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Gelbwesten

Warten auf das Wort von Emmanuel Macron

Paris / Lesedauer: 3 min

Nach erneuten Protesten und Gewalt auf den Straßen hofft Frankreich auf eine Rede von Emmanuel Macron
Veröffentlicht:09.12.2018, 19:25

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Paris glich am Samstag einer Geisterstadt. Museen, Kaufhäuser und Eiffelturm blieben geschlossen, die meisten Einwohner wagten sich nicht aus dem Haus. Akt IV der Proteste der Gelbwesten war angekündigt und die Polizei war mit 8000 Mann und erstmals auch mit gepanzerten Fahrzeugen im Einsatz. Das Großaufgebot der Sicherheitskräfte verhinderte Bilder wie am vergangenen Wochenende, als gewalttätige Demonstranten den Triumphbogen verwüstet hatten, doch der Preis war hoch: Mehr als tausend Menschen, die mit Hämmern, Baseballschlägern und Boule-Kugeln ausgestattet waren, wurden festgenommen. In der Hauptstadt waren die Demonstranten zahlreicher als am vergangenen Wochenende. 10 000 Menschen in gelben Westen versammelten sich auf den Champs-Élysées, dem Platz der Republik und an der Bastille. Die Gewalttäter unter ihnen zerstörten Banken, Restaurants und Läden, deren Fenster nicht mit Sperrholzplatten zugenagelt waren. Laut der Pariser Stadtverwaltung war der Schaden höher als vor einer Woche.

Fortsetzung folgt

Und der Protest, der landesweit 136 000 Menschen auf die Straße brachte, dürfte weitergehen: Die Demonstranten denken bereits über Akt V am nächsten Samstag nach. Um einen Dialog mit den gemäßigten „Gilets jaunes“ zu beginnen, empfing Regierungschef Edouard Philippe am Freitagabend eine Delegation. „Der Ball ist im Feld von Macron “, sagte Christophe Chalençon, einer der Sprecher, hinterher. Der Präsident soll Anfang der Woche zum ersten Mal seit Beginn der Krise vor drei Wochen das Wort ergreifen. Dass er das so spät tut, begründete sein Vertrauter Richard Ferrand damit, dass Macron nicht noch „Öl ins Feuer“ gießen wolle.

Der Hass der Gelbwesten, die von rund 70 Prozent der Bevölkerung unterstützt werden, richtet sich nämlich in erster Linie gegen den Staatschef. „Analphabeten, Nichtsnutze, widerspenstige Gallier in Wut“, stand auf einem Transparent der Demonstranten. Drei Begriffe, die der Präsident abwertend für Arbeiter und all jene benutzt hatte, die seine Reformpolitik kritisierten. Diese Sprüche brachten ihm ebenso wie die Abschaffung der Vermögenssteuer den Ruf ein, ein Präsident der Reichen zu sein. Das Gefühl der Ungleichheit verstärkte sich unter Macron, wie eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Ifop zeigt. Darin fordern 46 Prozent der Befragten, dass die Gehaltsschere zwischen Arm und Reich kleiner wird. Ein Plus von 13 Prozent gegenüber dem Juni 2017, kurz nach Macrons Amtsantritt.

Dem Präsidenten ist klar, dass er in seiner Ansprache Maßnahmen zugunsten der sozial Schwachen verkünden muss, um die Wut der Straße zu besänftigen. Im Gespräch sind eine Anhebung des Mindestlohns und eine sofortige Abschaffung der Wohnungssteuer, die eigentlich über drei Jahre hinweg gestaffelt werden sollte. Daneben gehört eine steuerfreie Prämie für Geringverdiener ebenso zu den Optionen wie die Erhöhung der Beihilfen für bedürftige Rentner. Am Montagvormittag will Macron die lange von ihm vernachlässigten Sozialpartner empfangen, um mit ihnen die Liste der Ankündigungen durchzugehen. Ausgeschlossen hat er bisher eine Wiedereinführung der Vermögenssteuer, obwohl genau dies die meisten Demonstranten verlangen.

„Die Zeit ist gekommen, starke Maßnahmen anzukündigen“, forderte Außenminister Jean-Yves Le Drian. Es müsse einen neuen Sozialpakt geben, der den Wohlfahrtsstaat des 21. Jahrhunderts vorbereite. „Man reformiert das Land nicht nur von oben herab“, kritisierte der ehemalige Sozialist im Fernsehsender LCI den Führungsstil des Präsidenten. Egal, was Macron ankündigt, eines ist klar: Seine Versprechen werden viel Geld kosten. Von mindestens zehn Milliarden Euro geht der Arbeitgeberverband Medef aus. Das Defizitziel von 2,8 Prozent des Bruttoinlandsproduktes, das Frankreich im nächsten Jahr anpeilt, dürfte damit nicht zu halten sein. Vor allem, weil das Wachstum unter den Protesten leidet. Der Einzelhandel verzeichnete mitten im Weihnachtsgeschäft Verluste von zehn bis 20 Prozent. Der zuständige Minister Bruno Le Maire sprach von einer „Katastrophe“ für die Wirtschaft.