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Streikverbot

Streikverbot für Lehrer bleibt bestehen

Berlin / Lesedauer: 3 min

Bundesverfassungsgericht weist die Beschwerde von vier Lehrern zurück – Fakten und Reaktionen zum Urteil
Veröffentlicht:12.06.2018, 21:35

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Am Streikverbot für Beamte wird nicht gerüttelt. Das bedeutet: Beamtete Lehrer dürfen auch weiterhin nicht für höhere Einkommen oder bessere Arbeitsbedingungen auf die Straße gehen. So urteilte am Dienstag das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe. Ist der Urteilsspruch ein notwendiges Stoppschild fürs „Rosinenpicken“ oder eine Benachteiligung von beamteten Lehrern gegenüber ihren angestellten Kollegen? Die Fakten rund um das Streikverbot und das Karlsruher Urteil im Überblick.

Wie es zu dem Urteil kam:

Anlass für das Urteil war eine Verfassungsbeschwerde von vier beamteten Lehrern aus Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und Schleswig Holstein. Weil die vier an Streiks der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft ( GEW ) teilgenommen hatten, waren sie dafür disziplinarrechtlich geahndet worden. Dagegen klagten sie sich durch die Instanzen bis vor das Bundesverfassungsgericht.

Die Argumente der Lehrer:

Das Völkerrecht und das internationale Arbeitsrecht sähen kein Streikverbot für Lehrer vor. Der Europäische Menschenrechtsgerichtshof sieht in Artikel 11 der Europäischen Menschenrechtskonvention das Recht auf Tarifverhandlungen und Streiks verankert. Dieses könne Beschäftigten nicht einfach mit Verweis auf einen Beamtenstatus abgesprochen werden. Die Gewerkschaften an der Seite der klagenden Pädagogen forderten, das Streikverbot auf Beamte mit hoheitlichen Aufgaben – allen voran Streitkräfte, Polizei und Staatsverwaltung – zu beschränken. Von den rund 800 000 Lehrern in Deutschland sind drei Viertel im Beamtenverhältnis. Die angestellten Lehrer dürfen streiken.

Die Argumente der Richter:

Das Streikverbot gehöre zu den Kernbeständen des Berufsbeamtentums und dürfe daher nicht angetastet werden, erklären die Karlsruher Richter. Dabei verweisen sie auf Artikel 33 des Grundgesetzes, in dem die „hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums“ geregelt sind – darunter auch das Streikverbot. Eine Lockerung dieses Verbots komme nicht infrage, weil dies an den Grundfesten des Berufsbeamtentums rüttele, argumentiert der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichtes. Es gelte ein „besonderes Treueverhältnis“. Beamtete Lehrer hätten besondere Rechte wie die prinzipielle Unkündbarkeit und eine lebenslange Versorgung durch den Staat. Verbunden seien damit auch besondere Pflichten. Ein „Rosinenpicken“ – also die Verletzung der Pflichten, ohne auf die Privilegien zu verzichten, sei „nicht zu rechtfertigen“, so Gerichtspräsident Andreas Voßkuhle. Einen Widerspruch zur Europäischen Menschenrechtskonvention sieht er nicht. Das Völkerrecht müsse nicht beachtet werden, wenn nur so ein Verstoß gegen tragende Grundsätze der nationalen Verfassung abzuwenden sei.

Die Reaktionen:

Die Regierung ist erleichtert. Er sei „außerordentlich zufrieden“, dass die Rechtsauffassung des Innenministeriums bestätigt worden sei, sagte der Parlamentarische Innenstaatssekretär Stephan Mayer (CSU). Lob kommt auch aus den Bundesländern. Diese sahen den Bildungsauftrag in Gefahr, hätten beamtete Lehrer die Arbeit niederlegen dürfen. Sie hatten massiven Unterrichtsausfall befürchtet. Die Gewerkschaften sind uneins. Die Bildungsgewerkschaft GEW klagte am Dienstag über „einen Schwarzen Tag für Demokratie und Menschenrechte“ und einen „Rückschritt ins vergangene Jahrhundert“. Der Deutsche Lehrerverband hingegen begrüßte die Klarstellung der Karlsruher Richter: Es dürfe kein „geteiltes Beamtenrecht“ geben für Lehrer auf der einen Seite und Polizisten und andere Beamte auf der anderen Seite, sagte Verbandspräsident Heinz-Peter Meidinger. Beamtete Lehrer genössen Privilegien, die angestellte Lehrer nicht hätten, so sein Argument. Daher sei für sie auch kein Streikrecht notwendig.

Wie es weitergeht:

GEW-Chefin Marlis Tepe schloss nicht aus, den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte anzurufen. Dieser hatte 2009 Klägern aus der Türkei Recht gegeben, wonach ein allgemeines Streikverbot für sämtliche Beamte „unverhältnismäßig“ sei. Lehrerverbandspräsident Meidinger sieht dafür in Deutschland zwar keine Grundlage, doch auch er fordert Nachbesserungen: So bräuchten Beamte nicht nur ein Anhörungsrecht, wenn es um ihre Besoldung gehe, sondern stärkere Mitbestimmungsrechte.