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Erfolg per Knopfdruck

Berg / Lesedauer: 4 min

Vom Mittelständler zum Weltunternehmen – Mit der Fritz-Box des Elektronikunternehmens Rafi geht heute jeder Zweite ins Netz
Veröffentlicht:21.08.2013, 19:15

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Wer bei dem Elektronikunternehmen Rafi die Inhaber Albert Wasmeier und Gerhard Schenk besucht, der kommt auf dem Weg zu ihnen mindestens mit drei ihrer Produkte in Berührung: Er drückt im Aufzug die Taste für die zweite Etage, er schaltet im Konferenzraum über ein Bedienpanel das Licht ein und brüht sich am Automaten per Knopfdruck einen Kaffee. Schalter, Knöpfe, Joysticks, Tastaturen – Wasmeier nennt das „Mensch-Maschine-Kommunikation“, und die ist heute allgegenwärtig.

Wasmeier (62) und Schenk (57) leiten Rafi in der Gemeinde Berg ( Landkreis Ravensburg ). Wasmeier ist der Tüftler, Schenk der Mann für die Zahlen. Wichtige Entscheidungen treffen sie gemeinsam. Wasmeier klickt auf einem Flachbildschirm durch die Firmenpräsentation.

Gegründet wurde das Unternehmen im Jahr 1900 von Ernst Bucher als „Institut für Elektrotechnik, Optik & Mechanik“, in dem Raimund Finsterhölzl ein leitender Mitarbeiter war. 1908 wurde Finsterhölzl Inhaber und änderte den Firmennamen in Rafi: die Anfangsbuchstaben von Raimund Finsterhölzl.

Damals standen in den Werkshallen der deutschen Industrie monströse EDV-Anlagen in klobigen Schränken. Rafi stellte die Bedieneinheiten dafür her, zu jener Zeit noch mit Tasten so groß wie Duplo-Klötze, nicht gerade benutzerfreundlich. Also machte Rafi die Tastaturen flach, was technisch nicht ganz einfach war und deshalb eine Revolution. „Wir waren damals die einzigen, die das konnten“, sagt Wasmeier. Die Tastaturen katapultierten das Unternehmen von 38 Millionen D-Mark Umsatz und knapp 600 Mitarbeitern im Jahr 1975 auf 63 Millionen D-Mark und rund 900 Mitarbeiter nur drei Jahre später.

Wasmeier hat die Firma im Jahr 1994 übernommen. Ende der 1980er-Jahre wurde das Unternehmen an den Hoesch-Konzern verkauft. Als Hoesch seinerseits von Krupp übernommen wurde, passte Rafi mit seinen Elektronikprodukten nicht mehr zum Profil des Stahlkonzerns. Wasmeier war zu jener Zeit Konstruktionsleiter und bereits seit mehr als 20 Jahren für Rafi tätig. „Ich verbrachte ein paar schlaflose Nächte“, sagt er. Schließlich entschied er sich zum Kauf, und Schenk stieg mit ein.

Doppelter Umsatz in nur drei Jahren

In der Zwischenzeit bahnte sich der zweite große Coup in der Firmengeschichte an. Diesmal ging es um Telekommunikation: Bei Rafi tüftelte man bereits seit Mitte der 1980er-Jahre an der damals neuen ISDN-Technik. Mit dem Berliner Unternehmen AVM teilte man sich die Aufgaben. AVM entwickelte die Software, Rafi die Hardware. Heraus kam die Fritz-Box, die mithilfe großer Internetanbieter wie 1&1 oder Arcor vermarktet wurde. Die Fritz-Boxen wurden ein gigantischer Erfolg. Jeder zweite deutsche Haushalt geht damit heute ins Netz. Innerhalb von drei Jahren konnte Rafi seinen Umsatz mehr als verdoppeln – auf 365 Millionen Euro im Jahr 2007.

Das Unternehmen investiert viel in die Entwicklung und unterhält sogar ein eigenes Schulungszentrum zur Weiterbildung der Mitarbeiter. So hat Rafi einen Fehler vermieden, für den der Mobilfunkkonzern Nokia gerade teuer bezahlt: Lange Zeit war er Marktführer für Mobiltelefone, doch verschliefen die Finnen die Einführung der Smartphones und hinken seitdem hinterher.

Rafi jedoch erweiterte sein Angebot und stieg quer über alle Branchen dort ein, wo Schalter und Tasten gedrückt werden müssen, um eine Maschine zu bedienen: ob am Kaffeeautomaten in der Kantine, am Lenkrad im Auto, an medizinischem Gerät im Krankenhaus oder einer Produktionsanlage in der Industrie.

Trotz des breiten Sortiments war auch Rafi nicht vor der Krise des Jahres 2009 sicher. Entlassen wurde aber niemand. Stattdessen fuhren sie im Hauptwerk Kurzarbeit. „Das hat die Mitarbeiter zuerst sehr verunsichert“, sagt Rudolf Wahl, Vorsitzender des Betriebsrats. „Aber wir wussten, dass nur so alle an Bord bleiben konnten.“ Als der Aufschwung kam, konnte das Unternehmen mit kompletter Belegschaft gleich wieder durchstarten. Der Gesamtumsatz liegt heute fast wieder auf dem Stand von vor der Krise, der Konzern beschäftigt gegenwärtig 2060 Angestellte.

Vieles hätten die beiden aus dem Bauch heraus entschieden, sagt Wasmeier: Die Übernahme eines Automobilzulieferers, die Gründung einer Tochter, die kleinere Unternehmen beliefert. „Aber ich behaupte immer, Bauchgefühl kommt durch unbewusstes Wissen“, so Wasmeier.

Die Firmengruppe umfasst mittlerweile zehn Tochterunternehmen: drei in Deutschland und sieben in Europa, China und den USA . Trotz der vielen Zukäufe und Ausgründungen hat Rafi sich nie übernommen. „Wir kaufen nur, wenn es sinnvoll erscheint und zu uns passt“, sagt Schenk. „Wir wollen organisch wachsen.“ Das heißt durch neue Kunden oder Absatzmärkte und durch neue Produkte – nicht durch Kredite.

Gerade hat Rafi wieder etwas erfunden, das so noch kein anderer hat. Einen industrietauglichen Touch-screen: Probleme, verursacht durch Spritzwasser und Schmutz, sind ausgeschlossen. Trotzdem kann man das Gerät mit Arbeitshandschuhen bedienen. Beides ging bisher nicht zusammen – Erfolg ist programmiert, könnte man meinen.