eine immer größere Rolle. Sie dient dazu, Versorgungs- oder Leistungsschwankungen bei Solar- und Windstrom aufzufangen. Stromverbrauch und -erzeugung müssen sich in der Waage halten. Ansonsten bricht die Energieversorgung zusammen.

„Ein Hunger nach Flexibilität ist absehbar“, beschreibt der weitere Illwerke-Vorstand Helmut Memmel den Wunsch, damit zurechtzukommen, wenn mal keine Sonne auf Solarpanels scheint oder Windräder stillstehen. Deshalb geht das zu rund 95 Prozent im Besitz des Landes Vorarlberg befindliche Unternehmen offenbar von einer Rentabilität des Projektes aus. In der Vergangenheit sind Illwerke/vkw zunehmend gewachsen. Fast 1300 Mitarbeiter zählt es inzwischen. Der Jahresumsatz 2020 lag bei 679 Millionen Euro. Die Finanzierung von Lünersee II wird als machbar angesehen, zumal die politische Unterstützung vorhanden ist.

Baden-Württemberg braucht die Kapazitäten in Vorarlberg dringend

In der Vorarlberger Landesregierung sieht der für Klimaschutz zuständige Landesrat Johannes Rauch (Grüne) das neue Werk sogar als „Schlüsselprojekt für die europäische Energiewende“. Wobei die Vorarlberger Pumpspeicherwerke für die Energiewende in Baden-Württemberg schon länger essenziell sind. Der deutsche Südwesten hat bisher keine allzu großen Speichermöglichkeiten. Der Bau eines Pumpspeicherwerks im Südschwarzwald ist vor wenigen Jahren wegen Widerstands aus der Bevölkerung gescheitert.

Die EnBW setzt deshalb auf die Illwerke. Durch ihre Vorläuferunternehmen kooperiert der Karlsruher Versorger seit knapp 100 Jahren mit den Vorarlbergern. In den vergangenen zehn Jahren wurden drei Pumpspeicherprojekte gemeinsam umgesetzt – zuletzt das Obervermuntwerk II im hinteren Montafon. An dessen Finanzierung beteiligt sich der Konzern, der dem Land Baden-Württemberg über seine Beteiligungsgesellschaft Neckarpri und dem Zweckverband Oberschwäbische Elektrizitätswerke (OEW), ein Zusammenschluss von neun Landkreisen im südlichen Baden-Württemberg, gehört, über die Jahreskosten. Die EnBW bezieht vertraglich vereinbart bis 2041 die Hälfte der Energie aus den Kraftwerken der Illwerke/vkw. Nach den vorliegenden Informationen hat es auch bereits schon im Zusammenhang mit Lünersee II Kontakte zwischen beiden Unternehmen gegeben.

Nun wollen die Illwerke/vkw die bestehende Idee bis Ende 2024 zu einem im Sinne des Umweltschutzes genehmigungsfähigen Projekt weiterentwickeln. Ein Baubeginn wäre dann 2031 möglich, heißt es. Die Inbetriebnahme könnte für 2037 oder 2038 anvisiert werden.