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Politikforschung

„Stimmungen wechseln immer schneller“

Politik / Lesedauer: 3 min

Wahlforscher Richard Hilmer über die Schwierigkeiten von Meinungsumfragen
Veröffentlicht:26.04.2017, 20:57

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Noch nie erlebt hat Meinungsforscher Richard Hilmer (Foto: dpa), Geschäftsführer von „policy-matters“, (Politikberatung und Politikforschung), dass eine Partei in so kurzer Zeit so viel besser bewertet wird wie derzeit die SPD . Mit Richard Hilmer sprach Sabine Lennartz.

Herr Hilmer, national wie international wurde das Vertrauen in Wahlumfragen beschädigt. Beim Brexit, bei der Trump-Wahl, der Saarland-Wahl – immer kam es anders als vorhergesagt. Warum?

Das hat unterschiedliche Ursachen. Bei Trump gaben die jeweils nationalen Umfragen das Ergebnis ziemlich genau wieder, doch nationale Umfragen alleine reichten nicht aus, denn die Präsidentschaftswahl wird in den Bundesstaaten entschieden. Die Unterschiede dort waren extrem. In Washington kam Trump gerade einmal auf fünf Prozent der Stimmen, in anderen Staaten siegte er insbesondere mit der Unterstützung der Landbevölkerung. Hinzu kommt, dass manche Gruppen nicht mehr einfach durch Telefonumfragen zu erreichen sind, wie etwa die weißen Arbeiter in den Rust-Belt-Staaten. Die Kollegen in Amerika werden bestimmt daran arbeiten, wieder Zugang zu diesen Personen zu finden.

Spielt das in Deutschland auch eine Rolle?

Bei der AfD spielte das eine gewisse Rolle. In Sachsen-Anhalt zum Beispiel lag die AfD in den höchsten Umfragen bei 18 Prozent, am Ende hat sie aber 25 Prozent bekommen. Auch hier zeigte sich, dass man mit Telefonerhebungen bestimmte Gruppen nicht mehr ausreichend erreichen kann. Man muss die Zurückhaltung gegenüber der Meinungsforschung insgesamt abbauen, Meinungsforscher stellen – wie auch die Medien – für manche ein Stück weit „Establishment“ dar. Leute die eine Antipathie gegenüber allem Etablierten haben, verweigern sich deshalb häufiger auch Meinungsumfragen.

Und was war im Saarland ?

Im Saarland hat es eine enorm politisierte Wahl gegeben, die hohe Wahlbeteiligung hat das bestätigt. Die Bürger sind empfänglich für Botschaften – und die Botschaft, dass es zu einem Wechsel in Richtung Rot-Rot kommen könnte, hat dann wohl unentschiedene Wähler oder solche, die eigentlich gar nicht zur Wahl gegen wollten, im letzten Moment noch mobilisiert, eine Mehrheit wollte Annegret Kramp-Karrenbauer als Ministerpräsidentin behalten.

Sie sagten, dass man durch die Politisierung die Wähler wieder besser erreicht. Auch am Telefon?

Ja, die Bereitschaft, bei solchen Interviews mitzumachen, nimmt wieder zu. Das Schwierige für uns ist, dass mit der Politisierung auch die Volatilität steigt. Nach der Nominierung von Martin Schulz als SPD-Spitzenkandidat hatten wir es mit einer unglaublichen Umwälzung zu tun. Das hatten wir noch nie erlebt, dass binnen vier Wochen eine Partei ihren Anteil von 20 auf über 30 Prozent steigern konnte. Stimmungen wechseln heute eben schneller.

Viele junge Leute erreicht man nur noch über Mobiltelefon, ist das ein Problem?

Auf nationaler Ebene ist die Einbeziehung von Mobiltelefonen ein Muss, das machen die großen Institute auch. Auf Länderebene ist das allerdings schwierig, weil man den Mobiltelefonnummern nicht ansieht, aus welchem Bundesland die Teilnehmer kommen. Bezeichnend ist, dass die Wahltagsbefragungen von ARD und ZDF auch im Saarland wieder sehr exakt waren, das deutet auf gute Stichproben und ehrliche Antworten hin. Bei Vorwahlerhebungen gilt aber: Wenn die politische Willensbildung so im Fluss ist wie derzeit, sollte man immer dazu sagen: Die Umfragen geben nur das aktuelle Stimmungsbild wieder. Nicht selten verändern erst die veröffentlichten Umfragen die Wahlentscheidung – wie zuletzt im Saarland.

Gibt es für sie Lehren aus der Saarlandwahl?

Eine der Lehren, auch aus Trumps Wahl, ist, emotionale Faktoren mehr in die Fragen einzubeziehen. Personen spielen heute eine immer größere Rolle. Das Vertrauen in die Spitzenpolitiker war im Saarland entscheidend. Außerdem wurde deutlich, dass auch Konstellationen wichtiger werden. Eine mögliche rot-rote Koalition mit Lafontaine zum Beispiel war wohl auch für viele SPD-Wähler eine abschreckende Vorstellung.