StartseitePolitikVertrag kann „Rechtspopulisten das Wasser abgraben“

Krise

Vertrag kann „Rechtspopulisten das Wasser abgraben“

Ravensburg / Lesedauer: 3 min

Die Frankreichexpertin Sabine von Oppeln sieht Chancen im Élysée-Vertrag – allerdings unter einer Voraussetzung.
Veröffentlicht:21.01.2019, 20:10

Artikel teilen:

Der Élysée-Vertrag könnte für die EU ein wichtiger Schritt sein – wenn er offen ist für andere Staaten. Das sagte Sabine von Oppeln (Foto: Bernd Wannenmacher ), Politologin der Freien Universität Berlin, im Gespräch mit Daniel Hadrys.

Frau von Oppeln, der Austritt Großbritanniens aus der EU steht bevor, der EU geht es derzeit nicht gut. Welche Bedeutung hat solch ein Vertrag in diesen Zeiten?

Deutschland und Frankreich haben sich ein gutes Jahr Zeit gelassen mit der Neufassung des Élysée-Vertrags. Die Idee dazu wurde geboren, als die Hoffnung bestand, dass sie in Europa gemeinsam etwas bewegen können. Es gab dazu reichlich Vorschläge von Macron. Der Elan ist mittlerweile im Sande verlaufen. Es ist unklar, ob die Dynamik, die man sich von dem Vertrag verspricht, wirklich einsetzt. Wenn die Briten die EU verlassen, bleiben Deutschland und Frankreich aber nach wie vor wichtige Länder. Es ist daher ein richtiger Schritt, dass sie diesen Vertrag erneuern und ergänzen.

Kann diese Art von bilateraler Vereinbarung auch Strahlkraft haben für die Beziehung zwischen anderen Staaten?

Die deutsch-französische Zusammenarbeit hat einen besonderen Status. Insofern kann der Vertrag ein Vorbild sein. Ein wichtiger Aspekt in einem größer gewordenen Europa wird sein, dass die bilaterale Zusammenarbeit auch offen ist für die Kooperation mit Dritten und dass ein solcher Passus im Vertrag festgeschrieben ist. Nur dann können die beiden Länder in Europa etwas bewegen. Sie brauchen die Unterstützung von anderen.

Die Rechtspopulisten machen vor der Europawahl im Mai gegen die EU mobil. Ist solch ein Abkommen Futter für sie?

Das denke ich nicht. Die deutsch-französische Zusammenarbeit bewegt sich aber in einem Spannungsfeld. Deutschland und Frankreich werden gebraucht, damit Europa nicht noch tiefer in die Krise gerät. Andererseits wirft man ihnen vor, dass sie ein Direktorium bilden und anderen Vorschriften machen. Populisten könnten behaupten: Die Deutschen und die Franzosen wollen Europa bestimmen. Deswegen ist die Öffnung für Dritte von so großer Bedeutung.

Die französische Rechtspopulistin Marine Le Pen kritisiert den Vertrag scharf, sie bekommt viel Zuspruch von der Bevölkerung. Inwiefern kann dieser Vertrag Macron schaden?

Es kommt drauf an, was beide Länder daraus machen. Macron ist mit der Devise angetreten, dass er Europa mit dem privilegierten Partner Deutschland vorantreiben will. Und das, obwohl Europakritik in Frankreich populär ist und Le Pen sie sehr befördert hat. Die Deutschen haben ewig gebraucht, bis sie eine Koalition gebildet haben. Auch mit den Ideen Macrons, die Währungsunion oder die Verteidigungszusammenarbeit zu vertiefen, ist nicht viel passiert. Insofern hat Le Pen leichtes Spiel zu sagen, mit diesem Partner bringt eine Zusammenarbeit nichts. Das könnte Wasser auf ihre Mühlen sein. Die Rechtsextremen haben nicht nur in Frankreich, sondern auch in anderen Ländern starkes Oberwasser. Da muss man etwas dagegen halten. Die Neufassung des Élysée-Vertrags ist sicherlich nicht das Allheilmittel. Aber sollte man den Rechtsextremen nicht nachgeben und das Projekt dennoch realisieren.

Könnte man den Rechtspopulisten in der EU das Wasser abgraben, wenn man nun zeigt, dass etwas passiert?

Jede gemeinsame Initiative kann dazu beitragen. Mit dem Élysée-Vertrag könnten Deutschland und Frankreich in Politikfeldern, in denen in Europa nicht viel passiert, eine Art „Best Practice“ geben. Die regionale Zusammenarbeit ist solch ein Aspekt. Ein zweiter, brennend wichtiger Punkt, der in der europäischen Politik und im deutsch-französischen Verhältnis immer vernachlässigt wurde, ist der der sozialen Dimension in der EU. Wenn es dabei Fortschritte geben würde, könnte man den Rechtspopulisten etwas entgegen halten. Denn gerade sie spielen mit den Argumenten, dass Europa die soziale Ungleichheit vertieft, und dass man solche Fragen deshalb besser im nationalen Rahmen löst – was aber ein großer Irrtum ist.