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Stadtviertel

Roma als Krisen-Opfer in Südosteuropa

Wien / Lesedauer: 3 min

Angehörige der Minderheit werden in Bulgarien und Rumänien weiter ausgegrenzt
Veröffentlicht:11.05.2020, 12:00

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Die Roma in Bulgarien und Rumänien leiden stark unter den sozialen Auswirkungen der Corona-Krise. Stadtviertel, in denen Roma leben, wurden während der Pandemie abgesperrt. Zuweilen vermischen sich Prävention und Vorurteile.

So wurden rund um das Sofioter Viertel Fakulteta zu Beginn der Coronavirus-Pandemie Checkpoints errichtet, weil die bulgarische Regierung annahm, dass in dem Roma-Viertel der Erreger mehr grassieren würde. Außerhalb des Viertels konnten sich die Bürger frei bewegen. Ähnliches geschah auch in anderen bulgarischen Städten. In Bourgas beschloss die Stadtregierung im März, Drohnen, die mit Temperaturmessgeräten ausgestattet sind, über die Roma-Siedlungen fliegen zu lassen. Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International kritisierte diese Pandemie-Politik der bulgarischen Behörden als „diskriminierend und befremdlich“.

In Südosteuropa kommen durch die sozialen und wirtschaftlichen Probleme genau jene unter Druck, die ohnehin am Rande der Gesellschaft stehen: die Roma. In allen südosteuropäischen Staaten sind seit Jahren Videos im Umlauf, in denen Menschen sich auf bösartige Art über Roma lustig machen. Diese Menschen, die oft keinen Zugang zu Bildung oder sozialen Aufstieg haben, werden öffentlich verspottet. Kürzlich kursierte ein Video, in dem Polizeibeamte eine Gruppe von Roma-Männern angreifen. Zivilgesellschaftliche Organisationen forderten den rumänischen Staatspräsidenten Klaus Iohannis dazu auf, Innenminister Marcel Vela des Amtes zu entlassen. Das Video wurde in Bolintin Vale in Südrumänien aufgenommen. Der örtliche Polizeichef, der der Hauptprotagonist der Szene war, wurde von seinem Posten entfernt.

Wie in allen anderen südosteuropäischen Staaten haben die rigiden Ausgangsbeschränkungen während der Corona-Krise auch der Polizei weitreichende Möglichkeiten eingeräumt, Strafen zu verhängen. In der Zeit der Notstandsverordnungen werden jene zu Sündenböcken, die sich am wenigsten wehren können. Die Region rund um die rumänische Stadt Tandarei wurde abgeriegelt, nachdem viele Menschen hier zuvor positiv auf das Coronavirus getestet worden sind. Während der Pandemie wurden die Roma nun von Rechtsextremen kollektiv als Gesundheitsrisiko dargestellt. Die Stadt Tandarei war in den letzten Jahren wegen Menschenschmuggels in den Schlagzeilen, weil Kinder aus Tandarei nach Großbritannien zum Betteln geschickt worden waren.

Viele Roma aus Tandarei sind in den vergangenen Jahren nach Italien, Spanien, Deutschland, Großbritannien und Frankreich ausgewandert. Und manche von ihnen – wie auch andere Zehntausende Rumänen – sind nach Ausbruch der Pandemie nach Rumänien zurückgekehrt. Denn viele von ihnen haben ihre Jobs in den anderen EU-Staaten verloren, waren dort meist nicht offiziell registriert oder versichert.

Die meisten Roma in Südosteuropa hatten jedoch auch vor Covid-19 keine sozialversicherungspflichtigen Jobs. In Südosteuropa liegt die Beschäftigungsrate von Roma zwischen elf und 22 Prozent. Am schlimmsten ist die Situation in Bosnien-Herzegowina, am vergleichsweise besten in Nordmazedonien. Viele Roma sind Kleinhändler, die an Straßenständen etwas verkaufen – diese Möglichkeit ist nun zur Gänze weggefallen.

Außerdem gibt es in vielen der Wohnsiedlungen, in denen die Roma leben, kein Fließwasser. Die notwendigen Präventionsmaßnahmen können auch wegen der beengten Wohnverhältnisse schlechter eingehalten werden. Im Kosovo und in Albanien haben die allerwenigsten Roma überhaupt eine Krankenversicherung. Der Europarat hat gemeinsam mit der Europäischen Union daher Geld für besonders betroffene Roma-Familien zur Verfügung gestellt.

Roma-Kinder sind wegen der sozialen und ökonomischen Probleme ihrer Familien in der Krise doppelt benachteiligt. Sie können dem Online-Unterricht nicht folgen, weil sie keine Computer zu Hause haben. Laut einer Umfrage der UN-Entwicklungsagentur UNDP haben etwa in Serbien 54 Prozent aller Haushalte einen Computer, bei Roma-Familien sind es 17 Prozent, ähnliches gilt für den Kosovo, für Bosnien-Herzegowina und für Montenegro. In Serbien und in Nordmazedonien gibt es zumindest Unterricht auf Fernsehkanälen – was den Roma-Kindern in dieser Situation etwas hilft.