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Straftat

Viele Frauen fühlen sich an bestimmten Orten nachts nicht sicher

Berlin / Lesedauer: 4 min

Wie sicher sind und fühlen sich die Menschen hierzulande? – Ergebnisse einer Studie
Veröffentlicht:08.11.2022, 20:00

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Ängste können irrational sein, aber sie sind es nicht immer. Die Untersuchung „Sicherheit und Kriminalität in Deutschland“ (SKiD), die am Dienstag in Berlin vorgestellt wurde, hat ergeben, dass sehr viele Menschen hierzulande befürchten, Opfer von Cyberkriminalität zu werden. Und ihr Sorge ist durchaus berechtigt, wie Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) und Holger Münch, Präsident des Bundeskriminalamts (BKA), ausführten. Hier die wichtigsten Ergebnisse der Studie, die erstmals so in Deutschland erhoben wurden.

Was unterscheidet diese Studie von anderen Statistiken der Polizei ?

Für die Untersuchung „Sicherheit und Kriminalität in Deutschland“ (SKiD) hat das BKA und vier Bundesländer (Hamburg, Nordrhein-Westfalen, Schleswig-Holstein und Thüringen) Ende 2020/Anfang 2021 bundesweit rund 122 700 Menschen kontaktiert, um ihre Erfahrungen mit Kriminalität und ihr Sicherheitsgefühl abzufragen. 45 351 Antworten konnten für die Studie ausgewertet werden. Das bedeutet: In der SKiD werden auch Straftaten erfasst, von denen die Polizei nie erfahren hat, weil sie von den Opfern nicht angezeigt wurden. Deshalb handelt es sich um eine sogenannte Dunkelfeldstudie. In die Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS), die seit vielen Jahrzehnten jährlich vorgelegt wird, geht dagegen das „Hellfeld“ ein – also die Straftaten, die angezeigt und von der Polizei auch bearbeitet werden. BKA-Präsident Münch sprach mit Blick auf die SKiD von einem „Meilenstein“, um Licht ins Dunkle zu bringen. Die Dunkelfelduntersuchung soll künftig trotz des großen Aufwandes, der damit verbunden ist, alle zwei Jahre wiederholt weren.

Was ist das überraschendste Ergebnis der Studie?

Überraschend findet Münch, dass so viele Straftaten, die via Internet verübt werden, nicht angezeigt werden. Die Cyberkriminalität hat in den vergangenen Jahren massiv zugenommen, dies belegen auch andere Studien. „Cybercrime ist eine der größten Herausforderungen für die Sicherheitsbehörden“, sagte der BKA-Chef. Nur 18 Prozent der Straftaten werden aber laut Studie bei der Polizei angezeigt. Zur Cyberkriminalität zählen beispielsweise Onlinebetrug und die Infizierung mit Computerviren. Aber auch Gewaltandrohungen und Beleidigungen im Internet gehören dazu. Der Bevölkerung ist das Risiko, Opfer von Cyberkriminellen zu werden, offensichtlich durchaus bewusst. 34 Prozent der Befragten hielten es für „wahrscheinlich“, in den nächsten zwölf Monaten Opfer einer entsprechenden Straftat zu werden. Laut Münch meiden 27 Prozent der Bevölkerung in Deutschland auch die Abwicklung von Geldgeschäften im Internet, weil sie befürchten, Opfer von Betrügern zu werden.

Was sagt die Studie über das allgemeine Sicherheitsgefühl der Menschen in Deutschland?

Auch da gibt es Licht und Schatten. Für Politik und Behörden positiv ist der Befund, dass sich viele Menschen hierzulande in ihrer Wohnung (mehr als 90 Prozent) und in ihrem Umfeld (72 Prozent) durchaus sicher fühlen. Doch mit Blick auf das Sicherheitsempfinden zeigen sich große Unterschiede zwischen Frauen und Männern. In öffentlichen Verkehrsmitteln beispielsweise fühlen sich ohnehin nur 46 Prozent der Bevölkerung nachts sicher. Unter Frauen ist dieser Anteil mit 33 Prozent noch deutlich geringer als unter Männern (60 Prozent). Deshalb gaben viele weiblichen Befragte an, nachts auf öffentliche Verkehrsmittel zu verzichten und bestimmte Orte, etwa Bahnhofsvorplätze zu meiden. Doch nur wenige Menschen hierzulande haben ein Messer (1,5 Prozent) oder Reizgas (3,8 Prozent) zum Schutz vor Kriminalität dabei. Mit der Arbeit der Polizei waren die meisten Befragten allerdings zufrieden (mehr als 90 Prozent).

Welches Geschlecht wird häufiger Opfer von Kriminalität?

Tendenziell trifft es eher Männer, ergab die Studie. Doch wenn es um Sexualstraftaten und Partnerschaftsgewalt geht, sind vor allem Frauen betroffen. Sechs Prozent der weiblichen Befragten haben das im vergangenen Jahr erlebt, aber nur 1,1 Prozent der männlichen. Auffallend ist gerade in diesem Bereich das große Dunkelfeld: nur ein Prozent der Straftaten wird angezeigt – bei Autodiebstahl oder Wohnungseinbrüchen sind es dagegen nahezu 100 Prozent. Da sich die Straftaten meist im familiären Umfeld ereignen, machten viele Opfer aus Scham keine Anzeige bei der Polizei.

Welche Schlüsse ziehen Politik und Polizei aus der neuen Studie?

Innenministerin Faeser drängt auf die Speicherung von IP-Adressen, damit Kriminelle von den Behörden ermittelt werden können. Dieses Vorhaben ist allerdings in der Ampel-Koalition bislang umstritten. Die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes habe bestätigt, dass IP-Adressen gespeichert werden dürfen. „Die damit eröffneten rechtlichen Möglichkeiten müssen wir nutzen“, sagte Faeser. Auch der BKA-Präsident betonte, wie wichtig die Speicherung von IP-Adressen bei der Ermittlung von Straftätern sei. Innenministerin Faeser sprach sich zudem für mehr Videoüberwachung und eine höhere Polizeipräsenz im öffentlichen Raum, beispielsweise an Bahnhöfen aus. „Dass sich viele Frauen nachts nicht frei bewegen, dass sie sich einschränken, weil sie sich bedroht fühlen, können wir so nicht hinnehmen“, sagte die SPD-Politikerin.