StartseitePolitikWahlgewinner sieht Österreich geeint

Gartenparty

Wahlgewinner sieht Österreich geeint

Politik / Lesedauer: 4 min

Alexander Van der Bellen zieht nach einem knappen Sieg in Wiener Hofburg ein
Veröffentlicht:23.05.2016, 20:52

Artikel teilen:

Plötzlich wirkte alles friedlich und entspannt. Nach einem aufregenden Wahltag herrschte am Montagabend im Garten des Palais Schönburg in Wien die wohlige Atmosphäre einer Gartenparty. Eine gute Stunde, nachdem Österreichs Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP) endlich das Ergebnis der Bundespräsidentenwahl verkündet hatte, trat der designierte neue Staatschef vor die Presse. Es war ein Auftritt mit Symbolcharakter: Hinter Alexander Van der Bellen wehte nicht nur die rot-weiß-rote Fahne der Alpenrepublik, sondern auch die blaue Europaflagge mit ihren zwölf Sternen. Er wolle ein Präsident aller Österreicher sein, ließ er schon vorher wissen.

Van der Bellen entschied das Wahlduell für sich mit 50,3 Prozent der Stimmen. Sein hoch favorisierter Gegner Norbert Hofer scheiterte mit 49,7 Prozent knapp an den Briefwählern. Am Ende erwies sich der siegessichere FPÖ-Kandidat als guter Verlierer. Kurz vor Bekanntgabe des offiziellen Ergebnisses des zweiten Wahldurchgangs schrieb der FPÖ-Kandidat auf Twitter an seine Wähler: „Natürlich bin ich heute traurig. Ich hätte gerne für Euch als Bundespräsident auf unser wunderbares Land aufgepasst.“

Mit 31 026 Stimmen oder 0,6 Prozent Vorsprung hat Van der Bellen am Ende den Sieg eingefahren. Er wird der erste Grüne sein, der am 8.Juli als neuer Bundespräsident für die nächsten sechs Jahre in die Wiener Hofburg einziehen wird. In einer kurzen Rede erklärte er am Montag vor Anhängern, er sehe keine Spaltung des Landes: „Die eine Hälfte ist gleich wichtig wie die andere. Gemeinsam ergeben wir dieses schöne Österreich.“

Dieses Mal war alles anders

Seit 1945 haben die traditionellen Staatsparteien SPÖ (Sozialdemokraten) und ÖVP (Konservative) alle Präsidenten gestellt. Doch diesmal waren beide Kandidaten im ersten Durchgang am 24. April mit blamablen Ergebnissen ausgeschieden. So kam es zu einem Duell in der Stichwahl, das es bislang in Österreich noch nie gab: Ein „Blauer“, wie die FPÖ-Mitglieder genannt werden, trat gegen einen Grünen an.

Hofer hatte am Sonntagabend allein mit den Stimmen, die an der Urne abgegeben wurden, die Nase knapp vorn. Die Einrechnung der rund 700000 gültigen Briefwählerstimmen in die Prognose ergab ein Patt von 50:50. Nach deren Auszählung kehrte sich die Reihenfolge um: 50,3 Prozent für Van der Bellen, 49,7 für Hofer.

Österreichs Außenminister hatte noch vor der Bekanntgabe des Endergebnisses versucht, die Aufregung rund um die Abstimmung zu glätten. „Es war eine freie und faire demokratische Wahl in Österreich. Was immer das Ergebnis sein wird, wir werden ein verlässlicher Partner in der EU bleiben“, schrieb Sebastian Kurz (ÖVP) am Montagmittag auf Twitter.

Das Forschungsinstitut Sora hat die Gründe ermittelt, wie dem 72-jährigen Grünen-Kandidaten, der im ersten Durchgang am 24. April noch 14 Prozent hinter dem FPÖ-Rivalen lag, die fulminante Aufholjagd gelungen ist. Die Briefwähler gaben deshalb den Ausschlag für Van der Bellen, weil Wähler niederer sozialer Schichten, die überwiegend für die FPÖ gestimmt haben, diese Möglichkeit weniger nutzen als jene mit höherer Qualifikation und gutem Einkommen.

Grüner erfolgreich bei Arbeitern

Deshalb eroberte Van der Bellen die Ballungsräume, Hofer die ländlichen Regionen. Acht von neun Landeshauptstädten fielen an den Sieger; Hofer konnte Eisenstadt (13 300 Einwohner), Hauptstadt seiner Heimat Burgenland, für sich gewinnen. Van der Bellen siegte in Wien mit 61,2Prozent der Stimmen. Interessant ist, dass er in den meisten großen Arbeiterbezirken, die bei Wahlen in den vergangenen Jahren an die FPÖ gefallen waren, siegreich blieb. Der FPÖ-Mann Hofer konnte offenbar von der dort vorherrschenden Ausländerfeindlichkeit nicht profitieren.

Exakt spiegelverkehrt ist das Verhältnis nach Geschlecht: Van der Bellen gewann 60 Prozent der weiblichen Wähler, Hofer 60 Prozent der Männer. Die Frage des Führungsstils, die im Wahlkampf eine große Rolle spielte, lässt in beiden Wählerlagern auf ein dürftiges Demokratieverständnis schließen: 77 Prozent der Hofer-Wähler bevorzugen einen „starken Präsidenten“. Aber auch 43 Prozent der Van-der-Bellen-Wähler können sich mit einem autoritären Amtsstil anfreunden. Männer und Frauen trauen Hofer nur zu 41 Prozent zu, Österreich im Ausland gut zu vertreten; Van der Bellen kommt auf 66 Prozent Zustimmung. Der Sieger verdankt fast die Hälfte seiner Wähler (48 Prozent) dem Motiv, „Hofer zu verhindern“.

Die FPÖ kann sich damit trösten, dass sie sich nicht nur nach ihrer Lesart mit dem Verlauf der Bundespräsidentenwahl Verdienste um das Land erworben hat. Kanzler Werner Faymann (SPÖ) warf nach dem Elf-Prozent-Debakel des SPÖ-Kandidaten in der ersten Runde selbst das Handtuch. „Mit seinem Sieg im ersten Wahlgang hat Hofer das ausgelöst, worauf Millionen Österreicher gehofft haben“, sagt der Chef des Meinungsforschungsinstituts OGM, Wolfgang Bachmayer. Dafür hat die FPÖ jetzt mit Christan Kern als Bundeskanzler und künftigem SPÖ-Chef ein anderes politisches Kaliber vor der Nase. Vielleicht ein Eigentor, meinen manche Beobachter.