StartseitePolitikSpekaer John Bercow durchkreuzt erneut die Brexit-Pläne von Premierminister Johnson

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Spekaer John Bercow durchkreuzt erneut die Brexit-Pläne von Premierminister Johnson

London / Lesedauer: 3 min

Kurz vor seinem Abgang hatte Speaker John Bercow in der Hand, der Regierung grünes Licht für ihre Brexit-Pläne zu geben – oder auch nicht. Überraschen konnte niemanden, dass er es nicht tat.
Veröffentlicht:21.10.2019, 19:50

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Zehn Jahre lang trug er die Robe des Speakers. In zehn Tagen wird er sie ablegen und in den Ruhestand gehen. Aber kurz vor seinem Abgang hat es der britische Parlamentssprecher John Bercow noch einmal geschafft, dass sich alle Augen auf ihn richten. Es lag am Montag allein an ihm, der Regierung grünes Licht für ihre Brexit-Pläne zu geben – oder sich Boris Johnson im Namen des Parlaments in den Weg zu stellen. Überraschen konnte niemanden, dass er Letzteres tat.

Zur Situation, in der sich der Unterhaussprecher fand, war es gekommen, nachdem das House of Commons Johnson am Samstag bereits kräftig abgebremst hatte. Es hatte den Regierungschef verpflichtet, vor einer endgültigen Entscheidung über seinen Deal mit Brüssel erst einmal die nötige Brexit-Gesetzgebung durchs Parlament zu bringen, sich also Zeit zu nehmen. Weil er seinen Deal nicht abgesegnet bekam, war Johnson gezwungen, noch in der Nacht auf Sonntag die EU um einen Brexit-Aufschub anzugehen.

Kaum sammelte sich das Unterhaus am Montag wieder, trat die Regierung zu einem zweiten Versuch an, im Parlament ihren Willen zu bekommen. Kalkül der Regierung war es, dass bei einer direkten Zustimmung des Unterhauses zum Johnson-Deal mit Brüssel das Gesuch um Aufschub bei der EU prompt wieder zurückgenommen werden könnte. Dann hätte die Regierung den Volksvertretern erneut mit einem No-Deal-Brexit am 31. Oktober drohen können, wenn sie der Linie der Regierung nicht folgen. John Bercow verbat Johnson aber eine erneute Ja-oder-Nein-Abstimmung über seinen Deal – dieses Recht steht dem Speaker des Parlaments zu.

So war Bercow bereits im März diesen Jahres vorgegangen und hatte damit Johnsons Vorgängerin Theresa May matt gesetzt. Im Rückgriff auf eine längst vergessene Konvention aus dem Jahr 1604 hatte Bercow darauf bestanden, dass über dieselbe Vorlage in der gleichen Legislaturperiode nicht zweimal abgestimmt werden konnte. Mit dieser Entscheidung handelte sich der Speaker schon damals den Ruf eines „Handlangers der Brexit-Gegner“ ein. Der Anschuldigung, nicht neutral zu sein, trat er immer entschieden entgegen. Für ihn sei allein wichtig, beteuerte Bercow, die Rechte der Volksvertretung gegenüber der Exekutive zu sichern.

Der Mann, der sich mit seinen dröhnenden „Order, Order“-Rufen bereits einen weltweiten Fanclub verschafft hat, gab schon zum Amtsantritt 2009 zu Protokoll, er wolle dafür sorgen, „dass sich das Parlament von den Knien erhebt und begreift, dass es nicht einfach Erfüllungsgehilfe der jeweiligen Regierung ist“.

Er selbst hatte dies, seit er gewählt wurde, immer wieder unterstrichen – etwa, als er 2017 dem just von Regierungschefin May nach London eingeladenen US-Präsidenten Donald Trump wegen „Rassismus und Sexismus“ praktisch Hausverbot im Palast von Westminster erteilte.

In Westminister richtet man sich nun auf die kommenden Brexit-Gefechte ein. Als nächstes will die Regierung Johnson versuchen, das erforderliche neue, über 100 Seiten lange Austritts-Gesetz durch Unter- und Oberhaus zu bringen, das die Parlamentarier beider Kammern am Montag erstmals zu Gesicht bekommen haben.

Eine entsprechende Abstimmung dieses Gesetzes wollen die Oppositionsparteien mit eigenen Anträgen verbinden, wie etwa dem Antrag, dass das Vereinigte Königreich besser in der EU-Zollunion bleiben sollte. Auch über ein neues Referendum soll diese Woche noch abgestimmt werden.

In Edinburgh begann sich derweil der oberste schottische Gerichtshof wieder mit der Frage zu beschäftigen, ob Premier Johnson mit seinen zwei widersprüchlichen Briefen nach Brüssel vom Samstag gegen das Gesetz verstoßen hat.

Und in Belfast mühten sich nordirische Politiker am Montag, nach drei Jahren Funkstille wieder eine Regierung für Nordirland zuwege zu bringen – freilich vergebens.