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Frauen arbeiten 87 Minuten mehr am Tag

Wirtschaft / Lesedauer: 3 min

Küche, Kita, Kinder – nach der Arbeit geht bei Frauen der Stress oft erst los
Veröffentlicht:07.03.2017, 19:27

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Nach der Arbeit die Kinder in die Kita bringen, in der Mittagspause den Pflegedienst für den bettlägrigen Vater organisieren, abends noch zur Sitzung des Nachbarschaftsvereins. Dazwischen Wäsche waschen, Betten machen, saugen. Nach der Arbeit bringen Frauen noch immer mehr Zeit für die Versorgung anderer auf als Männer. Ein Gutachten hält die Gleichstellungsziele in Deutschland für längst nicht erreicht. Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig ( SPD ) dringt auf neue Gesetze.

Die sogenannte „Sorgearbeit“ erledigen immer noch hauptsächlich Frauen. Laut einem Sachverständigen-Gutachten leisten Frauen in Deutschland 52 Prozent mehr dieser unbezahlten Arbeit als Männer. Das sind 87 Minuten, jeden Tag, gratis.

Frauen erledigen nicht nur unbezahlt Haushalt oder die Betreuung der Kinder. Weibliche Beschäftigte verdienen pro Stunde und auch über den Lebenslauf hinweg deutlich weniger als ihre männlichen Kollegen. Die Entgeltlücke beträgt im Durchschnitt Schätzungen zufolge rund 21Prozent. Bis zur Gleichstellung von Männern und Frauen ist es noch ein weiter Weg, so das Fazit der Gutachter. Die Sachverständigenkommission unter der Vorsitzenden Eva Kocher fordert, dass Erwerbs- und Sorgearbeit zusammengedacht werden müssen. „Alle Menschen sollen jederzeit und unabhängig von ihrem Geschlecht die Möglichkeit haben, private Sorgearbeit zusammen mit Erwerbsarbeit zu leben“, sagt die Wissenschaftlerin.

Ministerin plant neue Gesetze

Die Kommission hat Bundesfrauenministerin Manuela Schwesig einen klaren Auftrag für mehr Gleichberechtigung erteilt. Die Ministerin will gegensteuern. Etwa mit einem Gesetz für mehr Lohntransparenz, das derzeit im parlamentarischen Verfahren hängt. Oder mit einem Familiengeld. Eltern, die ihre Arbeitszeit verkürzen, um mehr Zeit für ihre Kinder zu haben, sollen – nach dem Willen Schwesigs – 300 Euro pro Monat für bis zu 24 Monate erhalten. Damit könnten Frauen früher in den Job zurückkehren und Männer die Chance erhalten, mehr als der Papa für den Gute-Nacht-Kuss zu sein. Einen entsprechenden Gesetzesentwurf will Schwesig noch vor der Bundestagswahl vorlegen.

Auch bei der Aufwertung sozialer Berufe macht die SPD-Politikerin Druck. Seit knapp einem Jahr gibt es Streit zwischen Union und den Sozialdemokraten über einen Gesetzesentwurf, der die Ausbildung zu Altenpfleger oder Krankenschwester reformieren soll. Im Kern geht es um eine Zusammenlegung von Ausbildungsinhalten. Das bedeutet auch, dass die Pfleger im Heim durch das Gesetz mehr verdienen sollen. Kritik an den Plänen für eine generalistische Ausbildung kommt vor allem aus der Union. Ob eine Einigung in dieser Legislaturperiode zustande kommt, ist fraglich.

Unternehmen sind skeptisch

Im Gutachten loben die Gleichstellungs-Experten zudem die Pläne für eine befristete Teilzeit. Der Gesetzesentwurf von Schwesigs Parteikollegin, Arbeitsministerin Andrea Nahles, ist derzeit in der Ressortabstimmung. Dass nur wenige Mütter mit Kleinkindern in Vollzeit arbeiten, zeigen aktuelle Zahlen des Statistischen Bundesamtes. Nur zehn Prozent der Frauen mit Kindern unter drei Jahren hatten 2015 einen Vollzeitjob. Dagegen arbeiteten 83 Prozent der Väter voll.

Kommt das Gesetz durch, könnten Beschäftigte für eine bestimmte Zeit ihre Arbeit reduzieren und hätten nach Ablauf der Frist ein Rückkehrrecht auf ihre volle Stelle. Auf Widerstand in der Union und in der Wirtschaft stößt derzeit vor allem die Betriebsgröße. Laut aktuellem Entwurf soll das Gesetz für Firmen ab 15 Mitarbeitern gelten. Die Firmen glauben jedoch nicht, dass kleine Betriebe das Gesetz umsetzen können.