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Verhau

Wahlen gefährden den Frieden in Mosambik

Maputo / Lesedauer: 4 min

In dem Land im Südosten Afrikas scheint ein Regierungssieg ungewiss – Das befördert die Spannungen
Veröffentlicht:15.10.2019, 11:00

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Kinder spielen vor einem Verhau aus Ästen mit Blechdach. Sie müssten jetzt in diesem Klassenzimmer Unterricht haben, sagen sie. Aber es fehlen Lehrer an diesem Oktobertag in der Dorfschule von Dovela in Zentralmosambik. Sie seien auf einem „Frelimo-Meeting“, heißt es. Es ist Wahlkampfzeit. Und in den Hochburgen der regierenden Befreiungsfront (Frelimo) sehen sich manche Staatsbedienstete in der Pflicht, der Partei zu Diensten zu sein. Sie eilen statt zur Arbeit zu Kundgebungen, eingekleidet in Wickeltücher und T-Shirts mit dem Aufdruck „Vota Nyusi“.

Filipe Jacinto Nyusi ist seit 2014 Präsident. Der 60-Jährige möchte am heutigen Dienstag wiedergewählt werden, und seine Partei hat an wenig gespart. In der Hauptstadt Maputo drängt sich angesichts der Frelimo-Plakatierung der Eindruck auf, dass nur eine Partei zur Wahl steht. Doch es sind fast 30. Und diesmal, sagen Mosambik-Experten, könnte es eng werden mit einer Frelimo-Mehrheit im ersten Durchgang. Verlässliche Umfragen gibt es nicht. Aber von 12,7Millionen Wählern sind gut ein Viertel Erstwähler. Niemand weiß, ob sie im alten Lagerdenken verharren, entweder Frelimo wählen oder die konservative Partei Nationaler Widerstand (Renamo), den einstigen Gegner im Bürgerkrieg.

Freundliche Worte des Papstes

Unklar ist auch, wie sich die ethnische Zugehörigkeit auswirkt bei den Wahlen von Präsident, Nationalversammlung und Provinzparlamenten. Filipe Nyusi gehört zu der kleinen Gruppe der Makonde. Sein Hauptwidersacher, Renamo-Chef Ossufo Momade, zählt zu einer der größten Ethnien, den Makua. Doch der 58-jährige Muslim wurde erst im Januar ins Amt gewählt, als Nachfolger von Afonso Dhlakama . Der führte die Renamo fast 40 Jahre lang, erlag aber 2018 einem Herzinfarkt. Momade besaß Dhlakamas Vertrauen. Aber er besitzt nicht dessen Charisma.

Der frühere Rebellengeneral Momade ist zudem mit einer Abspaltung der Renamo konfrontiert. Die lehnt seinen Friedenskurs ab und ruft zum Wahlboykott auf, obwohl Nyusi und Momade im August erst einen Friedensvertrag unterzeichnet hatten, den dritten seit Ende des Bürgerkrieges 1992. Dafür ernteten die Parteichefs beim Papstbesuch im September freundliche Worte des Heiligen Vaters. Aber Experten sehen den Friedensprozess als gefährdet an, wenn das Wahlergebnis allzu umstritten sein sollte. Und darauf deutet einiges hin.

Die Frelimo, seit 1975 an der Macht, ist nervös. Nyusi, ein Ingenieur, galt lange als volksnaher Reformer, aber er ist mit Kritik konfrontiert. Unklar ist etwa, wie sehr er in einen Skandal um geheime Schulden von mehr als zwei Milliarden US-Dollar verstrickt ist. Staatsfirmen hatten das Geld unter Nyusis Vorgänger Amando Guebuza aufgenommen, illegal am Parlament vorbei, obwohl die Summe so hoch ist wie ein halber Staatshaushalt. 2016 strichen die Geber deswegen Kredite und Budgethilfe. Die Wirtschaft stürzte ab. Das Land mit seinen 30Millionen Einwohnern blieb eines der ärmsten der Welt. Das Pro-Kopf-Einkommen liegt unter 400 Euro im Jahr. Von den Erdgasfunden, die bis 2030 Investitionen in Höhe von 120Milliarden Euro auslösen könnten, hat Mosambik noch kaum profitiert.

Den Zyklonen folgt das Elend

Im Frühjahr dieses Jahres richteten zudem zwei Zyklone im Zentrum und im Norden Milliardenschäden an. Viele Menschen in den betroffenen Provinzen, denen es schon zuvor nicht gut ging, leben seitdem vollends im Elend. Gehen sie wählen? Wählen sie Nyusi?

Der hat es auch nicht vermocht, die Gewalt in der nördlichsten Provinz Cabo Delgado zu stoppen. Dort greifen Unbekannte – offiziell „Aufständische“ genannt – regelmäßig Dörfler und Polizisten an. Sie brennen Hütten ab, köpfen und erschlagen Menschen, rauben Nahrung oder Waffen. 280 Tote und 20000 Vertriebene waren bislang die Folge, auch höhere Opferzahlen wären plausibel. Seit 2017 breitet sich der Konflikt aus. Von „Terror“ will die Regierung nicht sprechen, um Investoren und Touristen nicht abzuschrecken. Studien zeigen jedoch, dass es sich bei den Tätern um radikalisierte Muslime handelt mit Drähten zur Organisierten Kriminalität und islamistischen Kreisen im Ausland.

Überschattet wird der Wahlkampf außerdem von Manipulationsvorwürfen schon bei der Wählerregistrierung. In einer Provinz wurden rund 80Prozent der Bevölkerung als Wahlberechtigte registriert, obwohl jeder Zweite minderjährig ist. „Das sind alles echte Wähler“, weist Frelimo-Sprecher Caifadine Manasse im Gespräch mit der „Schwäbischen Zeitung“ alle Zweifel zurück.

Nun liegt es an den Wahlbeobachtern, mutmaßliche Phantomwähler zu enttarnen. Wenn sie sich trauen. Am Montag vergangener Woche wurde der Leiter der Wahlbeobachter in der Provinz Gaza, Anastácio Matavele, von einer Todesschwadron in Xai-Xai erschossen. Dringend tatverdächtig, räumte das Oberkommando der Polizei in Maputo ein, sind Spezialkräfte der Polizei.