Kamerapulk

Unschuldig

Hannover / Lesedauer: 3 min

Christian Wulff wird im Verfahren wegen Vorteilsannahme vollständig rehabilitiert
Veröffentlicht:27.02.2014, 18:40

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Darauf hat er lange gewartet, jetzt genießt er den Auftritt vor dem Kamerapulk. Freispruch. Christian Wulff lächelt milde. „Ich bin natürlich sehr erleichtert, dass sich das Recht durchgesetzt hat", kommentiert der Altbundespräsident das Urteil im Korruptionsprozess. Tochter Annalena ist gekommen, um ihm beizustehen an diesem wichtigen Tag und jetzt mit ihm zu feiern.

Alles andere als ein Freispruch wäre letztlich überraschend gewesen. Schließlich hatte der Richter zuletzt immer deutlicher erkennen lassen, dass er der Staatsanwaltschaft nicht folgt. Es ist das Ende quälender Tage für Christian Wulff. Doch das ehemalige Staatsoberhaupt vermeidet bewusst jede Geste und jedes Wort des Triumphs.

Fast regungslos hatte er den Richterspruch verfolgt. „Ich hatte daran nie einen Zweifel“, sagt er und bedankt sich fast präsidial „bei den vielen Menschen, die mir in den letzten zwei schwierigen Jahren beigestanden haben“. Wulff schlüpft in die Rolle des Opfers, dem am Ende Gerechtigkeit widerfährt. „Nun kann ich mich wieder der Zukunft zuwenden“, blickt er nach vorn.

Vorwurf vom Tisch

Um 10.48 Uhr war die Entscheidung gefallen: „Der Angeklagte Wulff ist freigesprochen“, verkündete Richter Frank Rosenow das mit Spannung erwartete Urteil. Der Vorwurf der Vorteilsannahme im Amt ist vom Tisch, die Indizienkette der Staatsanwaltschaft war für Richter und Schöffen nicht überzeugend. Am Ende fehlten die notwendigen Belege dafür, um Wulff eine Straftat nachweisen zu können. Es ging um Freundschaft und die Nähe von Wirtschaft und Politik in diesem Drama. Es ging um Aufstieg und Fall, eine rasante Karriere, um den Eifer der Staatsanwaltschaft und um Schuld und Sühne.

Im Februar 2012 war Wulff von seinem Amt als Bundespräsident zurückgetreten, als die Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren gegen ihn einleiten und seine Immunität aufheben lassen wollte. Doch ob das Urteil ein Schlussstrich unter die Affäre ist, ist noch nicht klar. Die Staatsanwaltschaft schließt eine Revision bisher nicht aus.

Nach Argumentation des Vorsitzenden Richters: Wulff und Groenewold habe „eine enge private Freundschaft miteinander verbunden“. Die Aussagen der Angeklagten seien nicht zu widerlegen. 720 Euro waren von den Vorwürfen der Vorteilsannahme am Ende geblieben. Ein Ministerpräsident, der sich „für Peanuts" kaufen lasse? Eine Vorstellung, an der nicht nur Richter Rosenow ernsthafte Zweifel hegt.

Dass Wulff für ein paar Hundert Euro „Kopf und Kragen“ riskiert haben soll, sei „nicht einsichtig“. Der Verdacht der Vorteilsannahme im Amt ist für Rosenow nicht belegt. „Es hätte schon sehr überzeugender Indizien bedurft. Diese haben wir hier nicht, im Gegenteil“, so der Richter.

Keine hinreichenden Indizien

Da war die Reise nach Sylt, der Kredit für sein Eigenheim in Großburgwedel und die halbe Wahrheit darüber im niedersächsischen Landtag, die Oktoberfestsause in München, das Handy von Freund und Mitangeklagten Gronewold – doch all das, so macht der Richter klar, reiche ohne hinreichende Indizien für eine Vorteilsannahme nicht aus.

Wulff und Groenewold hatten die Vorwürfe stets bestritten und auf eine Freundschaft verwiesen, die sie seit Längerem verbindet. Zwar sei es möglich, dass der Verdacht gegen die Angeklagten und der von der Staatsanwaltschaft dargelegte Ablauf zutreffend sei, aber wahrscheinlicher sei deren Unschuld, stellt Richter Rosenow klar.

In der kommenden Woche wollen die Staatsanwälte entscheiden, ob sie das Urteil anfechten, in Revision gehen. Wulffs Anwälte bleiben derweil gelassen: Die Entscheidung sei eine „Ehrenerklärung“ für den Altbundespräsidenten. „Das Urteil ist in Stahl gegossen, es wird halten.“

Christian Wulff, betont Richter Rosenow am Ende, sei „uneingeschränkt unschuldig“. Und mit der Unschuld sei es wie mit der Schwangerschaft: „Ein bisschen schwanger geht nicht.“