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Hühnerschenkel

Weg mit dem XXL-Schnitzel

Politik / Lesedauer: 3 min

Im Schnitt isst jeder Deutsche 60 Kilo Fleisch pro Jahr. Das hat schwerwiegende Folgen, zeigt der Fleischatlas 2018. Die Autoren entwickeln darin Rezepte, um den Trend zu stoppen.
Veröffentlicht:10.01.2018, 19:46

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Der Fleischkonsum steigt. Die weltweite Produktion von Hühnerschenkeln, Rinderfilet und Co hat sich in den vergangenen 50 Jahren mehr als verdreifacht. Da die Weltbevölkerung wächst, wird sie bis zum Jahr 2050 noch einmal um 85 Prozent steigen. Das erwartet die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen, FAO. Diese Prognose findet sich im Fleischatlas 2018, den die Heinrich-Böll-Stiftung, der Umweltverband BUND und die Monatszeitung „Le Monde diplomatique“ am Mittwoch veröffentlicht haben. Er untermauert mit Daten und Fakten die Probleme der heutigen Fleischwirtschaft.

„Die Deutschen müssen ihren Fleischkonsum halbieren“, sagt die Vorsitzende der Böll-Stiftung, Barbara Unmüßig . Zwar bezeichneten sich 12 Prozent der Deutschen als Flexitarier, schränkten also bewusst den Verzehr ein. Und vier Prozent der Deutschen lebten mittlerweile vegetarisch. Doch gebe es „eine Gruppe von rund fünf Prozent Vielfleischessern unter den Männern, die fast dreimal so viel Fleisch essen wie sonst üblich“. Sie folgten Trends und Moden wie Wintergrillen oder der „Paleo-Diät“, der sehr fleischlastigen Steinzeitküche. Im Schnitt äßen die Deutschen 60 Kilo Fleisch im Jahr, der Konsum sei über die vergangenen Jahre kaum gesunken.

Mit der Massentierhaltung kommt immer billigeres Fleisch auf den Markt. Supermärkte locken zudem gerne mit Sonderangeboten: Fast ein Viertel aller sogenannten Rotfleischprodukte wird laut Atlas so abgesetzt. Doch das billige Fleisch komme die Menschen am Ende teuer zu stehen, sagt BUND-Vorsitzender Hubert Weiger . Es habe „katastrophale“ Folgen. Zum einen für die eigene Gesundheit. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung empfiehlt, nur 300 bis 600 Gramm Fleisch pro Woche zu essen, etwa 16 bis 31 Kilogramm pro Jahr. Zum anderen für das Klima, die Böden und die Artenvielfalt.

Viel zu viel Nitrat

Vor Kurzem erst warnten die Wasserversorger, dass die Preise um bis zu 62 Prozent steigen könnten, weil zu viel Gülle und Dünger auf den Feldern landet. Im Jahr 2017 wurden insgesamt 208 Millionen Kubikmeter Gülle verteilt, für die 27,1 Millionen Schweine, 12,4 Millionen Rinder, 1,8 Millionen Schafe und 41 Millionen Legehennen gesorgt haben.

Für die Politik sind die Knackpunkte der industriellen Landwirtschaft aber nicht neu. Selbst der wissenschaftliche Beirat des Bundesagrarministeriums hat in seinen Berichten schon angemahnt, bei der Tierhaltung umzusteuern. Er argumentierte auch, dass sonst die Akzeptanz der Verbraucher schwinde. Bei vielen sorgt der derzeitige Umgang mit den Tieren für Unbehagen.

Barbara Unmüßig und ihre Mitstreiter fordern unter anderem eine Umschichtung der EU-Agrarsubventionen: Gehen bisher allein in Deutschland jedes Jahr rund fünf Milliarden Euro vor allem Großbetriebe, weil die Förderung pro Hektar gezahlt wird, sollen künftig nur jene davon profitieren, die ihre Tier art- und umweltgerecht halten. Im Grunde soll ein Betrieb zudem nur so viele Tiere halten, wie die dazugehörigen Felder und Wiesen ernähren und vertragen können. Denkbar sei auch eine Abgabe auf Mineraldünger oder Stickstoff.

Die Autoren des Fleischatlas fordern zudem ein Label, an dem sich im Supermarkt leicht erkennen lässt, wie Schwein, Rind, Huhn gehalten werden. Signalwirkung könnten auch kleinere Portionen Fleisch in Kantinen und Mensen haben, verbunden mit dem Angebot, einen kostenlosen Nachschlag zu bekommen, meint Unmüßig. Weiger kann sich auch ein Verbot von XXL-Schnitzeln in Restaurants vorstellen Beide betonen, keineswegs Fleisch komplett von der Speisekarte verbannen zu wollen. Sie plädieren dafür, Fleisch und Tier mehr zu schätzen.