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Anlegerschutz

Anlegerschutz mit Nebenwirkungen

Stuttgart / Lesedauer: 4 min

Mit ihren Finanzmarktrichtlinien will die Europäische Union Privatanleger schützen – Nicht alles wirkt, wie geplant
Veröffentlicht:23.10.2018, 19:54

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Lange Zeit noch steckte den Privatanlegern der Schock der Finanzkrise des Jahres 2008 in den Knochen. Seitdem wurden von Seiten der Europäischen Kommission eine Reihe von Maßnahmen umgesetzt, die einen besseren Schutz der Kapitalanlagen gewährleisten sollen. Neben der erhöhten Ausstattung der Banken mit Eigenkapital zählt dazu auch die europäische Finanzmarktrichtlinie Markets in Financial Instruments Directive II (Mifid II),mit der insbesondere der Verbraucherschutz gestärkt werden soll. Auf dem Symposium, das die Börse Stuttgart am Montag bereits zum zwölften Mal veranstaltet hat, diskutierte die baden-württembergische Finanzbranche die Auswirkungen und forderte weitere Änderungen mit Blick auf Mifid III.

Bemerkbar für den Privatanleger macht sich die Mifid II, die am 3. Januar 2018 in Kraft getreten ist, durch die Pflicht von Banken und Sparkassen, telefonische Wertpapierberatung aufzeichnen zu müssen. Eine Falschberatung, so das Kalkül des europäischen Gesetzgebers, ließe sich auf diese Weise rasch nachweisen. Eine weitere Änderung, die die Mifid II mit sich gebracht hat, ist die sogenannte „Geeignetheitserklärung“. Da das Formular für die Geeignetheitserklärung genauso aussieht wie das bisherige Beratungsprotokoll, fällt Bankkunden in Deutschland die Neuerung möglicherweise gar nicht auf. Inhaltlich hat sich allerdings schon etwas geändert: Während beim Beratungsprotokoll, das 2010 eingeführt worden war, der Verlauf des Gesprächs zwischen Bankberater und Kunde im Mittelpunkt stand, konzentriert sich die Geeignetheitserklärung nun auf die Ergebnisse der Beratung, die protokolliert und dem Kunden ausgehändigt werden müssen. „Ein Fortschritt“, wie Elisabeth Roegele , zuständige Exekutivdirektorin der deutschen Finanzaufsicht Bafin, mit Blick auf die leichtere Handhabung in der Praxis sagt, sowohl für Kunden als auch Kreditinstitute.

Denn Letztere ächzen schon lange Zeit unter den Kosten, die die Vorgaben zum Anlegerschutz mit sich bringen. Allein die Einführung von Mifid II in Deutschland hat nach Schätzung des Bankenverbands die Branche eine Milliarde Euro gekostet. Natürlich stimme die Zielrichtung der Mifid II, den Anlegerschutz zu stärken und mehr Transparenz einzuführen, sagt dazu Peter Schneider, Präsident des Sparkassenverbands Baden-Württemberg. „Allerdings muss es dringend gelingen, den Zwang zur Sprachaufzeichnung oder auch umfangreiche Informationspflichten, kundenfreundlicher auszugestalten“, erläutert Schneider. Denn diese, so seine Erfahrung, würden derzeit bei Kunden Verwirrung stiften und auf Ablehnung stoßen. Denn die Frage ist tatsächlich, ob die produzierten Protokolle ihren Zweck erfüllen. Nein, meint dazu Marc Tüngler , Hauptgeschäftsführer der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DWS), der von einem „Wust an Informationen auf Papier“ spricht, die von vielen Anlegern nicht mehr verstanden werden. „Man hat das Kind mit dem Bade ausgeschüttet“, erklärt Tüngler.

Er spielt dabei auch auf zwei andere Effekte an, zu denen die Mifid II und bereits die Vorgängerregel, die Mifid I von 2007, geführt haben. Zum einen haben sich wegen des Aufwands eine ganze Reihe von Banken und Sparkassen aus der Wertpapierberatung ganz oder teilweise zurückgezogen. Laut einer Studie des Deutschen Aktieninstituts (DAI) hat sich bereits 2014 mehr als jedes fünfte Kreditinstitut ganz aus der Aktienberatung verabschiedet. Bei zwei Dritteln der befragten Banken ist die Zahl der Kundengespräche zu Aktien gesunken, und lediglich bei jedem zehnten Institut hat sich die Anlageberatung zu Aktien nicht verringert. Zu ähnlichen Ergebnissen kommt eine aktuelle Umfrage des Deutschen Sparkassen- und Giroverbands (DSGV), wonach rund ein Fünftel der Institute das Produktangebot in der Anlageberatung verringert hat.

Wasserdichte Protokolle

Und zum Zweiten sorgt das Beratungsprotokoll für einen Nebeneffekt, der den Banken durchaus zupasskommen dürfte. So ist die Zahl der Kundenbeschwerden wegen Fehlberatung auf nahezu null gesunken. Die Protokolle sind offenbar so wasserdicht, dass es Anlegern fast unmöglich geworden sei, daraus Ansprüche geltend zu machen. „In der Konsequenz schlecht für die Anleger“, wie Tüngler sagt.

Unterm Strich sieht Roegele von der Bafin dennoch eine Verbesserung des Anlegerschutzes durch die Finanzmarktrichtlinie Mifid II. Doch dass es Nachbesserungsbedarf gibt, gesteht sie, die sich stets für eine maßvolle Aufsicht stark macht, gerne zu. Den gilt es nun in Brüssel rechtzeitig anzumelden, bevor dort die nächste Finanzmarktrichtlinie beschlossen wird. Denn Mifid III kommt bestimmt.