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Digitale Nutzer brauchen mehr Wissen und mehr Mut

Ravensburg / Lesedauer: 4 min

Mediendesign-Dozent Klaus Birk spricht zur Bitzilla-Konferenz über digitale Fähigkeiten
Veröffentlicht:16.09.2018, 19:08

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Mehr Fähigkeiten und mehr Mut zur eigenen Entwicklung: Das wünscht sich Professor Dr. Klaus Birk, Studiengangsleiter Mediendesign an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg in Ravensburg, von digitalen Nutzern. Bei der Ravensburger Bitzilla-Konferenz zur Digitalisierung wird er über „Digital literacy“ sprechen. Schon vorher hat er sich mit Stefan Fuchs über digitale Fähigkeiten und den richtigen Umgang im Netz unterhalten.

Herr Birk, was bedeutet „Digital literacy“?

Der englische Begriff bezeichnet im Wesentlichen nichts anderes als eine Form der Alphabetisierung im Digitalen. Dabei geht es nicht nur um oberflächliches „Lesen können“. Wie in der analogen Welt gilt: lesen heißt nicht verstehen. Wer beispielsweise Facebook täglich nutzt, schöpft nicht automatisch auch alle Möglichkeiten darin aus. „Digital literacy“ bezeichnet vielmehr Fähigkeiten, die über das klassische Benutzen hinausgehen. Dazu kann auch gehören, selbst digitale Dienste verknüpfen oder entwickeln zu können. Quasi der Benutzeroberfläche unter die Haube zu schauen.

Warum ist es wichtig, solche Dinge zu können?

Der Begriff Digitalisierung ist heute in aller Munde. Einerseits als Druck auf die Industrie, Effizienzoptimierung zu betreiben, um nicht abgehängt zu werden. Andererseits geht damit ein Kulturpessimismus einher. Gerade in Deutschland sind wir relativ zurückhaltend, was die digitale Nutzung angeht. Es gibt sehr viele kritische Stimmen, die auch ihre Berechtigung haben. Auf der anderen Seite stelle ich fest, dass selbst junge Menschen oft gar kein tieferes Verständnis für eine produktive und sichere Nutzung haben – gerade wenn es um digitale Schreibfähigkeiten geht.

Wie können wir digital fit werden?

Ich wünsche mir eine Art Heimwerker-Mentalität im Digitalen. Die Werkzeuge dazu gibt es zwar nicht im Baumarkt, aber in Form von digitalen Diensten und Open Source Tools. Mit denen kann heute ein Nutzer zum Beispiel eine eigene anspruchsvolle Webseite relativ einfach erstellen. Eine Do-it-yourself-Manier könnte Ängste abbauen und neue Möglichkeiten der Professionalisierung aufzeigen. Dafür bedarf es allerdings eines gewissen Grundlagen-Knowhows.

Stehen die Schulen und Ausbildungsbetriebe in der Pflicht?

Es ist gut, dass die Digitalisierung in die Schulen Einzug hält. Da geht es mir nicht darum, dass jedes Klassenzimmer ein Smartboard, also eine digitale Tafel, hat. Analoge Techniken haben ja durchaus ihre Berechtigung. Mir geht es eher darum, dass selbstständiges Arbeiten in der digitalen Welt geübt wird. Das entspricht auch unserem Verständnis von Gestaltung im Studiengang Mediendesign grundsätzlich: Dass Ideen nicht nur Konzepte bleiben, sondern sich in neue Anwendungen, zum Beispiel auch digitale Dienste, übersetzen. Design als Innovationsmotor. Im Land der Tüftler gibt es dafür ja eigentlich beste Voraussetzungen.

Die meisten Menschen sind ohne Digitalisierung aufgewachsen, haben den Großteil ihres Arbeits- und Privatlebens ohne verbracht. Müssen sie sich jetzt auch anpassen?

Ich würde sagen, ein Stück weit. Nicht jeder muss zwingend eine App programmieren können, aber es hilft, wenn man sich schon einmal damit beschäftigt hat. Bei sozialen Medien fällt mir auf, dass viele sehr unbedarft mit den Plattformen umgehen – ohne sich dessen bewusst zu sein. Das wird natürlich auch an die nächsten Generationen weitergegeben. Hier geht es also auch darum, mit seinen eigenen Kompetenzen Vorbild zu sein.

In den sozialen Medien fällt auf, dass viele Menschen weniger Hemmungen im Umgang miteinander zeigen, als von Angesicht zu Angesicht. Ein Zeichen von mangelnder „Digital literacy“?

Ich glaube, bei solchen Plattformen hat das damit zu tun, dass die direkte Konfrontation mit den Konsequenzen des eigenen Verhaltens indirekter ist als auf der persönlichen Ebene. Die Systematiken der Plattformen führen dazu, dass ähnliche Meinungen in sogenannten Echo- kammern zueinander geführt werden. In der physischen Welt wird dagegen jeder auch mit anderen Meinungen konfrontiert. Diese Effekte sind schwer zu verhindern. Andererseits muss jedem Nutzer bewusst sein, dass diese Echokammern kein Spiegel der Realität sind. Dagegen hilft nur, verschiedene Quellen zu nutzen, Stichwort: Lesekompetenz. Aber auch die Medien müssen in der Nachrichtenflut den Wert redaktioneller Arbeit wieder transparent machen.