StartseiteWirtschaftDie Mobilität der Zukunft ist digital, vernetzt und elektrisch

Mobilität

Die Mobilität der Zukunft ist digital, vernetzt und elektrisch

Friedrichshafen / Lesedauer: 5 min

Die Mobilität von Morgen braucht ein leistungsfähiges Datennetz
Veröffentlicht:20.09.2018, 19:05

Von:
Artikel teilen:

Wenn von Mobilität der Zukunft die Rede ist, kommt Deutschland in aller Regel schlecht weg. Zu träge werde das Thema von Politik und Wirtschaft angegangen, falsche Prioritäten würden gesetzt. Man erinnere sich an die Nationale Plattform Elektromobilität die mit dem hehren Ziel gegründet wurde, das Land, in dem Millionen Jobs vom Auto abhängen, zum Vorreiter zu machen. Das Ziel, bis 2020 eine Million Elektroautos auf deutsche Straßen zu bringen, wurde in dieser Woche offiziell beerdigt. Auch andernorts klemmt es – allen voran bei der Digitalinfrastruktur.

Deutschland – die Wiege der Mobilität – heißt es oft, würde den Anschluss verlieren. Anschluss an die neuen Mobilitätsmächte wie China und die Vereinigten Staaten, in denen innovative Technologien deutlich schneller Fuß fassen als hierzulande, in denen Trends früher erkannt werden. Bei Elektroautos fährt China inzwischen meilenweit voraus, und neuartige Fahrdienstvermittler wie Uber wurden eben nicht in Deutschland sondern im Silicon Valley gegründet.

Mehr Chancen als Risiken

Zu schwarz gemalt, entgegen führende Köpfe aus der deutschen Mobilitätsbranche. Die Chancen, die die Mobilität in Zukunft für Deutschland und Europa bietet, lägen deutlich über den Risiken. Allerdings müsse man bei der Umsetzungsgeschwindigkeit Fahrt aufnehmen. Darin sind sich Ronald Pofalla , Infrastrukturvorstand der Deutschen Bahn, Johannes Reifenrath, verantwortlich für die Produktstrategie bei Daimler und Christian Kern, ehemaliger Chef der Österreichischen Bundesbahn (ÖBB) und bis Ende 2017 Bundeskanzler der Alpenrepublik, einig.

Die drei Manager skizzierten auf dem Bodensee Business Forum am Donnerstag in Friedrichshafen ihre Vision von der Mobilität der Zukunft. Vieles wird davon abhängen, wie Deutschland, wie Europa mit dem Ausbau der digitalen Infrastruktur vorankommt. Sie ist das Rückgrat für die Mobilitätswende, die für eine Vernetzung der verschiedenen Verkehrsträger sorgen und autonome Fahrfunktionen ermöglichen soll. Eine wesentliche Bedeutung wird deshalb dem Ausbau des Mobilfunknetzes auf den 5G-Standard zugeschrieben – und wie die Bundesnetzagentur , die für die Vergabe der Lizenzen verantwortlich ist, die Bedingungen setzt. 5G soll eine zwanzigmal schnellere Datenübertragung ermöglichen und dabei weniger Energie verbrauchen. „Ich hoffe, dass die Versteigerung nicht wieder so fehlerhaft umgesetzt wird wie bei der vorherigen Auktion“, warnte Reifenrath. Unscharfe Vergabebedingungen und unklarere Vorgaben für die Mobilfunkanbieter sind die wesentlichen Gründe für die heute in vielen Teilen Deutschlands existierenden Funklöcher. Vor allem im ländlichen Raum gibt es zu wenig Funkmasten, um die lückenlose Übertragung großer Datenmengen zu übertragen – für Technologien wie das autonome Fahren ein KO-Kriterium. „Die Bieter müssen die Verpflichtung bekommen, das Netz flächendeckend auszubauen“, fordert deshalb Bahn-Manager Pofalla.

Der Entwurf der Bundesnetzagentur für die Auktion der 5G-Lizenzen lässt Befürchtungen aufkommen. In einem Brandbrief kritisierten jüngst CDU-Politiker die Pläne und forderten Verbesserungen. Andernfalls sollte die Vergabe der Frequenzen gestoppt werden. Mindestens 15 Prozent des Landes würden auf der Strecke bleiben, und vor allem an den Bahnstrecken würden die Übertragungsgeschwindigkeiten nicht ausreichen.

Gerade die Bahn, so Pofalla, spiele bei der Mobilität der Zukunft aber eine wichtige Rolle. Denn will die Bundesregierung die Klimaschutzziele von Paris erreichen und das CO2-Ziel ratifizieren, müsse der Verkehr – insbesondere der Güterverkehr – zu großen Teilen auf die Schiene verlagert werden. „Der Güterverkehr auf der Straße zerstört unsere CO2-Bilanz“, so Pofalla. „Wenn wir das Problem nicht in den Griff bekommen sind die Dieselfahrverbote nur der Vorbote für das was kommen wird: Eine Reglementierung des Individualverkehrs ähnlich dem autofreien Sonntag während der Ölkrise in den 1970er-Jahren oder Milliardenstrafen der Bundesrepublik.“ Kapazitätsprobleme im Schienennetz sieht der Bahnmanager dabei nicht: Mit der Digitalisierung der 167 000 Signale, 67 000 Weichen und knapp 3000 Stellwerke würde die Kapazität im Bahnnetz um 20 Prozent steigen, „ohne dass ein einziges zusätzliches Gleis verlegt werden muss“.

Dass sich beim Ausbau der digitalen Infrastruktur die Politik mehr ins Zeug legen müsse – insbesondere finanziell – verhehlten die Manager nicht. „Wir brauchen das Highspeednetz für die Datenkommunikation, die Kraftwerks- und Ladeinfrastruktur, und dabei muss die Politik mithelfen“, sagt Reifenrath, der bei Daimler mitbestimmt, welche Autos ab 2025 auf die Straße kommen, und lebenswertere urbane Räume sowie mehr individuell nutzbare Zeit in Aussicht stellt. Die Städte der Zukunft, so Reifenhrath, würden emissionsärmer und geräuschloser, der Verkehrsfluss gleichmäßiger, Staus weniger. Doch könne die Automobilindustrie die riesigen Investitionen, die für die Mobilitätswende erforderlich sind, alleine nicht stemmen.

Auch Apple hatte Unterstützer

Müsse sie auch nicht, meint Ex-ÖBB-Chef Kern , der dafür die öffentliche Hand in der Pflicht sieht, und als Beispiel Apple heranzieht: Die Erfolgsstory des Konzerns, so Kern, gründe sich auch zu einem Gutteil auf extern entwickelten Schlüsseltechnologien, auf die das Unternehmen zurückgreifen konnte, die es allein aber nie hätte entwickeln können – das vom US-Militär entwickelte GPS-System etwa oder die Spracherkennungssoftware Siri, die ihren Ursprung in der Stanford University hatte. „Oftmals muss eben die öffentliche Hand Risiken übernehmen, die die Privatwirtschaft nicht eingehen kann oder will“, sagt Kern. Schließlich gelte es, Wachstum und Wohlstand zu halten.