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Aus für Ferkel-Kastration ohne Betäubung: Schweinezüchter fürchten um ihre Zukunft

Berlin / Lesedauer: 4 min

Bundesrat lehnt Verschiebung des Verbots der betäubungslosen Kastration von Ferkeln ab – Hauk kritisiert die Grünen
Veröffentlicht:21.09.2018, 18:21

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Schweinezüchter fürchten um ihre Zukunft, Tierschützer feiern einen Schritt für das Tierwohl: Ab dem 1. Januar 2019 müssen Ferkel betäubt werden, bevor Landwirte sie kastrieren. Ein Antrag, die entsprechenden Vorgaben auszusetzen, ist am Freitag im Bundesrat gescheitert. Baden-Württembergs Landwirtschaftsminister Peter Hauk ( CDU ) kritisierte die Grünen am Freitag für deren Haltung scharf: „Sie haben dem Tierschutz einen Bärendienst erwiesen.“

Schweinezüchter kastrieren junge Eber wenige Tage nach der Geburt. Denn die Tiere produzieren später Hormone. Diese machen das Fleisch ungenießbar, es stinkt. Die Ferkel sind bei der Kastration bei vollem Bewusstsein. Erfahrene Züchter führen sie in wenigen Sekunden durch.

Landwirtschaftsminister Peter Hauk (CDU)

Studien zeigten, dass die Tiere dabei Schmerzen empfinden. Deshalb beschloss die damalige Bundesregierung bereits im Jahr 2013, eine Betäubungspflicht einzuführen. 2019 tritt sie nun in Kraft.

Doch Landwirte und CDU wollten den Starttermin noch einmal verschieben. Ihr Argument: Es gebe noch keine praktikable Methode, um die Eber zu kastrieren. Zwar kann ein Medikament verhindern, dass die Hormone ausgeschüttet werden und das Fleisch stinkt. Doch die Züchter bezweifeln, dass Verbraucher so behandeltes Fleisch kaufen. Außerdem sei es derzeit nicht flächendeckend verfügbar.

Ein Tierarzt könnte die kleine Operation durchführen. Landwirte fürchten aber die Nebenwirkungen der Narkose und die Mehrkosten. Die würden sich nach Schätzungen des Bauernverbandes auf bis zu 13 Millionen Euro pro Jahr belaufen. Andere Verfahren, etwa eine örtliche Betäubung, halten wiederum Tierschützer für nicht tiergerecht.

Baden-Württemberg enthält sich

Deswegen wollten einzelne Bundesländer die Betäubungspflicht erst 2024 einführen und bis dahin geeignete Methoden finden. Doch das scheiterte vor allem an der Ablehnung der Grünen. Sie sind für eine rasches Verbot betäubungsloser Kastrationen. Baden-Württemberg enthielt sich. Denn Agrarminister Peter Hauk und seine CDU haben eine klare Haltung: Sie plädierten für eine Übergangsfrist von einigen Jahren.

Baden-Württembergs Landwirtschaftsminister Peter Hauk (CDU). Foto: Guido Kirchner/Archiv

Sind sich die beiden Regierungspartner uneins, enthalten sie sich bei den Bundesrat-Abstimmungen. Zwar hätte Baden-Württembergs Stimme nichts am Ausgang des Votums geändert. Doch Hauk ärgerte sich trotzdem über die Grünen auch im eigene Bundesland. „Wenn künftig Ferkel aus Dänemark nach Süddeutschland gekarrt werden müssen, haben das die Tierschützer zu verantworten und auch die Grünen in Baden-Württemberg. Das kann nicht im Sinne des Tierwohls sein“.

Hauk sorgt vor allem um die kleinen Höfe. Rund 90 Prozent der etwa 2300 Schweinehalter im Südwesten haben weniger als 250 Tiere. Auch Bayerns mehr als 5600 Betriebe sind oft klein – verglichen mit großen Massenhaltungen etwa in Niedersachsen. Für diese sei es leichter, steigende Kosten zu tragen, Familienbetriebe gerieten aber rasch in Existenznot, argumentiert auch der Landesbauernverband.

Wer regionales Fleisch wolle, könne nicht gleichzeitig die heimische Landwirtschaft gefährden. Immer mehr Regeln machten es kleinen Betrieben schwer, sie müssten ihre Preise erhöhen – und unterliegen im Preiskampf mit Anbietern aus anderen EU-Ländern wie Dänemark. Dort gelten wenige strenge Auflagen. „Mit solchen Entscheidungen legt man die Axt an regionale bäuerliche Strukturen“, kritisierte Hauk. Dabei wollten die Grünen ja gerade kleine Betriebe statt Massentierhaltung.

Tierschutzexpertin Thekla Walter

Der Deutsche Bauernverband (DBV) warf dem Bundesrat deshalb eine Blockadehaltung vor. Nunmehr sei „zu befürchten, dass viele Betriebe in Deutschland aufgeben müssen“, erklärte DBV-Präsident Joachim Rukwied. Der Bundestag sei gefordert, schnell eine Lösung zu suchen, „damit die deutschen Ferkelerzeuger eine Zukunft haben und im europäischen Wettbewerb mithalten können“.

Der grüne Regierungspartner bleibt dennoch bei seiner Haltung. Die Tierschutzexpertin Thekla Walter sagte am Freitag: „Ich bin froh über die klare Absage an eine tierquälerische Praxis. Die Schmerzen, die Millionen Lebewesen zugefügt werden, sind durch nichts zu rechtfertigen. Denn es gibt bereits verschiedene erfolgreich erprobte Alternativen. Man muss nur den Willen dazu haben, sie anzuwenden. Unsere Aufgabe ist es jetzt, die Tierhalter bei der Umstellung bestmöglich zu unterstützen.“