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Brugger über Waffenlieferungen: „Wir wollen der Ukraine schnell helfen“

Ravensburg / Lesedauer: 4 min

Grünen-Verteidigungsexpertin Agnieszka Brugger über Waffenlieferungen an die Ukraine und Vorwürfe an Kanzler Scholz
Veröffentlicht:26.05.2022, 18:00

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Die Grünen-Verteidigungsexpertin Agnieszka Brugger wehrt sich gegen den Vorwurf, die Bundesregierung agiere zu zögerlich bei Waffenlieferungen in die Ukraine .

Die oppositionelle CDU ruft die Ravensburger Bundestagsabgeordnete im Interview mit der „Schwäbischen Zeitung“ zur Zusammenarbeit auf. Seit 2009 ist die heute 37-Jährige im Deutschen Bundestag, seit 2018 ist sie zudem stellvertretende Fraktionsvorsitzende.

Frau Brugger , die Kritik, dass Deutschlands Regierung bei den Lieferungen schwerer Waffen an die Ukraine zu langsam und zu zögerlich sei, mehrt sich. Können Sie das nachvollziehen?

Wir tun mit Hochdruck alles dafür, dass die Ukraine möglichst schnell militärische Unterstützung bekommt. Die Menschen in der Ukraine verteidigen nicht nur ihr Land, sondern auch unsere gemeinsamen Werte. Wladimir Putin darf mit seiner brutalen Gewalt nicht gewinnen. Es ist schon viel geliefert worden, aber jetzt geht es um schwere Waffen.

Das ist aus der Opposition schnell gefordert, aber internationale Abstimmungen wie ein Ringtausch müssen ja auch organisiert werden. Auch gibt es bei schwerem Gerät, etwa dem Gepard-Panzer, die Herausforderung der komplexen Ausbildung der ukrainischen Soldaten.

Die Ausbildung der ukrainischen Soldaten hat bereits in Deutschland begonnen. Dass wir den Ringtausch mit mehreren Ländern schon in die Wege geleitet haben, zeigt, dass wir an einem Strang ziehen und der Ukraine schnell helfen wollen.

Gilt das tatsächlich auch für Ihren Koalitionspartner SPD und Kanzler Olaf Scholz ?

Natürlich haben wir in der Koalition diskutiert. Aber wir haben vor einem Monat mit einem breit getragenen Antrag im Bundestag eine gemeinsame Linie gefunden, die auch Koalition und Opposition miteinander verbindet.

Das klang zuletzt beim CDU-Abgeordneten Roderich Kiesewetter aber völlig anders. Dem Verteidigungsexperten geht alles viel zu langsam, Scholz hat er als Hauptschuldigen ausgemacht. Was halten Sie von seinen Aussagen?

Ich rate dem Kollegen Kiesewetter, in die Listen der Waffenlieferungen zu schauen und vielleicht nochmal in den Verteidigungsausschuss zu kommen, um zu sehen, was auf dem Weg ist und wie das Parlament darüber informiert werden kann. Zudem hoffe ich, dass wir in so ernsten Fragen als Koalition und Opposition tatsächlich zusammenarbeiten.

Dies ist allerdings nicht in allen Fragen zu erkennen. So war CDU-Chef Friedrich Merz in der Ukraine, Scholz aber bis heute nicht. Können Sie das nachvollziehen?

Ich fand es sehr gut, dass unsere Außenministerin Annalena Baerbock auch offiziell als Mitglied der Bundesregierung so schnell in Kiew war.

Uneins ist die Ampel auch bei der Frage, wie das 100-Milliarden-Euro-Sondervermögen für die Bundeswehr finanziert werden soll – mit einer Grundgesetzänderung oder aber mit einfacher Mehrheit, wie das SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich ins Gespräch gebracht hat.

Ich würde mir sehr wünschen, dass wir als Koalition hier mit der Opposition zusammenkommen. Das wäre ein starkes politisches Zeichen an unsere internationalen Partner und selbstverständlich auch an die Bundeswehr. Dies wäre auch die rechtlich sicherere Variante. Die schlechteste Option wäre, wenn wir das über den regulären Haushalt machen.

Dann kommen wir in eine gefährliche Debatte darüber, was uns mehr Wert ist: Klimaschutz, Sicherheit oder die soziale Abfederung der Folgen des Ukraine-Krieges in unserer Gesellschaft. Die Idee, das mit einem Sondervermögen mit einer einmaligen Schuldenaufnahme mit großer rechtlicher Klarheit und politischer Unterstützung der Opposition zu machen, ist der mit Abstand beste Weg.

Machen Sie sich generell Sorgen über das Erscheinungsbild der Ampel-Koalition, die zuletzt doch häufiger nicht sonderlich einig wirkt?

Ich glaube, dass die Menschen es spüren und sehr zu schätzen wissen, wenn Politiker und Politikerinnen ehrlich mit sich ringen. Es geht schließlich um große, wichtige Fragen in schwierigen Zeiten des Umbruchs. Das ist gewiss auch eine der Erklärungen für den großen Zuspruch, den Annalena Baerbock und Robert Habeck haben.

Beide stellen sich öffentlich all jene Fragen, die uns auch am Küchentisch beschäftigen. Die wenigsten würden ja von sich behaupten, sie haben da die einzig moralisch richtige Antwort gefunden. Da darf man dann auch hadern und überlegen, aber wenn man sich für einen Weg entschieden hat, muss man eben auch entschlossen handeln.

Es ist kein Zeichen von Schwäche, wenn Politik da diskutiert, sondern ein Zeichen von ehrlicher und moderner Demokratie.

Sie loben das konsequente, situationsbezogene Handeln Ihrer Parteikollegen Baerbock und Habeck. Doch exakt dies wünschen sich die Kritiker von Kanzler Scholz. Ihm wird vorgehalten, er sei generell zu zögerlich und zu abwartend. Sehen Sie das nicht so?

Auch Angela Merkel hat man immer vorgeworfen, sie würde zu wenig erklären, zu wenig Stellung nehmen. Da ist der Kanzler sogar häufiger in Talk-Formaten, auch im Verteidigungsausschuss hat er klar und sehr emotional argumentiert. Ich sehe eine große Gemeinsamkeit in der Koalition. Nur so können wir auch gut zusammenarbeiten.