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Begrüßung

Türkei will drei Millionen Syrer in ihre Heimat zurückschicken

Istanbul / Lesedauer: 3 min

Präsident Erdogan erhält bei Syrien-Gipfel keine Zugeständnisse Putins
Veröffentlicht:16.09.2019, 21:18

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Die Begrüßung ist herzlich gewesen. „Schön, dich zu sehen. Wie geht es dir?“ fragte Recep Tayyip Erdogan seinen Gast Wladimir Putin auf Englisch. Die Präsidenten der Türkei und Russland umarmten sich und stiegen lachend die Treppe zu Erdogans Palast in Ankara hinauf. Mehr als ein halbes Dutzend Mal haben sie sich in diesem Jahr schon gesehen. Erdogan ist ein gutes Verhältnis zu mächtigen Staatschefs wichtig. Doch in Syrien nützt seine Freundschaft mit Putin der Türkei nichts.

Anlass von Putins Besuch in der türkischen Hauptstadt war ein Dreier-Gipfel der Türkei, Russlands und Irans zur Syrien-Frage. Nach dem fünften Spitzentreffen des sogenannten Astana-Formats sagte Erdogan am Montagabend, er wolle im Nordosten Syriens eine ausgedehnte „Schutzzone“ einrichten, in der bis zu drei Millionen Flüchtlinge aus der Türkei angesiedelt werden könnten. Zu diesem Zweck wolle er eine internationale Konferenz einberufen, sagte der türkische Staatschef.

Mit dem Plan reagiert Erdogan auf innenpolitischen Druck. Seine Regierung befürchtet, dass bis zu eine Million Syrer versuchen könnten, aus der umkämpften Provinz Idlib über die derzeit geschlossene Grenze in die Türkei zu kommen. Dabei versorgt die Türkei bereits 3,6 Millionen Flüchtlinge. Mit der Drohung, notfalls „die Tore zu öffnen“ und die Syrer nach Europa reisen zu lassen, will er die EU zur Unterstützung seiner Politik drängen. Dazu gehört der Plan zur Einrichtung der „Schutzzone“ im Osten Syriens, wo die Syrer aus der Türkei angesiedelt werden sollen.

In Ankara zeigten Putin und der iranische Staatschef Hassan Ruhani keinerlei Bereitschaft, Erdogans dringendstes Problem zu lösen und eine neue Fluchtwelle aus Idlib zu verhindern. Die Türkei will erreichen, dass die mit Russland und Iran verbündete Regierung in Syrien ihre Offensive in Idlib stoppt.

Andere Prioritäten

Doch Moskau und Teheran haben andere Prioritäten. Zwar war in der Abschlusserklärung von geplanten konkreten Schritten zur Verbesserung der Lage in Idlib die Rede. Doch Putin sagte, die „terroristische Bedrohung“ in Syrien müsse bekämpft werden – das heißt: Die Offensive gegen die Rebellen in Idlib soll weitergehen.

Putins Schützling, der syrische Präsident Baschar al-Assad, saß beim Gipfel zwar nicht mit am Tisch. Doch er war am Vortag von hochrangigen russischen Regierungsvertretern über das Treffen informiert worden. Assad will Idlib unter seine Kontrolle bringen und wird dabei von der russischen Luftwaffe und pro-iranischen Gruppen unterstützt. Die von der Türkei ausgerüsteten Rebellenkämpfer sowie die radikalen Islamisten der Organisation HTS, die in der Gegend das Sagen hat, können der Offensive kaum etwas entgegensetzen.

Auch in den Tagen vor dem Gipfel hatte es in Idlib trotz eines Waffenstillstands Kämpfe gegeben. Die Lage für viele der drei Millionen Menschen in der Region an der türkischen Grenze wird immer verzweifelter. Nach Angaben von Hilfsorganisationen und Aktivisten sind Hunderttausende vor anrückenden syrischen Regierungstruppen auf der Flucht; viele müssen in Notbehausungen oder unter freiem Himmel schlafen.